Die Ampelregierung hinterlässt ein ökonomisches Trümmerfeld. Die Insolvenzen schießen durch die Decke. Paradesektoren der deutschen Ökonomie, wie die Autoindustrie und die Chemieindustrie, sind in schwere See geraten und kämpfen ums Überleben. Deutschland ist das Land der stillliegenden Baustellen, der kaputten Straßen und der zerbröselnden Infrastruktur. Nichts funktioniert mehr. Die Deutsche Bahn schätzt ihren Fahrplan nur noch, die Bauindustrie liegt am Boden. Dabei fehlen 700.000 Wohnungen. In High-Tech-Sektoren wie der Chip- und IT-Industrie ist die Bundesrepublik, ja die ganze EU schon längst abgeschrieben. Auch die deutsche Softwareschmiede SAP will Tausende entlassen und weitere Unternehmensteile nach Indien verlagern. In wichtigen großindustriellen Bereichen, wie der Montanindustrie, dem Bergbau, der Metallurgie, dem Stahl- und Schiffbau fristet man allenfalls noch ein Nischendasein. In der Energiewirtschaft, selbst bei den Erneuerbaren, hat man die Führungsposition, quantitativ ohnehin, aber auch qualitativ an die asiatischen Powerplayer abgeben müssen. Noch verhungern die Menschen nicht auf den Bürgersteigen, aber der Trend in Richtung einer umfassenden Deindustrialisierung und eines gesamtgesellschaftlichen Verfalls liegt offen zu Tage. Selbst Ex-EZB-Chef Mario Draghi musste die strukturelle Krise der EU mit einer detaillierten, wenn auch nicht hinreichenden Analyse dokumentieren.
Die hier angerissenen Phänomene haben langfristige, strukturelle Ursachen, welche seit 2007 durch die Krise des neoliberalen Verwertungsmodus und seit 2022 durch die Kriegsmobilisierungen drastisch beschleunigt wurden.
„Rheinischer Kapitalismus“
Am 8. Mai 1945 musste sich der deutsche Imperialismus der Sowjetunion und den USA geschlagen geben. Sowohl die Vernichtung des Kommunismus als auch der Anlauf zur Weltmacht scheiterten. Mit dem Sieg über den deutschen Faschismus endete die Anti-Hitler-Koalition. Die USA übernahmen die Führung des imperialistischen Lagers. Sie begannen „den Kommunismus“ von Westen aus einzudämmen. Dazu musste speziell die BRD als Schaufenster nach Osten üppig aussehen. Die nötige Anschubfinanzierung wurde über das GARIOA-Programm und den Marshallplan bereitgestellt. Am 16. September 1953 handelte Hermann Josef Abs im Schuldenabkommen von London die gesamten Kriegsschulden Deutschlands gegenüber den sehr kompromissbereiten US-Delegierten auf knapp 14 Milliarden DM herunter. Die Sowjetunion, die späteren Warschauer Vertragsstaaten, Partisanenverbände oder andere Opfer des faschistischen Krieges erhielten, bis auf die Führung in Tel Aviv, ohnehin keine Reparationszahlungen. Westdeutsche Gewerkschaften erzielten beeindruckende Abschlüsse. Sie passten ins strategische Konzept der Kalten Krieger: Das deutsche Monopolkapital war zur Schaffung der Sozialpartnerschaftsillusion zu Zugeständnissen bereit.
Bei dieser gefeierten „Sozialen Marktwirtschaft“ oder auch dem „Rheinischen Kapitalismus“ handelt es sich um eine Sondersituation. Für den schnellen Wohlstandsaufbau brauchte es einen Staatsmonopolistischen Kapitalismus. Ende der 1980er Jahre verlor dieser seine strategische Begründung. Der Versuch des Roten Oktober, einen Ausbruch aus der kapitalistischen Ausbeutungs- und Profitwirtschaft zu wagen, schien gescheitert.
