Die zweite Tagung des Parteivorstands der DKP beschäftigte sich mit den Aufgaben der Kommunistinnen und Kommunisten in der Arbeiterbewegung. Rainer Perschewski, Mitglied des Sekretariats des Parteivorstands, referierte zum Thema. Er schätzte dabei zunächst die vergangenen Tarifkämpfe und deren Auswirkungen sowohl auf die soziale Lage als auch auf das Bewusstsein der Arbeiterklasse ein. Im zweiten Teil seines Referats ging er auf die gewerkschaftlichen Positionen zur Friedenspolitik ein. Diesen Teil dokumentieren wir hier redaktionell bearbeitet.
Geht es nach dem Willen der bürgerlichen Kräfte, sollen sich Gewerkschaften auf die Aufgabe beschränken, die Arbeits- und Lebensbedingungen der abhängig Arbeitenden zu verbessern. Viele Gewerkschaftsmitglieder teilen diese Einstellung.
Die Erwiderung dazu ist aber ganz einfach: Wenn es die Aufgabe von Gewerkschaften ist, die Arbeits- und Lebensbedingungen der abhängigen Klasse zu sichern und zu verbessern, dann muss dies zwangsläufig auch gesellschaftspolitische Fragen einschließen. Wenn der Frieden und somit die elementaren Lebensgrundlagen der Menschen bedroht sind, sind die Gewerkschaften als größte Kraft der organisierten Arbeiterbewegung gefordert. Wenn das Leben an sich nicht mehr gesichert ist, macht alles andere keinen Sinn. Die Ziele der Gewerkschaften und der arbeitenden Klasse sind im Falle eines Krieges im doppelten Sinne gefährdet: Rüstung, die einem Krieg vorausgeht und zwangsläufig seiner Vorbereitung dient, sowie die Kriegskosten sind ein Teil der Erlöse der Arbeitsprodukte, den die besitzende Klasse etwa in Form von Löhnen oder sozialpolitischen Konzessionen gewähren könnte. Diese gehen also für die materielle Absicherung verloren. Hinzu kommt, dass eskalierende Konflikte zwischen den kapitalistischen Staaten von einer ideologischen Einstimmung auf den Krieg, von Hetze und Hysterie zur Beeinflussung des Massenbewusstseins begleitet sind, um die Massen für die Ziele der besitzenden Klasse zu gewinnen. Die Mobilisierung gegen einen „äußeren Feind“ ist immer auch verbunden mit der Mobilisierung gegen den „inneren Feind“ (Kriegsgegner). Anfeindungen wie „Vaterlandsverräter“, „Fünfte Kolonne Moskaus“ oder „Putinversteher“ stehen in einer Linie. Dieser Zustand schwächt die gewerkschaftliche Kampffähigkeit, da er den Blick auf das Wesentliche versperrt.
Tradition verpflichtet
Das gewerkschaftliche Engagement gegen Militarismus und gegen die Rüstungspolitik sowie der Einsatz für Frieden und Völkerverständigung gehören zu den traditionellen Verpflichtungen der Gewerkschaftsbewegung. Eine Gewerkschaft muss auch eine Friedensbewegung sein. Das entspricht dem Grundverständnis der Gewerkschaften.
Die Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes haben sich alle in ihren Satzungen und Programmen dem Kampf um den Frieden verpflichtet. In der Satzung des DGB heißt es dazu: „Der Bund und die in ihm vereinigten Gewerkschaften (…) treten für eine allgemeine und weltweite kontrollierte Abrüstung und für die Verwirklichung und Erhaltung des Friedens und der Freiheit im Geiste der Völkerverständigung ein.“ Im DGB-Grundsatzprogramm heißt es: „Rüstungsexporte müssen dauerhaft reduziert, Rüstungsausgaben nachhaltig gesenkt werden. Wichtigstes Ziel muss sein, einen Zustand der gemeinsamen Sicherheit zu schaffen, der Krieg in Europa unmöglich macht. Dies geht über die Reduktion von Waffen und Streitkräften hinaus. Diese gemeinsame Sicherheit ist geeignet, den europäischen Nationen eine friedliche Zukunft zu sichern und den Völkern Osteuropas die begründete Aussicht auf bessere Lebensumstände zu eröffnen.“
Friedenspositionen wurden erkämpft
Die Debatte darüber ist jedoch schon immer kompliziert gewesen. Sie war in der Geschichte der Gewerkschaftsbewegung nicht wirklich eine Erfolgsstory – Stichworte sind hier die Burgfriedenspolitik der Gewerkschaften 1914 und im Ersten Weltkrieg, die Aufrüstung am Ende der Weimarer Republik (Panzerkreuzerbau), der Kampf gegen die Wiederbewaffnung nach dem Zweiten Weltkrieg, Notstandsgesetze und der sogenannte „NATO-Doppelbeschluss“. Allen ist gemein, dass sich Positionen und Aktionen der Gewerkschaften – wenn überhaupt – nur gegen Widerstände durchsetzen konnten.
