Wir bewerten die Positionierung des Leitantragsentwurfes zum Themenkomplex Friedenspolitik/Antiimperialismus insgesamt als positiven Beitrag in die richtige Richtung. Die Akzente, die er setzt, sind richtig, vor allem, weil einige Marxisten die abstrakte Ansicht vertreten, im Kapitalismus/Imperialismus könne es (überhaupt) keinen Frieden geben – was faktisch auf eine Geringschätzung der Bedeutung des Friedenskampfes hinausläuft, auch wenn das möglicherweise nicht bewusst angestrebt wird. Natürlich gibt es eine Tendenz im Kapitalismus, insbesondere in seinem imperialistischen Stadium, ökonomische sowie geopolitische Widersprüche zu erzeugen, die die Gefahr von kriegerischen Auseinandersetzungen erhöhen. Jedoch sollte man das nicht abstrakt (losgelöst von konkreten Umständen) betrachten. Pauschal zu sagen: „Kapitalistische Staaten führen letztlich immer Krieg, egal, was man dagegen tut“, läuft auf ein defätistisches Einknicken vor dem Klassengegner hinaus.
Wir sollten aus den geschichtlichen Erfahrungen der Arbeiterbewegung und der sozialistischen Staaten lernen. Die Arbeiterbewegung mobilisierte vor dem Ersten Weltkrieg stets gegen jegliche kriegerischen Maßnahmen der kapitalistischen Staaten. Engels warnte Ende des 19. Jahrhunderts vor einem großen imperialistischen Krieg. Die Opposition der Arbeiterbewegung zu kriegerischen Mitteln erfolgte nicht nur aus taktischen Gründen, sondern auch, um zu versuchen, das imperialistische Gemetzel tatsächlich zu verhindern. Erst als das wegen des Verrats der sozialdemokratischen Führer nach Kriegsausbruch nicht mehr zu verwirklichen war, wurde aufgrund einer besonderen historischen Konstellation die Losung „den imperialistischen Krieg in einen Klassenkrieg verwandeln“ richtigerweise von den Bolschewiki erhoben. Es wäre aber falsch, diese Losung so zu verstehen, dass der Kapitalismus zwangsläufig in jedem Augenblick einen Krieg lostreten könnte, dass der Einsatz für den Frieden daher implizit irrelevant wäre und dass wir stattdessen auf die Verwandlung von imperialistischen Kriegen in Klassenkriege drängen sollten. Das würde darauf hinauslaufen, eine richtige Losung aus ihrem Kontext herauszuzerren und auf eine andere Situation anzuwenden, wodurch sie zu einer falschen Losung wird.
Die sozialistischen Staaten verfolgten immer eine konsequente Friedenspolitik. In den 20er und Anfang der 30er Jahre bemühte sich die Sowjetunion intensiv darum, von den kapitalistischen Staaten anerkannt zu werden und mit ihnen positive Beziehungen aufzubauen – und somit imperialistische Interventionen zu vermeiden. In den 30er Jahren bemühte sich die Sowjetunion darum, ein System der kollektiven Sicherheit gegen den aufstrebenden Faschismus in Deutschland zu etablieren und unternahm zahlreiche weitere Schritte, um den Frieden zu erhalten.
Die Sowjetunion ging in den 50er Jahren davon aus, dass man durchaus dem Imperialismus etwas entgegensetzen kann. Im Büchlein „Die Grundprinzipien der Außenpolitik der Sowjetunion“, das 1953 im Dietz-Verlag erschien, wird beschrieben, dass der Imperialismus angesichts einer konkreten Kriegsgefahr durch die Stärke des Sozialismus, durch die Stärke der Friedenskräfte gezwungen werden kann, von kriegerischen Mitteln abzusehen. Zudem wird die Bedeutung des Völkerrechts und der Souveränität im Kampf gegen den Imperialismus, für den Frieden, richtig dargelegt.
Das ist eine ganz andere Position als die, die Gorbatschow vertrat. Er war der Ansicht, dass der Imperialismus von sich heraus friedensfähig wäre – das war und bleibt falsch. Aber er kann in einer konkreten Konstellation aufgrund der Stärke seines äußeren und inneren Gegners gezwungen werden, von einer kriegerischen Auseinandersetzung abzusehen.
In dieser Hinsicht muss heute die Orientierung sein, einerseits gegen die Spaltung der Friedensbewegung einzutreten, diese zu stärken und antimilitaristische Agitation unter den Werktätigen zu betreiben, andererseits die internationalen Friedenskräfte zu stärken. Wir Kommunisten sind prinzipiell gegen Angriffskriege und für diplomatische Lösungen von Staatenkonflikten. Es gibt mittlerweile einen starken Pol in der Welt mit Russland und China an der Spitze, der die Dominanz des Imperialismus in Frage stellt und um den sich die subalternen Staaten langsam sammeln. Dieser Pol tritt für die Achtung des Völkerrechts ein, für die Achtung der staatlichen Souveränität – im Interesse des Friedens. Gerade deswegen ist der Ansatz richtig, die nationale Souveränität für eine konsequente Friedenspolitik auszunutzen. Der Text des Leitantrages setzt in dieser Frage aus unserer Sicht die richtigen Schwerpunkte.
Imperialismus zum Frieden zwingen
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