UZ sprach mit Diether Dehm über sein Parteiausschlussverfahren

Immer ging es um das Zusammengehen mit Kommunisten

Gerüchte über einen Ausschlussantrag gegen Diether Dehm, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Partei „Die Linke“, gibt es schon seit Wochen. Am 12. November zitierte das ZDF daraus: „Eine vollständige Dokumentation aller dieser für die Linke schädlichen Äußerungen würde den Rahmen deutlich sprengen.“ UZ sprach mit ihm über das Verfahren, die Entwicklung der Linkspartei und Perspektiven für eine wählbare Alternative für die Werktätigen.

UZ: Nicht das erste Mal wird versucht, dich aus einer Partei auszuschließen. Neu ist, dass du davon aus den Medien erfährst. Wie gehst du damit um?

Diether Dehm: Das ZDF hatte den Antragstext eine Woche bevor ich ihn erhalten habe. Zig Medien haben berichtet, dazu habe ich 14 Interviews geben müssen. Vorgeworfen wird mir eine Aussage auf dem UZ-Pressefest, sogar Lieder. Dort hätte ich angeblich für einen konkurrierenden Wahlauftritt geworben.

UZ: Es gibt ja einen Mitschnitt dieser Veranstaltung bei YouTube. Weder die Antragsteller noch die Presse scheinen sich diesen Mitschnitt angehört zu haben. Du hast ja etwas anderes gesagt.

Diether Dehm: Ja, genau. Ich habe für einen linken Wahlantritt bei der Europawahl geworben. Ich habe nicht gesagt, dass das eine neue Partei sein soll, sondern eine Alternative zu dem Abbruchunternehmen, das ich vor allen Dingen mit dem bisherigen Wahlkampfleiter Jörg Schindler in Verbindung bringe und damit, Sahra Wagenknecht rigoros ausgegrenzt zu haben. Dann habe ich das in Verbindung gebracht mit dem Verhalten gegenüber dem UZ-Pressefest. Gemessen daran, dass bei jedem UZ-Pressefest „Die Linke“ mit Ständen und Zelten im Revierpark Wischlingen vertreten war und überall herzlich willkommen geheißen wurde, obwohl es Differenzen gibt, habe ich das für ein Abbruchunternehmen erklärt, nicht mal die Toiletten zur Verfügung zu stellen. Und dabei bleibe ich auch.

UZ: Da warst du ja auch nicht der Einzige aus der Linkspartei, der das so gesehen hat.

Diether Dehm: Ganz recht.

UZ: Das Pressefest war im August. Jetzt kam der Ausschlussantrag.

Diether Dehm: Das wird ein Argument im Verfahren sein. In der Linkspartei gibt es nur eine Strafe für schwere Parteischädigung. Wenn also jemand glaubt, es sei Gefahr im Verzug, und sich dann ein Vierteljahr Zeit lässt, in denen ein so gefährlicher Mensch weiter agieren kann, stimmt was nicht. Neben der angeblichen Neugründung einer Partei werden mir meine NATO-Feindlichkeit und Angriffe auf Frau Baerbock vorgeworfen.

UZ: Es geht also weniger um konkretes parteischädigendes Verhalten, sondern eher um eine inhaltliche Linie.

Diether Dehm: Es geht um Personen. Denn eines ist vielleicht für ein paar alte, in der 68er-Zeit geprägte renitente Streiter charakteristisch: ein Trotzreflex gegen Dauerberieselung der NATO mit zu vielen Medienpropagandisten, die schon für zu viele Sauereien geworben haben. Diesen „Sag-nein-Reflex“ habe ich mir bereits als einer der Frankfurter Schülersprecher und Mitbegründer der Sozialistischen Schülergemeinschaft angewöhnt. Mit meinem Mofa war ich damals vor Schulen gefahren, habe einen Feueralarmkasten eingedrückt und als die Schüler rauskamen, habe ich gesagt, so, jetzt ist die Schule rum, jetzt demonstrieren wir gegen Notstandsgesetze. Und gegen den Vietnamkrieg.

Dann haben wir die Bettina-Schule besetzt und haben Gegenschule mit Leuten wie Günter Amendt, Emil Carlebach oder Wolfgang Abendroth gemacht.

Dafür wurde ich 1967 auf dem Bundeskongress des SDS in Frankfurt am Main geehrt und wurde auf Vorschlag des Genossen Rudi Dutschke ins SDS-Präsidium als Ehrenmitglied aufgenommen, obwohl ich noch Schüler war. Bei diesem Kongress wurden dann aber auch die beiden vermeintlichen Mitglieder der illegalen KPD Marcella Knipping und Wanja von Heiseler aus dem Präsidium des SDS, ich glaube sogar, aus dem ganzen SDS gemobbt und rausgeschmissen. Einige Medien haben dem SDS dafür die Schulter getätschelt. Darüber war ich so wütend – obwohl ich kein Kommunist war –, dass ich mit Günter Amendt und weiteren SDSlern demonstrativ zur illegalen KPD bin, um gemeinsam die Oktoberrevolution zu feiern.

UZ: Ende der 1960er Jahre bist du in die SPD eingetreten. Auch da hat man mehrfach versucht, dich auszuschließen, und hat es nicht geschafft – oder?

