An den 45. Jahrestag der Sandinistischen Volksrevolution – sie siegte am 19. Juli 1979 – erinnern wir mit einem Beitrag, den Helge Fischer zum 25. Jahrestag der Revolution in Managua verfasst hatte. Er erschien in der UZ vom 16. Juli 2004:
Am 19. Juli 1979 kämpften FSLN-Guerilleros noch an verschiedenen Orten Nicaraguas gegen Reste der faschistischen Guardia Nacional. Doch der Sieg der Volksrevolution über die Somoza-Diktatur war so gut wie perfekt. Zwei Tage zuvor war Anastasio Somoza samt Familien-Clan und seinen wichtigsten Helfershelfern aus dem Land geflohen. In Managua übernahm die Junta des nationalen Wiederaufbaus unter Führung der FSLN die Regierung. Die „Muchachos“, jugendliche Guerilleros und Kommandotrupps der FSLN, hatten den Aufstand in den Wohnvierteln der Städte und an den Guerillafronten auf dem Land zum Sieg über eine 43 Jahre dauernde Statthalterdiktatur der USA geführt. Zehneinhalb Jahre später verloren sie 1990 die Wahlen. In einem bekannten Revolutionslied heißt es: Immer wird 19. Juli sein. Was ist aus der Sandinistischen Volksrevolution geworden?
Anastasio Somoza García, Gründer der Diktatoren-Dynastie, hatte 1934 als Kommandeur der von US-Marines zwischen 1927 und 1933 aufgestellten Guardia Nacional die Ermordung des antiimperialistischen Freiheitskämpfers Augusto C. Sandino angeordnet. Durch einen Putsch kam er 1937 auf den Präsidentenstuhl. Hinter der Fassade einer bürgerlich-demokratischen Republik mit Scheinparlament und betrügerischen Wahlen errichteten die Somozas ihr politisches und wirtschaftliches Familienimperium, das den USA und ihren Konzernen den Zugriff auf die Politik und Ressourcen Nicaraguas garantierte. Auf Widerstand reagierte die Nationalgarde mit Gewalt, Folter und Massenmord. Die Exzesse der Somozas erweckten manchmal kurzfristiges Missbehagen bei der US-Regierung, weil Risse in der formal demokratischen Fassade zu Rechtfertigungsproblemen ihrer Nicaragua-Politik führten. Letztlich aber siegte stets der Zynismus in der Politik Washingtons: „Somoza ist ein Hundesohn, aber er ist unser Hundesohn!“
Nach dem Sieg
Ohne eine breite Volksallianz hätte es keinen 19. Juli 1979 gegeben. An diesem Tag bestand die FSLN aus nicht mehr als 3.000 Kämpfern ohne Parteiorganisation. Sie musste praktisch von einem Tag auf den anderen sowohl eine eigene Struktur aufbauen als auch die Staatsverwaltung organisieren. Unverzichtbar waren die Allianzen mit bürgerlichen antisomozistischen Gruppierungen, Gewerkschaftern und Bauernbewegung, Studentenorganisationen, Gläubigen der Theologie der Befreiung und Basisgemeinden, Persönlichkeiten aus Politik und Kultur. Die erste revolutionäre Regierungsjunta für den Wiederaufbau bestand aus fünf Personen, von denen nur Daniel Ortega die FSLN vertrat.
Die FSLN dekretierte für „alle am Sturz der Militärdiktatur Somozas beteiligten politischen Kräften“ die Möglichkeit zur „umfassenden Repräsentation“ im öffentlichen Leben. Sandinismus, Marxismus und Christentum waren für die Volksrevolution gleichberechtigte Ideologien.
Radikales und Reaktionen
Die soziale Radikalität der sandinistischen Regierung zeigte sich in der Alphabetisierungskampagne von März bis August 1980. Dabei lernten 52.000 bis in entlegene Landesteile ausschwärmende Schüler und Studenten als Alphabetisierungs-Brigadisten die schwierigen Lebensbedingungen der Bauernbevölkerung kennen und teilten sie. Neun Brigadisten wurden von konterrevolutionären Banden umgebracht, weitere 50 starben während der Kampagne durch Krankheiten und Unfälle. Für diese Kampagne erhielt Nicaragua 1981 eine Auszeichnung der UNESCO, nach deren Angaben die Analphabetenrate von 50,35 Prozent auf 12,9 Prozent gesenkt wurde. 20 Jahre später, nach zehn Jahren neoliberaler Regierungen, war sie wieder auf 36 Prozent gestiegen.
