Die USA und Israel sind fest entschlossen, die Spannungen im Nahen Osten extrem zuzuspitzen. Vor den US-Präsidentschaftswahlen soll offenbar eine Art Showdown bei der „Neuordnung“ der Region erreicht werden. Zentraler Hebel dabei ist die Annexion von Teilen des von Israel seit 1967 besetzten Westjordanlandes, die am 1. Juli beginnen soll.
Die neue Regierung Benjamin Netanjahus wird den offenen Völkerrechtsbruch weitgehend folgenlos verwirklichen können: Sie setzt damit einen Plan Donald Trumps um, das heißt, der UN-Sicherheitsrat ist durch das US-Veto daran gehindert, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die EU wird stillhalten – das signalisierte der deutsche Außenminister Heiko Maas, der am 10. Juni Israel und Jordanien besuchte.
Die Annexion ist aber nur einer von mehreren Schritten, mit denen USA und Israel die Lage in der Region anheizen. „Der Spiegel“ berichtete am 14. Juni, Netanjahu habe eine Woche zuvor, am 7. Juni, bei einer Kabinettssitzung erklärt: „Heute beginnen wir praktische Schritte zur Errichtung der Gemeinde Ramat Trump (Trump-Höhen) auf den Golanhöhen.“ Trump hatte am 25. März 2019 kurz vor den damaligen Parlamentswahlen in Israel die völkerrechtliche Anerkennung der Annexion des syrischen Territoriums erklärt – entgegen einer Resolution des UN-Sicherheitsrats von 1981, der die USA zugestimmt hatten.
Am 17. Juni trat außerdem die erste Phase des zynisch „Caesar Syria Civilian Protection Act“ genannten US-Gesetzes in Kraft. Mit Schutz der Zivilbevölkerung Syriens hat die Willkür nichts zu tun, im Gegenteil: Die Verfügung zielt darauf, die wirtschaftliche und soziale Lage für die Einwohner unerträglich zu machen. Die darin vorgesehenen neuen Sanktionen der USA sollen bis August in Kraft treten. Die Nahost-Expertin des Wiener „Standard“, Gudrun Harrer, schrieb dazu am 13. Juni: „Die Auswirkungen des neuen US-Sanktionspakets gegen Syrien sind jedoch bereits angekommen, und zwar nicht nur in Syrien selbst, sondern auch im Libanon. In beiden Staaten wird ein Wirtschaftskollaps befürchtet.“ Die Autorin zitierte den Apostolischen Vikar von Aleppo, Bischof Georges Abou Khazen, der erklärte, die Sanktionen seien „inhuman, weil sie die ganze Bevölkerung bestrafen“ und die Syrer „jeden Tag ärmer machen“. Der katholische Geistliche prangerte Hunger und Arbeitslosigkeit an und forderte die Rücknahme aller Sanktionen. Von den US-Sanktionen ausgenommen ist die syrische Provinz Idlib, in der unter dem Patronat der Türkei und anderer NATO-Staaten Dschihadisten die Macht ausüben.
Die USA und Israel haben dabei Carte blanche der Verbündeten in NATO und EU. Das war das Ergebnis des Maas-Besuches. Er und seine israelischen Gesprächspartner überlegten lediglich, wie die EU und die Bundesregierung, die ab 1. Juli die Ratspräsidentschaft der Gemeinschaft übernimmt, ohne größeren Konflikt mit dem Völkerrechtsbruch der Annexion umgehen können. Von Frieden, Entspannung und Menschenrechten war keine Rede. Laut Medien war man sich einig: EU-Sanktionen gegen Israel wird es nicht geben, höchstens symbolische Maßnahmen. An der deutsch-israelischen Militärkooperation dürfte sich nichts ändern.
Wie sich die arabischen Staaten verhalten werden, ist offen. Die „FAZ“ berichtete am 13. Juni zwar von „einer beispiellosen Medienkampagne in Israel“, mit der die Vereinigten Arabischen Emirate am 12. Juni vor einer Annexion im Westjordanland warnten. Der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in Washington, Yousef Al Otaiba, habe in der israelischen Zeitung „Jedioth Ahronoth“ geschrieben, diese würde „definitiv und sofort alle israelischen Bestrebungen nach verbesserten Sicherheits-, Wirtschafts- und Kulturbeziehungen mit der arabischen Welt und den VAE umstoßen“. Das dürfte in Jerusalem und Tel Aviv keinen besonderen Eindruck machen.
Der nächste imperialistische Raub„frieden“ à la Trump nimmt Gestalt an.