Immer nur Probleme

Wohnen I. Der neue Mieter über mir treibt mich zur Weißglut. Tag und Nacht läuft der Fernseher auf volle Pulle, was an sich schon nervt. Dazu kommt aber, dass es irgendein fremdsprachiger Sender ist, der im Sekundentakt von brüllender Werbung zu kreischenden Moderatoren zu dröhnender Musik wechselt, völlig unkontrolliert, wie es scheint. Anders gesagt: immer nur Probleme.

Menschlichkeit. Das NATO-Mitglied Türkei hat trotz der Erdbebenkatastrophe mit tausenden Toten an der türkisch-syrischen Grenze wieder Luftangriffe in Syrien geflogen. „Gerade (in der) Region, die schwer betroffen von den Erdbeben ist und schon vorher von den Luftangriffen in Mitleidenschaft gezogen worden ist“ (Hilfsorganisation Kurdischer Roter Halbmond). Eigentlich müsste man den ganzen Tag laut schreien, um das alles auszuhalten.

Wohnen II. Ich klingel’ beim Nachbarn, versuche ihm ganz freundlich meine Erschwernis mit der Lautstärke zu erklären. Er brüllt und tobt und schmeißt seine Tür in den Rahmen, dass es nur so donnert. Läuft.

Ruhrpott. Ich steige vor der Haustür in mein Auto mit Essener Kennzeichen, da klopft so‘n Horst mit Lodenjacke und Hut an die Beifahrerscheibe. Ich denke schon, supi, so‘n Blockwart mit Parkplatzphobie, und mache die Scheibe runter. Er: „Wissen Sie, was Gott gesagt hat, als er das Ruhrgebiet fertig hatte?“ Ich (im Kopf): „Oh Scheiße, ein Zeuge Jehovas.“ Er: „Essen ist fertig!“ Lacht schallend und geht von dannen. Ich sitze noch drei Minuten da, ohne den Motor zu starten und grinse, bis mir die Wangenknochen glühen. Essen ist fertig. Leute, Leute …

Nazischeiße. Eine Rechtsrockband namens Weimar (!) ist aufgeflogen. Unter den maskierten „Musikern“ verbargen sich bekannte Neonazis. Textzeilen wie „Allesamt manipuliert und gekaufte Marionetten“ oder „Jedes Mittel recht, um euch zu kontrollieren“ hatten die Verantwortlichen von „Universal“ zuvor nicht davon abgehalten, die Band bis auf Platz 5 der Albumcharts zu hieven. Nach Recherchen des „Spiegel“ ruderte das Unternehmen zurück: Die Situation sei „absolut inakzeptabel“ und widerspreche den Werten des Unternehmens. Immerhin: Gut verdient an der Nazischeiße.

Wohnen III. Zeternde Moderatoren und schrille Werbung im Sekundentakt. Ich werde wahnsinnig. Beschwere mich bei der Hausverwaltung, nicht mein Ding, aber besser als eine körperliche Auseinandersetzung mit jemandem, der aussieht, als hätte er vor seinem sichtbaren Absturz mal beim Kirmesboxen eine schlagende Rolle gespielt. Antwort der Gesellschaft: „Das ist erstaunlich, der Herr hat sich gerade eben über Sie wegen Lärmbelästigung beschwert.“ Wow.

Medien. „Das ‚Manifest für Frieden‘ (von u. a. Sahra Wagenknecht) argumentiert mit seinem Wunsch nach einem sofortigen Frieden bestenfalls naiv. Erfahrungen mit Friedensverhandlungen zeigen, dass Frieden kein Zustand ist, der von heute auf morgen erreichbar ist.“ (n-tv) Hmm, aber vielleicht übermorgen? Nur so ’ne Idee. Diese Friedensnaiven machen aber, so oder so, nur eines: Immer nur Probleme.

Sport. Nachdem vor circa 1.461 Tagen mein liebevoll heruntergekommenes Fitnessstudio geschlossen hatte, habe ich nichts mehr getan. Nun aber, denke ich und betrete ein neues, kleines Studio. Die vollständige „Einführung“ des Chefs lautet: „Mach ma‘“. Ah, danke. Setze mich aufs erste Gerät, einen Butterfly, will die Arme nach Außen drücken … es passiert überhaupt nichts. Gucke verwundert auf die Einstellungen: 70 kg. Und denke mir: immer nur …