Die Landreform schuf im Verhältnis zu anderen Ländern Lateinamerikas die größte Zahl individueller Landbesitzer. Es gab keine massenhaften Kollektivierungen oder Zwangsenteignungen. Besitztümer der Agraroligarchie blieben oft unangetastet. Auch mittelständische Bauern behielten ihren Besitz, so lange sie nicht die Produktion boykottierten, zur Konterrevolution überliefen oder außer Landes gingen.
Nach 1979 empfing Nicaragua in großem Umfang Solidaritätsgüter und Finanzhilfe der sozialistischen Staaten. Sie gaben Tausenden Nicaraguanern die Möglichkeit zur Ausbildung und medizinischen Versorgung. Kuba gewährt heute noch nicaraguanischen Arbeitern- und Bauernkindern kostenlose Schul- und Universitätsstudien.
In großen Teilen der Bevölkerung herrschte revolutionäre Aufbruchstimmung und Zuversicht. Das beförderte eine weltweite Solidaritätsbewegung. Erstmals organisierte sich die Bevölkerung Nicaraguas für ihre Interessen und für revolutionäre Ziele. Es entstanden nach 1979 in großer Zahl Gewerkschaften sowie Komitees zur Verteidigung der Revolution. Aber die Realität des Sandinistischen Nicaragua war äußerst vielfältig und die gesellschaftlichen und politischen Widersprüchen unübersehbar.
US-Terror gegen Nicaragua
Für die USA waren die Sandinisten schon vor dem Sieg der Revolution Feinde. Auch der angeblich tolerante Präsident Carter versuchte durch eine zentralamerikanische Militärintervention die Guardia Nacional vor der Niederlage zu bewahren. Er manipulierte die bürgerliche Opposition gegen Somoza, um die FSLN zu neutralisieren. Washington fürchtete ein zweites Kuba.
Deshalb sabotierten und strangulierten die jeweiligen Regierungen der USA die sandinistische Revolution mit allem, was ihnen unterhalb eines direkten Militärangriffs zur Verfügung stand. Die direkte Intervention mussten sie sich verkneifen, weil es noch eine sozialistische Staatengemeinschaft gab, die ein Gegengewicht zu den Kriegsabenteuern des US-Imperialismus darstellte. Außerdem kämpften auch in Guatemala und El Salvador linke Guerillas gegen die Statthalterregime der USA. Und schließlich hatte in Nicaragua die Regierung keine Angst vor der Bevölkerung, sondern ihr Waffen gegeben, um gegen eine Invasion zu kämpfen. US-Präsident Ronald Reagan und sein Vize und späterer Nachfolger George Bush gaben vor, in Zentralamerika den Brückenkopf der Weltrevolution zerschlagen zu müssen. Allein die stets sehr solidarischen Beziehungen zwischen Kuba und der FSLN versetzten die USA in Hysterie.
Konterrevolutionäre Banden verübten Sabotage und Morde, planten die Besetzung „befreiter“ Territorien und Attentate gegen die FSLN-Führung. Die CIA organisierte und finanzierte den Aufbau von Contra-Einheiten mit ehemaligen Somoza-Soldaten in Honduras. Die Opfer, materiellen Zerstörungen und militärische Verteidigung gegen ihre Aktionen forderten ungeheure Mittel und hatten negative Auswirkungen auf die Moral der Bevölkerung in den Kampfgebieten. Ab 1985 setzen die Planer der Contra-Agression in CIA und US-Regierung auf einen längerfristigen Abnutzungskrieg, „säuberten“ die Contras zur Beruhigung von Menschenrechtsbeobachtern von einigen der bekanntesten Kriminellen und finanzierten verstärkt die zivile Fassade der Contra, bestehend aus rechten nicaraguanischen Politikern und Unternehmern im US-Exil. Allein im ersten Halbjahr 1986 bekamen die Contras 200 Millionen US-Dollar vom US-Kongress.