Diether Dehm: Drei ernsthafte Ausschlussverfahren, insgesamt sieben. Vier von Anbiederern, die einfach mal gemeint haben, sie machen mal einen Ausschlussantrag gegen mich. Drei ernsthafte, wo potente Parteivorstände dahinterstanden. Vor allen Dingen ging es um den Krefelder Appell, also um ein Zusammengehen mit Kommunisten. Das war bei allen drei Ausschlussverfahren das Motiv.

UZ: In der Frage der Zusammenarbeit mit Kommunisten müsste also eigentlich klar sein, dass du unbelehrbar bist.

Diether Dehm: Ja. Und inzwischen kommt ’ne Art Altersstarrsinn hinzu.

UZ: Der „Spiegel“ veröffentlichte am letzten Freitag einen langen Beitrag über Sahra Wagenknecht und unkte über das Scheitern der neu zu gründenden Partei. Verrätst du UZ, wann die Partei denn nun gegründet wird?

Diether Dehm: Zunächst will ich mal den Mediensprech von mir als Wagenknecht-Vertrauter korrigieren. Das klingt nach ihrem Pressesprecher. Wir stimmen null Formulierungen ab. Außerdem: wenn ich die Antwort auf deine Frage wissen und sagen würde, wäre das nur Munition für den Ausschlussantrag und die NATO-Medien. Aber so viel ist sicher: kurz vor Gründung der AfD hätte die Verschärfung von Kritik an EU, Monopolen, deren Troika und den Sozialkürzungsorgien in den südeuropäischen Staaten ein Vakuum von links schließen können und müssen. Auch jetzt verstärkt die „Linken“-Parteispitze mit Unschärfe bei Corona-Diktaten und Ramelows Forderung nach schweren Waffen für die Ukraine die täglich wachsende Lücke im Parteienspektrum. Dagegen muss es breite, objektiv antiimperialistische Bündnisse von werktätigen Menschen bis zu Handwerksmeistern geben für Frieden mit Russland und die Reparatur von Nord Stream 2. Selbst kleine Parteien wie „Die Partei“, „Die Basis“ und die Todenhöfer-Partei hatten ja bei der Bundestagswahl Ergebnisse, die lokal und relativ über denen von DKP, PDS und Linkspartei lagen.

Dieses Vakuum wird bis zu den Europawahlen in jedem Fall gefüllt, ob von rechts oder in diffusen Zusammenschlüssen. Oder eben von radikaldemokratischer Seite für Stärkung des Sozialstaats, Rettung von Mittelschichten und Abrüstung. Wobei Verpflichtungen zum Impfen, Gendern, Putin-Nähe oder -Ferne und Ähnliches in kein Parteiprogramm gehören, sondern persönlicher Freiheit und Überzeugungsarbeit vorbehalten bleiben. Also: kleiner Konsens und große Verbreiterung. Und für so was habe ich ja auf dem UZ-Pressefest geworben. Für so etwas wäre natürlich eine Ausgrenzung von Sahra Wagenknecht der schiere Masochismus.

UZ: Welche Chance hätte eine solche Liste?

Diether Dehm: Eine breite Liste. wenn sie sich populär um die unteren vier Fünftel bemüht, könnte bei der Europawahl ein zweistelliges Ergebnis einfahren. Und das gab es ja in meiner Partei, Stichwort Offene Liste. Ich habe als Landesvorsitzender in Niedersachsen mal eine solche Variante durchexerziert, indem ich Christel Wegner von der DKP auf unsere Liste gesetzt habe. Und gleichzeitig haben wir uns um die Mitte der Gesellschaft, um VW-Arbeiter, alleinerziehende Mütter, Handwerker und die Sorgen der Milchbauern gekümmert. Damit kamen wir mit 7,1 Prozent in den Landtag. Der Medienmacht war die antikommunistische Stimmungsmache also nicht gelungen.

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Gegen Parteiausschlüsse und Spaltungstendenzen

Erklärung des Bundessprecherrates der Kommunistischen Plattform

Mitglieder des Vorstandes der Partei DIE LINKE haben den Parteiausschluss von Genossen Diether Dehm beantragt. Und als würde das nicht reichen, stellte sich der Co-Parteivorsitzende Genosse Martin Schirdewan hinter diesen Antrag, der Diether Dehm parteischädigendes Verhalten vorwirft.

Wie auch immer man zu den von Diether Dehm im Rahmen des UZ-Pressefestes gemachten Äußerungen, die zudem unterschiedlich wiedergegeben werden, steht: Die Kommunistische Plattform ist von Anbeginn ihrer Existenz dagegen, Meinungsverschiedenheiten – und seien sie noch so tiefgreifend – durch Ausschlussverfahren zu lösen. Zugleich sagen wir in aller Deutlichkeit: Wir sind gegen jegliche die Partei zerstörende Spaltungstendenzen – vom wem sie auch ausgehen mögen.

Wir halten nichts von der Propagierung konkurrierender Wahlauftritte und auch nichts von Ausschlussforderungen der „Progressiven Linken“, deren Fortschrittlichkeit uns zu erkennen schwerfällt.

Alle Spielchen, die die Spaltungstendenzen in der Partei befördern, lehnen wir entschieden ab. Ebenso wenig befürworten wir Parteiausschlüsse. Wir erwarten von den Genossinnen und Genossen des Parteivorstandes, mit Genossen Diether Dehm das klärende Gespräch zu suchen.

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"Immer ging es um das Zusammengehen mit Kommunisten", UZ vom 25. November 2022



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