Linke verstärkt Opfer polizeilicher Spitzelattacken aus dem In- und Ausland

Im Visier der Spione

Von Markus Bernhardt

Verschiedene Abgeordnete der Linkspartei haben sich in der vergangenen Woche erneut gegen den Einsatz verdeckter Polizeispitzel in der politischen Linken gewandt und die Aufklärung vergangener Einsätze verlangt. Das Ausmaß, in dem allein britische Polizeibeamte in der außerparlamentarischen Linken spitzeln, ist beachtlich. Seit 1968 sollen mindestens 100 britische Polizeispitzel mindestens 460 politische Gruppen unterwandert haben, darunter auch im Ausland, gab Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, jüngst bekannt. „Zu Einsätzen in Deutschland sind mir die Netzwerke ‚Dissent!‘ und ‚Jugend gegen Rassismus in Europa‘ bekannt“, so Hunko weiter. Das britische Innenministerium muss offenlegen, welche weiteren Aktivistinnen und Aktivisten in wessen Auftrag in Deutschland ausgeforscht wurden. „Einsätze verdeckter Ermittlerinnen und Ermittler aus dem Ausland bergen rechtliche Lücken. Für die disziplinarrechtliche Verfolgung ist die entsendende Behörde zuständig“, so der Bundestagsabgeordnete. Wie im Fall des britischen Polizeispitzels Mark Kennedy fehle es dort jedoch oft am Verfolgungswillen. Erst nach mehrfachen Eingaben, Anfragen und offenen Briefen habe sich das deutsche Bundesinnenministerium entschlossen, die Ausdehnung der britischen Untersuchung auf verdeckte Einsätze in Deutschland zu verlangen. Zuvor hatten dies die schottische und die nord-irische Regierung gefordert.

Eine mehrjährige richterliche Untersuchung in London soll Rechtsbrüche verdeckter Ermittler aufklären und ahnden. Gegenstand ist unter anderem, ob britische Polizist/innen zu Straftaten angestiftet haben oder sexuelle Beziehungen mit Ziel- und Kontaktpersonen unterhielten. Acht Frauen haben bereits erfolgreich gegen die Metropolitan Police geklagt.

„Auch in Deutschland werden immer mehr Fälle bekannt, in denen verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler sexuelle und intime Beziehungen mit Ziel- oder Kontaktpersonen eingingen“, erinnerte Hunko. Er verwies zudem auf den Fall der verdeckten Ermittlerin „Astrid Schütt“ aus Hamburg, der Mitte Mai für Aufsehen über die Hansestadt hinaus sorgte. Von 2006 an soll die LKA-Beamtin die linke Szene der Hansestadt über sieben Jahre lang ausspioniert haben (UZ berichtete). Nach „Iris Schneider“ und „Maria Block“ war dies bereits der dritte Fall in nur zwei Jahren. Die Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Christiane Schneider (Linkspartei) hatte kürzlich versucht, durch zwei Kleine Anfragen an den Senat Licht ins Dunkel zu bringen. Die Antworten fielen jedoch sehr allgemein und vage aus. „Die Antwort des Senats bestätigt meinen Verdacht, dass es sich bei dem Einsatz von ‚Astrid Schütt‘ zumindest über einen längeren Zeitraum um eine unzulässige geheimdienstliche Tätigkeit der Polizei handelt. Eine solche geheimdienstliche Tätigkeit der Polizei ist durch die Rechtsgrundlage nicht gedeckt. Es ist nicht einmal ansatzweise nachzuvollziehen, dass der Einsatz im selbstverwalteten Jugendzentrum ‚Unser Haus e. V.‘ in Bergedorf zur ‚Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich‘ oder dass er das einzige Mittel zur ‚Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung‘ gewesen sein könnte“, kritisierte Christiane Schneider.

Die Antwort des „rot-grünen“ Hamburger Senats liefere nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass die verdeckte Ermittlung notwendig war – im Gegenteil: Die Frage, ob der Einsatz zu Ermittlungsverfahren geführt habe, bleibt sogar unbeantwortet. „Es liegt nahe, dass der Einsatz der Beamtin im Jugendzentrum und auch weitere Aktivitäten ausschließlich dem Zweck dienten, eine Legende aufzubauen. Zu diesem Zweck hat sie sich in alle möglichen Gruppen eingeschlichen, getäuscht, gelogen, Vertrauen erschlichen, politische Meinungsbildungsprozesse manipuliert. Das ist durch das Gesetz nicht gedeckt“, so Schneider weiter. Die Abgeordnete verwies außerdem darauf, dass das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdienst erneut missachtet worden sei.

Hunko forderte, die besagten Fälle auf Bundesebene zu untersuchen. Er sehe darin schließlich „einen polizeilichen Apparat, der sich unkontrolliert verselbstständigt“. So sei das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) selbst Vorreiter in der Ausweitung grenzüberschreitender Einsätze. Die gegenseitige Entsendung deutscher und britischer verdeckter Ermittlerinnen und Ermittler und der Entwurf von Handreichungen führten zu einer Ausweitung dieser Praxis in ganz Europa. Das BKA gehöre außerdem zu den Gründern zweier internationaler Polizeinetzwerke zu verdeckten Ermittlungen, die sich fernab jeder Kontrolle etabliert hätten, erinnerte Hunko außerdem. Es brauche deshalb auch in Deutschland eine Untersuchung, die sämtliche Vorfälle auswertet und die Einsätze in- und ausländischer Polizeispitzel auf den Prüfstand stelle.

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"Im Visier der Spione", UZ vom 24. Juni 2016



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