Wirtschaftsboykott
Gleichzeitig mit dem Beginn des Abnutzungskriegs verkündete US-Präsident Reagan 1985 den Wirtschaftsboykott. Das Land verlor damit den wichtigsten Markt für seine Exporte und Importe. Bereits drei Jahre vorher hatten die internationalen Finanzinstitute die Kredithilfe eingestellt. Die Verluste durch den Contrakrieg waren schrecklich. Allein 1983 und 1984 ermordeten konterrevolutionäre Banden in der Region Jinotega und Matagalpa 600 leitende Kooperativenmitglieder und zerstörten 40 der 86 Selbstverteidigungskooperativen.
Der sofortige Wiederaufbau zerstörter Produktionsanlagen stärkte die Moral der Betroffenen, ließ aber die Wirtschaft ausbluten. Die USA leugneten eine Beteiligung am Contrakrieg. Aber spätestens der Abschuss eines Versorgungsflugzeugs der CIA im Oktober 1986 mit dem US-Söldner Hasenfus an Bord bewies das Gegenteil. Hasenfus wurde zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt, aber nach einem Monat begnadigt und in die USA abgeschoben. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag verurteilte die USA im Juni 1986 zu einer Entschädigungszahlung wegen Kriegs- und Sabotageschäden, darunter die Verminung des wichtigsten Hafens Corinto. Auch damals missachteten die USA internationales Recht und die UN und erklärten den Gerichtshof in Den Haag für nicht kompetent.
Ab 1982 begannen Versorgungsengpässe, die zunächst nur Konsumartikel außerhalb des Grundbedarfs betrafen, aber antisandinistische Stimmungen anwachsen ließen. Angesichts der beschränkten Mittel mussten von den bewussten, die Revolution tragenden gesellschaftlichen Kräften besondere Opfer verlangt werden.
Der Waffenstillstand mit der Contra von 1988 kam schon zu spät für die zerrüttete Wirtschaft. Maßnahmen in Anlehnung an den Internationalen Währungsfonds brachten keinen Kreditzufluss. Trotz des Rückgangs der Kampfhandlungen musste die Verteidigungsbereitschaft der mehr als 90.000 Soldaten starken Armee aufrecht erhalten werden und kostete weiter enorme Summen.
Nicaragua war zunehmend von solidarischer internationaler Hilfe abhängig geworden, die mit dem Niedergang der sozialistischen Staaten immer spärlicher wurde. Kriegszerstörungen, Wirtschaftsboykott, Versorgungsmangel und die diplomatische Erpressung der US-hörigen Länder vervielfachten die keimenden oder offenen Gegensätze.
Die Wahl geht verloren
In dieser Situation fanden 1990 die zweiten Wahlen seit dem Sieg der Volksrevolution statt. Die FSLN erreichte knapp 41 Prozent und unterlag einem Bündnis von 14 Organisationen, das zusammen rund 55 Prozent der Stimmen sichern konnten, aber nach den Wahlen zerbrechen sollte.
Der Wahlniederlage der Sandinisten folgte die Zerschlagung des staatlichen Wirtschaftssektors, auf den sich die soziale Sicherung der Bevölkerung bei der Gesundheitsversorgung und der Bildung stützte, die erneute Auslieferung des Landes an die US-Monopole und Unterordnung unter die politische und militärische Hegemonie der USA.
Die Privatisierungen, Entlassungen im Öffentlichen Dienst und die Demobilisierung von Armee und Contra verursachten einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf über 70 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung. Die Gewerkschaftsbewegung erlebte einen deutlichen Rückgang. Was blieb sind Methoden, Formen und Inhalte der bürgerlichen Demokratie, die durch die sandinistische Revolution erstmals in Nicaragua zur Geltung kamen: Das Parlament, eine allerdings nach 1990 mehrmals geänderte Verfassung, demokratische Wahlen, unabhängige Exekutiv- und Justizorgane.
Das sind bedeutende Fortschritte im Vergleich zu vor 1979. Aber sie bleiben weit hinter den hohen Erwartungen und den Zielen der sandinistischen Revolution zurück. Die Wahlniederlage war angesichts der materiellen Auswirkungen der US-Aggression fast unvermeidlich. Die politischen Fehler hingegen, die auch dazu beitrugen, waren es nach Meinung vieler Sandinisten nicht unbedingt. Sie wurden im Juni 1990 vom obersten Führungsgremium der FSLN benannt: Autoritarismus, fehlende Sensibilität gegenüber Vorschlägen der Basis, Unterbindung von Kritik, Bürokratismus, schematische Organisationsformen.