Kritische Stimmen in den Gewerkschaften wurden auch zu Beginn der Eskalation des Krieges in der Ukraine innergewerkschaftlich ausgegrenzt. Das erinnert an die Friedensbewegung der 1980er Jahre und die damaligen Debatten über den NATO-Doppelbeschluss. Einer der Treiber dieses Rüstungsbeschlusses war die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung in Westdeutschland unter Helmut Schmidt. So wie sich der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften schwertaten, sich gegen den in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre begonnenen Sozialabbau dieser Regierung zu stellen, war auch die Positionierung in der Rüstungspolitik für viele Mitgliedsgewerkschaften des DGB ein Problem, da sie sich in ihrem Verständnis von „ihrer“ SPD-Regierung abgrenzen mussten. Heute ist die Bindung der Gewerkschaften an die SPD zwar geringer geworden, sie ist aber weiterhin die Partei, die über den größten Einfluss in den Gewerkschaften verfügt. Daher sind zurückhaltende Positionen gegenüber der von der SPD geführten Regierung weiterhin vorhanden.
Gewerkschaften und Ukraine-Krieg
Das Eingreifen der Russischen Föderation in der Ukraine traf die Gewerkschaften recht unvorbereitet. Zwar nahmen die Debatten über die sich seit dem Jahr 2014 vollziehende Eskalation der Auseinandersetzungen im Osten der Ukraine zu, aber den Ausbruch eines offenen Krieges hat niemand wirklich in Betracht gezogen. Noch einen Tag vor dem Angriff beschloss der Bundesvorstand der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) eine Resolution, in der es heißt: „Gerade die deutsche Geschichte mit der Verantwortung Deutschlands für Tod und Elend in zwei Weltkriegen zeigt, wie wichtig es ist, Frieden zu bewahren und Krieg zu vermeiden. Die deutsche Geschichte zeigt aber auch, dass Dialog und Friedenspolitik akute Konfliktsituationen wie den Kalten Krieg entschärfen und deeskalierend wirken können. Dies gilt auch für den aktuellen Konflikt an der russisch-ukrainischen Grenze. Es braucht von allen Seiten eine kluge Entspannungspolitik. Jegliche militärische Aggression ist einzustellen. Gemeinsam sind wir als DGB-Gewerkschaften Teil der Friedensbewegung. Daher lehnen wir Waffenlieferungen in Krisenregionen ab.“ Im Gegensatz zu anderen Stellungnahmen nahm die EVG noch keine einseitige Schuldzuweisung vor.
Chronologie der Beschlüsse
Am 25. Februar – also einen Tag nach der Eskalation des Krieges – sahen der DGB-Bundesvorstand und seine Mitgliedsgewerkschaften „die internationale Staatengemeinschaft in der Verantwortung, sich zu besinnen: Niemand ist wirklich sicher, bevor es nicht alle sind. Militärische Machtdemonstrationen und die gegenseitige Androhung und Anwendung bewaffneter Gewalt münden in Tod und Elend. Was wir brauchen, ist ein neues Verständnis von Sicherheit. Wir können die globalen Probleme von heute nur gemeinsam lösen. Dafür braucht es eine Politik der gesamteuropäischen Kooperation. Krieg ist keine Lösung!“
Darüber hinaus betont der DGB: „Die Russische Föderation muss dazu gebracht werden, an den Verhandlungstisch zurückzukehren – auch wenn dafür scharfe wirtschaftliche Sanktionen erforderlich sind. Waffenlieferungen in die Konfliktregion lehnen der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften hingegen strikt ab.“
Eine Verhärtung der Position erfolgte durch den DGB-Bundesausschuss eine Woche später, Anfang März: „Die letzten Tage lehren uns, dass ein freiwilliges Einlenken des Regimes in Russland nicht erkennbar ist. Deshalb befürworten der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften die scharfen wirtschaftlichen Sanktionen, die von der Bundesregierung, der Europäischen Union und den westlichen Bündnispartnern gegen Russland verhängt worden sind. (…) Die Bundesregierung hat zu Recht verteidigungspolitisch schnell auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine reagiert. Die dauerhafte Aufstockung des Rüstungshaushalts zur Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels der NATO wird vom DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften weiterhin kritisch beurteilt. Die dringend erforderlichen Zukunftsinvestitionen in die sozial-ökologische Transformation und in die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaates müssen sichergestellt bleiben.“
Turnusgemäß tagte im Mai 2022 das „Parlament der Arbeit“, also der DGB-Bundeskongress, auf dem ein zwischen den Mitgliedsgewerkschaften abgestimmter Initiativantrag zum Krieg in der Ukraine eingebracht wurde. Die Überschriften der vier Themenblöcke des Dokuments lauten:
„Die russische Regierung muss den Krieg gegen die Ukraine sofort beenden!
