Im Zentrum aller Arbeit steht unsere Parteilichkeit

Das Gespräch führte Werner Sarbok

UZ: Kommunalpolitik ist ja nicht zwangsläufig ein Kampffeld für junge Mitglieder der DKP. Was hat dich an diesem Gebiet gereizt?

Vincent Cziesla (DKP): „Das Verhältnis zwischen beiden Parteien hat sich verbessert, die politische Linke in Neuss ist dadurch stärker geworden.“

Vincent Cziesla (DKP): „Das Verhältnis zwischen beiden Parteien hat sich verbessert, die politische Linke in Neuss ist dadurch stärker geworden.“

Vincent Cziesla: Zunächst einmal macht die Fraktionsarbeit sehr viel Spaß, da wir uns alle gut verstehen und auch nächtelang diskutieren können. Diese Arbeit ist aber auch interessant, weil man in direktem Kontakt zu seinen Mitbürgern steht und viel über ihre Probleme und Nöte erfährt. Man kann manchmal konkrete Hilfen und Lösungen anbieten. Häufig muss man aber auch auf den Unwillen der Herrschenden oder auf die Grenzen des Systems verweisen, etwa dann, wenn ein Hedgefonds einen gut laufenden Betrieb in der Stadt zugrunde richtet. In diesem Fall waren die demokratisch gewählten Vertreter zwar einmütig entsetzt, konnten aber nur zuschauen. Kapitalismus halt – aber wir arbeiten ja an der Alternative. Das gibt Kraft und das gute Gefühl, die besseren Argumente zu haben. Es ist im Übrigen auch ganz lustig, eine grundlegend andere Überzeugung zu haben, als die große Mehrheit der kommunalpolitisch Aktiven im seit jeher CDU-dominierten Neuss.

UZ: Wahlprogramm und die Liste zum Wahlantritt wurde von Mitgliedern der Partei „Die Linke“ und der DKP gemeinsam entwickelt. Was waren die Voraussetzungen für diese gute Zusammenarbeit?

Vincent Cziesla: Am Anfang stand der gemeinsame Wille, wieder eine linke Opposition in Neuss zu etablieren. Der DKP-Kreisverband hatte beschlossen, sich stärker mit Kommunalpolitik zu beschäftigen und eine Konferenz einzuberufen, an der auch Vertreter der Partei „Die Linke“ teilnahmen. Darüber hinaus gab es zahlreiche Gespräche und großen persönlichen Einsatz von Mitgliedern beider Parteien. Als es dann auf die Kommunalwahlen zuging, haben wir ein umfangreiches Programm geschrieben und viele Gemeinsamkeiten entdeckt. Die Diskussion hat nicht nur viel Spaß gemacht, sondern im Ergebnis auch eine gute Arbeitsgrundlage für die Zusammenarbeit im Rat geschaffen. Die Inhalte standen also fest, bevor wir auf die Liste der „Linken“ gewählt wurden und in den Wahlkampf eingestiegen sind.

UZ: Welche inhaltlichen Schwerpunkte setzt sich deine Fraktion in Neuss?

Vincent Cziesla: Im Zentrum aller Arbeit steht unsere Parteilichkeit. Wir stehen auf der Seite der Ausgebeuteten, der Ausgegrenzten und derjenigen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Obwohl wir eine kleine Fraktion sind, können wir eine breite Palette von Themen bearbeiten, weil wir sehr engagierte und sachkundige Rats- und Ausschussmitglieder haben. Im letzten Jahr haben wir uns u. a. mit bezahlbarem Wohnraum und Obdachlosigkeit befasst. Es gibt zu wenige Wohnungen und die Mieten sind viel zu hoch. Wir haben auch eine breite Debatte gegen die Benennung einer Straße nach einem ehemaligen Nazi-Funktionär angestoßen, der in der bürgerlichen Geschichtsschreibung als „Widerstandskämpfer“ gehandelt wird. Umweltthemen haben eine wichtige Rolle gespielt, wir haben uns auch für Barrierefreiheit in der städtischen Kommunikation stark gemacht. Außerdem versuchen wir mehr Transparenz und Demokratie zu schaffen.