1996 gewann Alemán die Präsidentschaftswahlen mit 51 Prozent, während die FSLN mit Daniel Ortega knapp unter 38 Prozent erreichte. Allerdings gab es damals einen Wahlbetrug, der nie aufgeklärt wurde. Hunderte von Wahllokalen „verschwanden“ spurlos in der Auszählungsnacht aus den Listen des Obersten Wahlrats, Stimmzettel und Urnen wurden in Wassergräben und an Straßenrändern abgekippt, und Kleinstparteien bekamen Abgeordnete zugesprochen in Gebieten, wo die FSLN mit dreißigmal mehr Stimmen keinen einzigen bekam. Die FSLN gewann 36 Parlamentssitze, die Liberale Allianz 42, 15 weitere Sitze entfielen auf 11 andere Parteien.
An den letzten Präsidentschaftswahlen 2001 nahmen nur drei Parteien teil. Daniel Ortega erreichte 42 Prozent der Wählerzustimmung. Sein Kontrahent Enrique Bolaños gewann aber 56 Prozent. Die Liberalen konnten 54 Sitze im Parlament besetzen, die FSLN 39. Auch bei diesen Wahlen gab es deutliche Hinweise auf Wahlbetrug.
In den bäuerlichen Landgebieten mit Ausnahme von vier Departments hat die FSLN relativ wenig Wählerzustimmung, stellt aber die Bürgermeister in den meisten Departmentshauptstädten, seit 2000 auch in Managua.
Die FSLN seit 1990
Zwischen 1990 und 1996 gab es zunächst heftige, aufstandsähnliche Protestaktionen der sandinistischen Massenorganisationen und Gewerkschaften gegen die neoliberale Politik der Regierung Violeta Chamorro. Die FSLN-Fraktion in der Legislaturperiode 1990-1996 setzte ihr wenig Widerstand entgegen und forderte zur Mäßigung auf. Die Fraktionsmehrheit erklärte sich für unabhängig von Beschlüssen der Parteiführung, und viele Abgeordnete konstituierten sich in der Bewegung der Sandinistischen Erneuerung als Konkurrenz zur FSLN. Allerdings ohne Erfolg. In der Legislaturperiode 1996-2001 lag das Schwergewicht der FSLN-Strategie ab 1998 auf Verhandlungen mit der Liberalen Allianz des Präsidenten Alemán, um eine ihrem Status als stärkste Oppositionspartei entsprechende Beteiligung an Staatsgewalten und Behörden zu erreichen sowie das Wahlgesetz und die Verfassung zu ändern. Diese in bürgerlichen Demokratien übliche Proporzpolitik bezeichneten Gegner aus dem rechten und linken Lager als verabscheuungswürdige Paktiererei. Die linken Kritiker verwiesen auf die korrupte Politik des Präsidenten Alemán. Diese werde durch die Abkommen zwischen FSLN und Liberalen legitimiert, während die parlamentarische Zusammenarbeit mit der Regierung die Wirkung der sozialen Protestaktionen unterlaufe.
Vor den Wahlen 2001 bildete die FSLN als dominierende Partnerin eine Allianz mit konservativen, christlich-sozialen und liberalen Persönlichkeiten. Diese bis heute bestehende „Convergencia Nacional“ ist ein Versuch, Bündnispartner zurückzugewinnen und neue Wählerschichten zu erreichen. Zugunsten der „Convergencia Nacional“ hat sich die FSLN an Inhalte der herrschenden Alltagsideologie angeglichen. Als der FSLN-Kandidat für die Vizepräsidentschaft bei den Wahlen 2001, der christlich-soziale Agustín Jarquín, erklärte, in Nicaragua gebe es heute keine politische Partei, die das bestehende System in Frage stelle, ließ die FSLN-Führung das unkommentiert.
Mit der Regierung Bolaños traf die FSLN anfangs einige Vereinbarungen. Bolaños ist angesichts des Widerstands der Alemán-Parteigänger auf die Stimmen der FSLN angewiesen, um Gesetze verabschieden zu lassen. Sein angeblicher Kampf gegen die Korruption ist die Verkleidung dieses Machtkampfs, den er auch nach der Verurteilung Alemáns zu 20 Jahren Gefängnis wegen Unterschlagung im Amt noch nicht gewonnen hat.
