Solidarität mit Venezuela, Frieden mit Russland, das Verhältnis zur EU prägten den Parteitag der Partei „Die Linke“, obwohl zwei dieser Fragen kaum eine Rolle spielten bzw. deren Behandlung durch eine „geschickte“ Parteitagsregie mehr oder minder unterblieb. Die Anträge zu Frieden mit Russland und zu Venezuela, Letzteres verpackt in einen Antrag zu Lateinamerika, wurden aus Zeitgründen in den Bundesausschuss verwiesen. Ich bin mir sehr sicher, dass Ursache dafür die Furcht war, dass beide Fragen nicht in das Konzept passen, mit dem die Partei „Die Linke“ sich im beginnenden EU-Wahlkampf darstellen will. Dabei war mindestens der Antrag zu Venezuela bzw. Lateinamerika bereits entschärft – bis hin zu nahezu zahnlosen Formulierungen. Eine Aussage wie „Solidarität mit Venezuela“ oder gar mit der gewählten Regierung von Präsident Maduro findet sich nicht, wohl aber die Aussage, dass „alle politischen Kräfte in Venezuela“ aufgerufen sind, „den Weg der Verhandlungslösung einzuschlagen“. Eine größere Gruppe von Delegierten demonstrierte dann auf der Kongressbühne für die Solidarität, der Unwille von Teilen der Konferenz und der Leitung war spürbar. Auch der Antrag zu Frieden mit Russland war auf Kompromiss orientiert – es half ihm nichts.
Nun könnte man sagen, Zweck des Parteitags war ja auch die Beschlussfassung des EU-Programms und die Aufstellung der Kandidatenliste, was sollen da Venezuela und Russland? Gerade umgekehrt wird ein Schuh daraus. Die militärische Einkreisungspolitik der NATO gegenüber Russland wird von der EU nicht nur mitgetragen, sondern wesentlich mit umgesetzt, letztes Beispiel ist die Ebnung des Wegs für Mazedonien in EU und NATO. Der Aufmarsch der NATO-Truppen an der russischen Grenze ist ein Wesensinhalt des Militarismus der EU. Der wurde aber bereits vor dem Parteitag durch den Parteivorstand aus dem Entwurf des Wahlprogramms gestrichen – übrigens im Widerspruch zum geltenden Parteiprogramm der Partei. Eine Mehrheit des Parteitages bestätigte die Streichung, die danach noch von Gregor Gysi demagogisch begründet wurde. Sein Argument: Die EU habe doch keinen einzigen Soldaten und keine eigenen Waffen. Wovon solle man denn reden, wenn sie die mal habe, etwa vom Obermilitarismus?
Der Programmentwurf war durch den Parteivorstand bei zwei Gegenstimmen noch EU-freundlicher gemacht worden (siehe Kommentar von Wera Richter in der UZ vom 22.2.). Daran gab es Kritik von links. Delegierte, die zu Recht die EU als Instrument des deutschen Imperialismus benannten, die strukturell und von der Gründung an neoliberal, undemokratisch und militaristisch sei – sie blieben in der Minderheit. Und es gab Kritik von rechts, von Delegierten, die eine Orientierung auf eine „Republik Europa“ forderten, denen also die EU-Freundlichkeit des Entwurfs nicht weit genug ging – auch sie blieben in der Minderheit. Letztere dürften das eher verschmerzen, war ihnen doch der Parteivorstand schon entgegengekommen. Offensichtlich folgte der größte Teil der Delegierten in allen wesentlichen Fragen dem Kurs der Mehrheit des Parteivorstands. Der Druck von „rechts“ auf diesen Kurs schien mir größer zu sein als der von links.
Etwas befremdlich wirkte für mich als außenstehenden Beobachter, wie die „führenden“ Genossen (am Samstag waren es nur Männer, nämlich Dietmar Bartsch, Gregor Gysi und Bernd Riexinger) abgefeiert wurden. Begrüßt mit Lightshow, Musik und Bildern ihres Wirkens auf Großleinwänden, das erinnerte doch an Wahlkämpfe in den USA oder Zeremonien bürgerlicher Parteien.
Nun gut, das sind Formfragen. Was bleibt unter dem Strich? Die Linkspartei hat sich ein EU-freundliches Programm gegeben, darin enthalten sind auch viele richtige Einzelforderungen. Letzteres ist nach wie vor eine Grundlage für gemeinsame Kämpfe. Ersteres ein Einknicken gegenüber einem zentralen Moment der Machtstrategie des deutschen Monopolkapitals. Hätten wir nicht unser eigenes Programm und unsere Eigenkandidatur bereits beschlossen und abgesichert, spätestens jetzt hätten wir allen Grund dazu.