Umfassende humanitäre Hilfe und Schutz für Geflüchtete aus der Ukraine gewährleisten.
Transformationskurs halten, wirtschaftliche und soziale Kriegsfolgen abfedern.
Die Rahmenbedingungen für Frieden und Sicherheit in Europa neu bewerten.“
Im Antrag heißt es: „Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern die russische Regierung auf, alle Kampfhandlungen unverzüglich einzustellen, ihre Truppen zurückzuziehen und die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine wiederherzustellen.“ Die internationale Staatengemeinschaft solle neben der Unterstützung der Ukraine „auch nach diplomatischen Lösungen (…) suchen, um einen sofortigen Waffenstillstand und ein Ende des Krieges zu ermöglichen. (…) Wir treten für eine Bundeswehr ein, die ihrem grundgesetzlichen Auftrag als Verteidigungsarmee gerecht werden kann. Allerdings fordern der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften die Bundesregierung zugleich auf, nicht an der von ihr angekündigten Absicht festzuhalten, den deutschen Rüstungshaushalt dauerhaft auf das Zwei-Prozent-Ziel der NATO oder darüber hinaus aufzustocken. Diese Festlegung sowie eine Verankerung des Zwei-Prozent-Ziels im Grundgesetz lehnt der DGB ab.“ Das Aufrüstungsprogramm in Höhe von 100 Milliarden Euro werde weiterhin „kritisch“ betrachtet, aber nicht abgelehnt, weil das nicht dem Konsens zwischen den DGB-Mitgliedsgewerkschaften entsprach. Ziel müsse es sein, zu „einer allgemeinen und weltweit kontrollierten Abrüstung zurückzukehren. Es muss alles getan werden, um die neue Politik militärischer Konfrontation zurückzudrängen und einen neuen weltweiten Rüstungswettlauf zu verhindern“, betonte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi auf dem Kongress.
Der Antrag wurde kontrovers, aber sachlich diskutiert und erfuhr durch den Kongress noch einige Änderungen (wie etwa die Aufnahme der Ächtung der atomaren Teilhabe). Er entspricht daher am deutlichsten dem Diskussionsstand in den deutschen Gewerkschaften ein paar Monate nach dem offenen Kriegsausbruch. Die Betroffenheit über den Krieg war groß und spielte an allen Kongresstagen eine Rolle.
Diese drei Etappen verdeutlichen ein Einschwenken der Gewerkschaften auf den Regierungskurs. Festzumachen ist dies an der nur kritischen Betrachtung des „Sondervermögens“ für die Bundeswehr, der unkritischen Betrachtung und nicht diskutierten Befürwortung der Wirtschaftssanktionen und der faktischen Akzeptanz des Zwei-Prozent-Ziels für den Rüstungshaushalt durch die Formulierung, dass eine „dauerhafte“ Festlegung abgelehnt werde. Was allerdings allen Positionierungen fehlt, ist eine Betrachtung der Entstehungsgeschichte dieses Konflikts, der Rolle der NATO und der bewussten Hintertreibung der Abkommen Minsk I und Minsk II.
Kampf um Friedenspositionen
Die Beschlüsse und Anträge aus den DGB-Gewerkschaften umfassen noch mehr Positionsbeschreibungen. Um die Veränderungen deutlich zu machen, seien noch einige weitere Entwicklungsschritte genannt.