Im Verlauf der Revolution bekannt gewordene Intellektuelle, Schriftsteller und Künstler haben sich ab 1990 von der FSLN distanziert, was die Partei trotz gegenteiliger Prognosen nicht zerstört hat. Aber treue Aktivisten sprechen vom Verrat früherer revolutionärer Führer. Die meisten der einst neun Revolutionskommandanten in der FSLN-Nationalleitung hatten sich nach 1990 allmählich oder abrupt aus der Politik zurückgezogen. Von der einstigen kollektiven FSLN-Führung blieb Daniel Ortega im neuen Amt des Generalsekretärs übrig, begleitet von Tomás Borge im Amt des Vizegeneralsekretärs. Auf sie konzentrieren die rechten Medien und Politiker ihre Angriffe.
Laut Statut ist die FSLN eine revolutionäre Partei, ihr Ziel ist der Sozialismus. Gleichzeitig garantiert sie den Schutz aller Eigentumsformen und Wahrung des politischen Pluralismus. Von „Klassen“ ist nicht die Rede, stattdessen werden als Adressaten der FSLN-Politik die „arme Bevölkerung“ und die „große Bevölkerungsmehrheit“ genannte.
Organisationssekretär René Núñez versicherte nach dem 3. FSLN-Kongress im März 2002: „Die FSLN gleicht sich modernen politischen Konzepten an, ohne ihr ideologisches Profil zu ändern.“ Er bestritt, dass die Partei sich zu einer der „Mitte“ entwickle: „Unsere langfristige Strategie ist wie bisher der Kampf für eine gerechte Gesellschaft. (…) Aber wir sind in unserer kurz- und langfristigen Strategie bereit, mit dem Währungsfonds, der Weltbank, Unternehmern und Investoren zusammenzuarbeiten (…) mit der ausschließlichen Absicht, unserem Land Entwicklungsmöglichkeiten zu geben.“
Der antisandinistischen Propaganda ist es gelungen, die FSLN in die Defensive zu drängen, besonders seit Schließung der Tageszeitung „Barricada“ 1998. Diese primitive Propaganda bezieht sich auf die angebliche Gewalttätigkeit der Sandinisten, die sie bei einem Wahlsieg in einen erneuten Krieg mit den USA treiben würde.
Seit den Wahlen 1996 tritt die FSLN betont defensiv und versöhnlich auf. Rosario Murillo, Lebensgefährtin Ortegas, gab Broschüren mit ihren poetischen Vorträgen und Reden Daniel Ortegas heraus, die nicht im typischen Rot-Schwarz der FSLN gehalten sind, sondern in Magenta und Orange, denen sie eine „ausgleichende“ Wirkung zuschreibt. Slogans wie „Die Macht der Liebe“, wo man früher die Forderung nach „Poder Popular“ (Volksmacht) lesen konnte, wirken überraschend. Die Hervorhebung von Begriffen wie Liebe, Familienzusammenhalt und Aussöhnung ist andererseits verständlich nach der Spaltung vieler Familien, die sich während der Volksrevolution und dem Contra-Krieg auf beiden Seiten der Front gegenüberstanden. Murillo, die keine Parteifunktion innehat, fordert auf ihrer Website den Austausch der traditionellen FSLN-Symbolik und Begriffe, weil sie beängstigende Erinnerungen auslösen würden.
Andere Unzufriedene wie Carlos Fonseca, Sohn des FSLN-Gründers, meinen, Präsidentschaftswahlen gewinnen zu wollen, sei gegenwärtig aussichtslos. Deshalb solle die FSLN ihren kommunalpolitischen Einfluss ausbauen.
Schließlich gibt es Parteimitglieder bis in Führungsebene, die meinen, ein Wahlsieg wäre nachteilig, weil angesichts der Diktate von Weltbank und Währungsfonds und der weltweiten Hegemonie der USA eine FSLN-Regierung keinen Spielraum für eine alternative Politik zum Neoliberalismus hätte. Deshalb sei ein Kandidat Ortega der beste, weil er die sandinistische Basis mobilisiere und damit stets einen guten zweiten Platz erreichen würde. (Anmerkung der Redaktion: Daniel Ortega gewann die Präsidentschaftswahl 2006. Er wurde 2011, 2016 und 2021 wiedergewählt und regiert Nicaragua immer noch.)