Selbstruinierung
Dieses historische Ereignis hatte dramatische Konsequenzen. Zum einen für die ehemals sozialistischen Staaten, zum anderen für die kapitalistischen Staaten selbst. Die neoliberalen Propheten fielen, von Medien und Politik unterstützt, mit dem gegenreformistischen Furor jesuitischer Missionare über all das her, was der New Deal und der Keynesianismus an Disziplinierung und Stabilisierung des Kapitalismus aufgeboten hatten. Begonnen hatte es schon Ende der 1970er Jahre. Die ökonomischen und gesellschaftlichen Kosten zur Aufrechterhaltung der globalen Hegemonie der imperialistischen Staaten begannen aus dem Ruder zu laufen. 1971 musste US-Präsident Richard Nixon die Goldbindung des US-Dollar aufkündigen. Das Bemühen der erdölproduzierenden Staaten, akzeptable Preise für ihr „Schwarzes Gold“ zu erzielen, sowie die Wirtschaftskrise 1974/75 waren weitere Anzeichen. Sie setzen eine intensive Diskussion über eine neue kapitalistische Verwertungsform in Gang.
Mit der Installierung der neoliberalen Vorkämpfer Margaret Thatcher und Ronald Reagan begann die staatlich vorangetriebene Entgrenzung privaten Profitstrebens gewaltig Fahrt aufzunehmen. Ziel war und ist die uneingeschränkte Macht des Finanzkapitals, eng verknüpft mit der ganzen Fülle der imperialen Staatsmacht, insbesondere des US-Imperiums und seiner Kriegsmaschine. Nach der Auflösung der Sowjetunion konnte dieses Projekt mit der „Globalisierung“ nahezu auf die ganze Welt ausgedehnt werden. Ökonomisch bedeutete dies die Zurverfügungstellung des gesamten Globus für die Profitansprüche der vorwiegend anglo-amerikanischen Finanz-„Elite“. Gleichzeitig bedeutete die Privatisierungs-, Deregulierungs- und Prekarisierungsstrategie den Zugriff des Finanzkapitals auf die Fonds der erweiterten staatlichen und gesellschaftlichen Reproduktion. Die Aushöhlung und Umwidmung der Staatshaushalte, der Altersvorsorge, die Schaffung von Niedriglohnsektoren für mehr als ein Fünftel der Bevölkerung schufen einerseits gigantische private Reichtümer, andererseits Verarmung und Verelendung großer Bevölkerungsteile. Gleichzeitig nahm die Staatsverschuldung gigantische Ausmaße an. Die ökonomische Handlungsfähigkeit der Staaten, der Gesellschaften insgesamt nahm drastisch ab. Eine Erweiterung und Modernisierung des industriellen Potentials, der Infrastruktur, des Wohnungsbaus, der Bildungskapazitäten, der Gesundheits- und Altersversorgung werden mit dem Hinweis auf die leeren Kassen abgelehnt. Da dieser Verfallsprozess auch wesentliche Bereiche der staatlichen Funktionen ergriffen hat, verfestigt sich das Gefühl, dass nichts mehr funktioniert auf breiter Front.
