Der Kapitalismus in Griechenland ist teuer. Im Jahr 2015 wurden ihm von der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB), dem Europäischen Rettungsschirm (ESM) und dem Internationalen Währungsfonds ein drittes „Hilfsprogramm“ über 86 Milliarden Euro bis 2018 in Aussicht gestellt – wenn Griechenland sich der Melodie der Kreditgeber unterwirft.
Das dürfte nicht leicht sein, denn die Schuldentilgung geht auf Knochen des Volkes. Es wird sich dabei erweisen, ob Ministerpräsident Alexis Tsipras (Syriza) vor den Geldgebern weiterhin den Vortänzer macht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat’s nicht so mit dem Sirtaki. Seine Taktvorgabe entspricht eher der Marschmusik: Einsparungen bis 2019 und 2020. Konkret: Die Renten werden bis 2019 noch einmal um ein Prozent gekürzt. Betroffen sind 700 000 Griechen im Ruhestand. Diese Einsparungen sollen dazu beitragen, dass im Juli 7,4 Milliarden Euro und im August noch einmal 1,4 Milliarden Euro an die Geldgeber gezahlt werden können.
Dahinter stehen mehrere Konflikte. Schäuble will den IWF aus Washington mit im Boot haben. Der IWF fährt aber im Gegensatz zu Schäuble eine weiche Linie gegenüber Athen, denn er glaubt wohl kaum, dass Schäubles Würgeeisen den Griechen genug Luft zum Atmen lässt – nicht einmal den Kapitalisten. Doch am 24. September sind Bundestagswahlen und da will Schäuble noch einmal punkten und harte Kante zeigen. Punkten will auch Tsipras, der hat 2019 Wahlen; er befindet sich allerdings – so die Umfragen – im freien Fall.
Kein Wunder, denn an seiner Einigung mit den Geldgebern gibt es scharfe Kritik. In Athen und in 61 weiteren Städten gab es Proteste. Nicht nur die Rentner sind wütend, sondern auch die Griechen, die noch Arbeitsplätze haben. Widerstand kommt auch von den Schülerinnen und Schülern. Im Aufruf des Koordinierungskreises in Athen heißt es: „Wir kämpfen für die Lösung aller Probleme, mit denen wir und unsere Eltern konfrontiert sind: die Mängel in unseren Schulen, die Hürden, die uns für den Schulabschluss aufgestellt werden, die immer mehr ansteigenden Ausgaben unserer Eltern für die Steuern, die Sonderabgaben, für unsere Bildung. Wir setzen uns der SYRIZA-ANEL-Regierung entgegen, da sie den Verfall des Schulwesens mit dem Segen der Europäischen Union vorantreibt.“
Schon vor Wochen machten griechische Bauern mit Blockaden darauf aufmerksam, dass sie unter den Bedingungen der EU keine Zukunft haben, denn die Anbauflächen, die Produktion und der Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen konzentrieren sich immer mehr in den Händen der Nahrungsmittelindustrie. Auf Unverständnis stoßen die Profit-Regeln, wenn in Griechenland Tomaten aus den Niederlanden eingeflogen. werden, weil das billiger ist als sie mit dem Lastwagen vom Peleponnes nach Athen zu fahren, denn den Lkw muss der Fahrer mit teurem Sprit füttern. Außerdem benötigt er eine Lizenz, und die kostet ebenfalls.
Der Druck auf die kleinen Bauern ist groß. Die durchschnittliche Betriebsgröße beträgt 4,5 Hektar (in der EU: 18,5 Hektar), in Deutschland mehr als 50 Hektar. EU-Agrarfördermittel sind für die kleinen griechischen Bauern nicht zu erwarten. Die verbleibenden landwirtschaftlichen Nutzflächen werden stattdessen zunehmend zum Zufluchtsort junger perspektivloser Städter, die glauben, auf dem Lande wenigstens ihre Selbstversorgung sichern zu können.
Zur Flucht vor Elend und Armut gibt es umgekehrt die Flucht in den versteckten Reichtum: Vor etwa einem Jahr wurde im Internet eine neue Liste von 13 730 Namen von Griechen veröffentlicht, die dem Staat jeweils mehr als 150 000 Euro schulden. Die Summe addiert sich auf 83 Milliarden Euro. Aber die Schulden werden von der Syriza-ANEL-Regierung nicht eingetrieben.