Warum sind die Kämpfe um mehr Personal im Gesundheitswesen bzw. in der Pflege aus unserer Sicht von solch herausragender Bedeutung?
Das fängt bereits bei der Ursache an: Der Pflegenotstand ist nichts anderes als ein Ergebnis der Tendenz des Kapitalismus, alles zur Ware zu machen. Nun zeigt sich in einem zentralen Bereich der Daseinsvorsorge anschaulich, was für eine Katastrophe das ist und zu welchen Widersprüchen das führt. Der Kapitalismus selbst räumt mit der romantischen Vorstellung auf, dass die „Gesellschaft“ dafür da wäre, allen Menschen ein „vernünftiges“ Leben zu garantieren. Der Pflegenotstand zeigt offen und deutlich, dass dies zumindest in der kapitalistischen Gesellschaft nicht zählt. Hier geht es um Profite, hier werden andere Prioritäten gesetzt (z. B. Rüstung), hier werden öffentliche Kassen geplündert.
Das für alle sichtbare Ergebnis ist eine Klassenmedizin. Wer reich ist, der kommt auf die Komfortstationen – abgeschottete Bereiche, sauber, luxuriös, guter Personalschlüssel, bestmögliche medizinische Leistungen –, aber nur gegen Cash oder mit Privatversicherung. Wer nicht reich, aber auch nicht arm ist, kann sich mit einer Zusatzversicherung zwar nicht mehr Nachtwachen, aber zumindest eine bessere Unterbringung und Verpflegung erkaufen. Wer auch das nicht hat: Auweia.
Besonders sind diese Auseinandersetzungen aber auch, weil sie für einen Paradigmenwechsel stehen: Der Teil der Arbeiterklasse, der diese Kämpfe führt, ist sich mancher Dinge bewusst geworden. Wir kennen doch die Situationen, in denen Arbeiter und Angestellte, selbst, nachdem sie zu kämpfen begonnen hatten, sich den Kopf der Herrschenden, also der sie ausbeutenden Klasse, zerbrechen. Da wurde „mitdiskutiert“, wie Standorte fit gemacht werden können. Da wurde mitgerechnet, welcher Verzicht auf welche Gehaltsbestandteile dem Unternehmen wie viel Vorsprung vor der Konkurrenz bringen könnte.
Und nun sagt ein Teil der Klasse: Halt, wir zerbrechen uns nicht mehr den Kopf der herrschenden Klasse, Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist jetzt, was ist nötig für uns, die Beschäftigten, was ist nötig für die Patienten, was ist nötig für ein Gesundheitswesen, das nicht im Prinzip „Wer arm ist, stirbt schneller“ endet.
Besonders sind diese Auseinandersetzungen, weil Beschäftigte und Patienten ihre gemeinsamen Interessen so gut erkannt haben, dass es den Herrschenden kaum oder gar nicht gelingt, ihre normale Vernebelungsstrategie zu fahren. „Wir alle müssen sparen“, „Auf deinen Arbeitsplatz warten genügend andere“ – all das dumme Zeug, das sonst oft das Bewusstsein der Klasse abhält, zum Klassenbewusstsein zu werden, wirkt hier nicht. Es gibt sogar Bündnismöglichkeiten über die Klasse hinaus – der Lehrer, der Bauer, selbst die meisten Kleingewerbetreibenden haben doch Erfahrungen mit diesem Gesundheitswesen gemacht.
Die kämpfenden Teile der Klasse sammeln im Bündnis mit Betroffenen neue Erfahrungen, auch Kampferfahrungen. Da sind die Streiks in den Universitätskliniken, da sind die Volksbegehren in einigen Bundesländern, da ist das Arbeiten mit neuen Strukturen der gewerkschaftlichen Verankerung.
Für uns Kommunisten ist es ein Muss, diese Kämpfe zu unterstützen. Auch deshalb, weil sie tatsächlich – wie die Faust aufs Auge – zu unserem Kampf gegen Krieg und Aufrüstung passen. Und natürlich auch, weil wir uns auf manche Sauerei der anderen Seite einstellen müssen. Denn auch die Herrschenden werden ähnliche Analysen haben wie wir. Und das heißt für sie: es muss alles getan werden, um zu verhindern, dass dieser Kampf zu einer „weiter um sich greifenden Vereinigung“ der Arbeiterklasse führt. Tun wir alles dafür.