In Neuss ist die strukturelle Privatisierung von kommunalen Aufgaben sehr weit fortgeschritten, es gibt zahlreiche kommunale Betriebe und Gesellschaften. Hier gilt es den Überblick zu behalten und auf Gefahren und Probleme hinzuweisen. Dieser Umstand hat beispielsweise dazu geführt, dass die Stadt sich während des Kita-Streiks und danach nicht mehr für die kommunalen Kitas zuständig gefühlt hat. Schließlich waren diese ja in das Subunternehmen eines städtischen Krankenhauses ausgegliedert. Wir machen solche Strukturen und ihre Folgen öffentlich.

Noch ein wichtiges Thema zum Schluss: Wir haben intensiv gegen jegliche Form von Bundeswehragitation in der Stadt gekämpft und genau nachgefragt, inwiefern städtische Schulen, Einrichtungen und Betriebe mit der Bundeswehr zusammenarbeiten. Als der Bürgermeister eine Informationsveranstaltung des Kinderhilfswerks „terre des hommes“ in der Volkshochschule verboten hat, waren wir die einzige Fraktion, die sich gegen diesen Beschluss gewehrt hat. Das Thema bleibt auf unserer Agenda.

UZ: Wir Kommunisten sehen die Notwendigkeit einer engen Verbindung von parlamentarischer Präsenz mit außerparlamentarischer Aktion. Wie gestaltet sich das in Neuss?

Vincent Cziesla: Ein gutes Beispiel ist unsere Arbeit gegen die sogenannten Freihandelsabkommen TTIP, TiSA und CETA. Die DKP hat dieses Thema aufgegriffen und eine Vortragsveranstaltung dazu gemacht. Den Vortragstext haben wir auch online veröffentlicht. Unsere Ratsfraktion hat zum gleichen Thema eine Resolution gegen die Abkommen in den Rat gebracht und nach langen Diskussionen auch durchgesetzt, leider in etwas abgeschwächter Form. Die Genossinnen und Genossen in den Gewerkschaften haben das Thema ebenfalls bearbeitet und eine sehr erfolgreiche Unterschriftenaktion durchgeführt. Am 1. Mai haben wir dann mit einem großen Transparent den gemeinsamen Kampf gegen TTIP und Co. gefordert. So gut klappt es leider nicht immer, aber wir bemühen uns sehr darum, die kommunalen Probleme auch außerhalb des Rates zu thematisieren. Dazu gehören natürlich auch zahlreiche Gespräche mit Menschen und Vereinen, die uns so besser kennenlernen können.

UZ: In der DKP wird die Kandidatur auf anderen Listen kontrovers diskutiert. Als eine Gefahr wird das „Verschwinden unserer drei Buchstaben“ aus der Öffentlichkeit gesehen. Ist das so?

Vincent Cziesla: Das kommt auf die Situation und die Absprachen vor Ort an. In Neuss sehe ich diese Gefahr nicht. Auf der „Linken“-Homepage werde ich als DKP-Mitglied geführt, wir haben aus unserer Zusammenarbeit kein Geheimnis gemacht und sind auch gemeinsam in den Wahlkampf gezogen. Dadurch haben unsere „drei Buchstaben“ meiner Einschätzung nach an öffentlicher Präsenz gewonnen und keinesfalls verloren. Wir diskutieren viele Themen sehr intensiv und haben in unserer Fraktion fast immer eine gemeinsame Position gefunden. Aber es gibt keinen Fraktionszwang, das ist sogar schriftlich fixiert. Kommt es zu Kontroversen, dann sprechen beide Bündnispartner für sich. Die gemeinsame Kandidatur hat auch zahlreiche Vorteile. Das Verhältnis zwischen beiden Parteien hat sich verbessert, die politische Linke in Neuss ist dadurch stärker geworden.

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"Im Zentrum aller Arbeit steht unsere Parteilichkeit", UZ vom 24. Juli 2015



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