Strukturkrise
Wie nicht anders zu erwarten, kehrte mit dieser Verwertungsform die strukturelle Krisenhaftigkeit des Kapitalismus zurück, die der Keynesianismus zumindest partiell zu überwinden geglaubt hatte. In Lateinamerika, Asien und Russland zeigten sich in den 1980er/90er Jahren dramatische Krisenphänomene. Im Jahr 2000 wurden die kapitalistischen Zentren von der „Dotcom-Krise“ erfasst. In der „Finanzkrise“ 2007ff. gerieten die führenden kapitalistischen Staaten in eine tiefe Strukturkrise, allen voran die USA. Sie machte Staats- und Zentralbankinterventionen zur Rettung der Finanzspekulation in Billionenhöhe notwendig. Diese Versuche konnten die Krise abschwächen, sie aber nicht überwinden. Im Spätsommer 2019 brach die Krise am US-Repo-Markt (kurzfristige Kredite zwischen Finanzinstitutionen) erneut aus. Diesmal mussten noch deutlich höhere Summen mobilisiert werden, um den Komplettabsturz des „Wertewestens“ zu verhindern. Ab 2020 wurden die Wirkungen dieser Krise durch die Corona-Massnahmen verstärkt. Sie machten die negativen Folgen von Produktionsverlagerungen und die Verwundbarkeit von internationalen Versorgungs- und Produktionsketten deutlich. Ab Februar 2022 kam der Versuch hinzu, Russland ökonomisch und militärisch zu „ruinieren“. Ab Oktober 2023 wurde dieser Versuch mit einem breit angelegten Regionalkonflikt in Südwestasien erweitert, der nach Plänen der US-Neokonservativen mit einem großen Konflikt im Südchinesischen Meer und darüber hinaus zu einer Art globalem Anti-BRICS-Krieg ausgebaut werden soll. Ökonomisch betrachtet wird damit der seit rund 40 Jahren laufende Prozess der neoliberalen Selbstruinierung mit den massiven Sanktions- und Kriegsmaßnahmen im Interesse des US-Imperiums auf Turbo-Betrieb geschaltet. Die Vernichtung hunderttausender Arbeitsplätze droht. Große Bevölkerungsgruppen verarmen. Staatliche und gesellschaftliche Apparate funktionieren immer weniger, während die Bürokratie zunehmend als gängelnd-repressiv erlebt wird. Protest wird als illegitim ausgegrenzt, zensiert oder juristisch verfolgt. Die innere Repression entfernt sich dabei immer weiter von rechtsstaatlichen Prinzipien.
Richtungsentscheidung
Die Russophobie ist ein Kernelement der anglo-amerikanischen Geostrategie, die eine Zusammenarbeit der großen eurasischen Mächte als direkte Gefahr für die US-amerikanischen Weltmachtposition um jeden Preis verhindern will. Die Strategie des deutschen Imperialismus gegenüber Russland schwankt zwischen Zusammenarbeit zur Aneignung der russischen Rohstoffe und rassistischen Vernichtungs- und Unterwerfungsfantasien Russlands. Die stabile Versorgung Deutschlands mit preiswerter sowjetisch/russischer Fossilenergie war seit den 1960er Jahren die Basis des „Wirtschaftswunders“ und der industriellen Sonderrolle der Bundesrepublik. Ohne billige Kohle, günstiges Öl und Gas sind viele der Industriesparten, in denen die Bundesrepublik über Jahrzehnte eine führende Rolle einnehmen konnte, nicht mehr profitabel zu betreiben.
Hinzu kommt, dass mit dem abrupten europäischen Ausstieg aus der russischen Gasversorgung und dem gleichzeitigen Einstieg in die Hochrüstungspolitik, noch weniger Geld für die Aufrechterhaltung staatlicher Mindestfunktionen und die Integration der Beschäftigten zur Verfügung steht. Verschärft durch eine planlose „Klimapolitik“ wurde der Ärger der Menschen auf die Ampel und besonders auf die Grünen fokussiert. In den Augen Vieler gibt es den großen Wunsch nach Änderung, ohne dass wirkliche Veränderung in Sicht wäre.
Der Sturz der Ampel über die Frage des kommenden Haushalts und die immer schwierigere Regierungsbildung ist dabei kein rein deutsches Phänomen. Von Britannien über Frankreich bis nach Südkorea reichen die Auseinandersetzungen. An der Oberfläche geht es um Haushaltsfragen. Dahinter steht die Frage, wie eine Kriegswirtschaft aufzubauen ist. Patrick Welter gibt in der FAZ vom 13. Dezember die Stoßrichtung vor: „Doch wann, wenn nicht jetzt in der sicherheitspolitisch höchst angespannten Lage, könnte und müsste ein Politiker dem Wähler erklären, dass er zugunsten der Verteidigung auf anderes verzichten muss? Dass es gilt: Panzer oder Kindertagesstätten? Wer das jetzt nicht schafft, der wird auch in normalen Zeiten den Mumm nicht aufbringen, der Bevölkerung etwas zuzumuten. Das ist keine gute Basis für eine solide Finanzpolitik.“