Der Aufruf des DGB zum Antikriegstag im September 2022 verwies darauf, dass weltweit immer mehr Kriege zu verzeichnen sind und hielt zudem fest, dass die öffentliche Debatte sich „immer stärker auf den Einsatz militärischer Mittel der Friedenssicherung verengt. Mit unseren Aktionen und Kundgebungen am diesjährigen Antikriegstag warnen wir vor einer weiteren Militarisierung der Debatte. Der Ukraine-Krieg darf uns nicht zu dem Irrglauben verleiten, Frieden ließe sich mit Waffen schaffen. Hinzu kommt, dass jeder Euro, der zusätzlich für Aufrüstung ausgegeben wird, an anderer Stelle zu fehlen droht.“
Ein interessanter Zwischenruf kam von vielen Mitgliedern und ehemaligen Funktionären der DGB-Mitgliedsgewerkschaften sowie von ehemaligen Funktionsträgern der SPD mit dem Aufruf „Frieden für die Ukraine: Ein Friedensappell aus der Mitte der Gesellschaft“ im April 2023, der aber außer einer großen Presseresonanz zu keinen Konsequenzen führte. Darin heißt es: „Die Vereinten Nationen haben mit dem Konzept der gemeinsamen Sicherheit den Weg in eine friedliche Welt aufgezeigt. Es hat seine Wurzeln in der deutschen Friedens- und Entspannungspolitik. In diesem Geist kam es zur Schlussakte von Helsinki und zur Charta von Paris für ein neues Europa. Daran knüpfen wir an. Frieden kann nur auf der Grundlage des Völkerrechts und auch nur mit Russland geschaffen werden.“
Schließlich ist noch der Aufruf des DGB zu den diesjährigen Ostermärschen im April 2023 zu erwähnen, da er einen leicht veränderten Diskussionsstand darstellt, welcher auch die in den Medien dargestellte öffentliche Debatte berücksichtigt: „Wir fordern die Bundesregierung auf, mehr Diplomatie zu wagen! (…) Wir sind der Überzeugung, dass immer mehr Waffen nicht automatisch zu einem schnelleren Ende des Krieges führen. Im Gegenteil! Es ist unerträglich, mit welcher Leichtfertigkeit in vielen Medien und von vielen in der Politik wahllos nach immer mehr Waffen für die Ukraine gerufen wird. Und es ist unerträglich, dass Menschen, die ausgewogener argumentieren, sich dafür auch noch rechtfertigen müssen und Anfeindungen ausgesetzt werden.“
Die Vorstände der beiden größten Gewerkschaften IG Metall und ver.di haben Positionierungen veröffentlicht, die eine Anti-Kriegs-Haltung ad absurdum führen. So hat die IG Metall formuliert, dass ein nachhaltiger Frieden nur gesichert werden kann, wenn die Ukraine den Krieg nicht verliert. Damit werden nunmehr Waffenlieferungen gerechtfertigt. Eine ähnliche Tendenz ist bei ver.di zu beobachten.
Unterschätzung der Folgen der Kriegspolitik
Einer der gravierendsten Mängel der derzeitigen Positionierungen der Gewerkschaften ist, dass deren ureigenstes Anliegen – die Absicherung der abhängig Arbeitenden – durch die Hochrüstung gefährdet wird und der Zusammenhang von Hochrüstung und Sozialabbau nicht betrachtet wird. Es bleibt beim illusorischen Appell, dass die Ausgaben für die Rüstung nicht zulasten sozialer Sicherung gehen dürften.
Es ist noch nicht angekommen, was die „Zeitenwende“ in Wirklichkeit bedeutet. Die Argumente für die Hochrüstung werden nicht infrage gestellt. Dabei reicht ein kurzer Blick auf die Fakten:
Die Mär von der kaputtgesparten Bundeswehr, die nur noch Schrott verwaltet, dient als Hauptargument für die Hochrüstung. Dies hat aber nichts mit der Realität zu tun. Der Rüstungshaushalt Deutschlands (Einzelplan 14 des Bundeshaushalts) betrug im Jahr 2000 23,8 Milliarden Euro und im Jahr 2022 50,4 Milliarden Euro. Das ist selbst unter Berücksichtigung der Inflation eine reale Steigerung – vor allem, wenn man berücksichtigt, dass nach NATO-Kriterien die Kosten 55,7 Milliarden Euro betragen.
Aus dem Wirtschaftsplan zum Gesetz zum Sondervermögen der Bundeswehr – für das mal eben das Grundgesetz geändert wurde, damit es nicht unter die Schuldenbremse fällt – geht hervor, dass zwei riesige Projekte durch das Sondervermögen nur eine Anschubfinanzierung erhalten (Projektumfang für ein neues Kampfflugzeug 100 Milliarden Euro, für neue Panzer 50 Milliarden Euro). Danach sollen sie aus dem Einzelplan 14 finanziert werden. Damit ist jede Argumentation von „Sachzwängen“ vorbereitet.
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung gesagt: „Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.“ Man beachte die Formulierung „mehr als zwei Prozent“ des BIP – das bedeutet nach dem gegenwärtigen Stand, dass der Einzelplan 14 des Bundeshaushalts künftig auf etwa 80 Milliarden Euro anwachsen wird. Zwei Prozent des BIP hört sich harmlos an, aber das sind etwa 20 bis 25 Prozent des Haushalts. Die Debatten sind vorhersehbar, das zeigen die derzeitigen Haushaltsberatungen: Alle Haushalte sollen gekürzt werden – nur der Verteidigungshaushalt nicht.
Griff nach der Weltmacht
Die „Zeitenwende“ ist nicht allein eine einfache Umorientierung in der Rüstungspolitik, vielmehr soll Deutschland zu einer auf dem internationalen Parkett agierenden Militärmacht gemacht werden. Im Januar dieses Jahres veröffentlichte die SPD – unter Beteiligung des „linken“ Parteiflügels – ein Grundsatzpapier mit dem Titel „Sozialdemokratische Antworten auf eine Welt im Umbruch“, welches vom kommenden Parteitag verabschiedet werden soll. Dort erklärt die SPD die Nachkriegsordnung für überholt und proklamiert eine Führungsrolle für Deutschland, stellt das ZDF in einem Bericht fest. In einer Pressekonferenz erklärte Lars Klingbeil, Ko-Vorsitzender der SPD, dass der Frieden nunmehr gegen Russland zu gestalten sei und nicht mehr mit Russland.
Schon am 21. Juni 2022, ausgerechnet am Jahrestag des Überfalls der faschistischen Wehrmacht auf die Sowjetunion, hatte Klingbeil erklärt: „Nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung hat Deutschland heute eine neue Rolle im internationalen Koordinatensystem (…). Deutschland muss den Anspruch einer Führungsmacht haben. (…) Friedenspolitik bedeutet für mich, auch militärische Gewalt als ein legitimes Mittel der Politik zu sehen.“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck arbeitet an einem Gesetzentwurf zur Neuaufstellung der Rüstungsexporte. In dem Eckpunktepapier heißt es: „Es soll ausdrücklich die Möglichkeit festgeschrieben werden, Länder, die sich in Konflikten befinden oder bei denen ein Ausbruch eines Konfliktes konkret zu befürchten ist, (…) in ihren legitimen Interessen, insbesondere dem Recht auf Selbstverteidigung, zu unterstützen.“ Das ist konsequent, denn wenn Deutschland militärische Geltung erlangen will, braucht es eine einheimische Rüstungsindustrie. Daher müssen die Kapazitäten hochgefahren werden – nur wenn die Exporte nicht mehr beschränkt werden, kann es auch die nötige Größe für eine kriegsbereite Produktion geben.
Burgfrieden oder Kampf
Die Diskussion um die „richtige“ Positionierung in der Friedenspolitik und zu den Themen Rüstungskontrolle, Waffenexporte oder Sicherheitspolitik ist seit dem Beginn der Eskalation des Krieges in der Ukraine nur schwer sachlich und in einem offenen Diskurs führbar. Dahin müssen wir aber wieder kommen. Die Massenmedien forcieren – in den unter US-Hegemonie stehenden NATO-Staaten und der EU – eine antirussische Stimmung, die diplomatische Lösungsmöglichkeiten ausschließt. Akteure, die einen Stopp der Waffenlieferungen oder Verhandlungen fordern, werden – wie schon oben gesagt – als „Fünfte Kolonne Putins“ oder „Putinversteher“ beschimpft.
Die Positionierung von Gewerkschaften ist ein wesentlicher Kern, um eine andere Politik durchzusetzen. Aufgabe von Kommunistinnen und Kommunisten muss es daher sein, die Antikriegspositionen in den Gewerkschaften zu stärken und Diskussionen zu initiieren, die eine Veränderung in der Haltung der Gewerkschaften hin zu klareren Antikriegspositionen und vor allem eine sachliche Debatte ermöglichen.