Initiative will Waffenexporte über den Hamburger Hafen stoppen. Senat klagt dagegen

Im Sinne der Rüstungskonzerne

Jörg Pflüger

Die „Volksinitiative gegen Rüstungsexporte“ über den Hamburger Hafen hat in der ersten Phase zum Volksentscheid im letzten Jahr bereits über 16.400 Unterschriften gesammelt. Die Initiative begann daraufhin, als zweite Phase das Volksbegehren vorzubereiten. Bis Mitte September 2022 sollten in dieser zweiten Stufe innerhalb von drei Wochen 5 Prozent der Wahlberechtigten in Hamburg, rund 70.000 Menschen, zur Unterschrift für einen zivilen Hafen gewonnen werden. Die DKP Hamburg stand auch schon in den Startlöchern und bereitete sich auf eine aktive Unterstützung dieser nicht ganz einfachen Aufgabe vor. Parallel zur Bundestagswahl 2025 hätte dann der eigentliche Volksentscheid stattfinden können.

Der Hamburger Senat hat nun beschlossen, die Volksinitiative mit einer Klage vor dem Hamburger Verfassungsgericht zu stoppen. Als Begründung für der Senat an, dass die Entscheidung für den Stopp von Rüstungsexporten über den Hamburger Hafen bei der Bundesregierung liege. Außerdem könnten NATO-Bündnisverpflichtungen nicht eingehalten werden, wenn der Hafen für die Ausfuhr von Waffen und anderem Militärgerät gesperrt wäre.

Anstatt Wege zu finden, Verantwortung zu übernehmen und aus Hamburg mit der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger eine Friedensstadt mit positiver Perspektive zu entwickeln, hat der Versuch des Stoppens der Volksinitiative zur Konsequenz, dass im Hafen immer mehr todbringende Güter umgeschlagen und exportiert werden. Offensichtlich geht der Hamburger Senat davon aus, dass die Hamburgerinnen und Hamburger der Volksinitiative zum Erfolg verhelfen könnten. Deshalb kam jetzt diese Entscheidung.

280403 hafen2 - Im Sinne der Rüstungskonzerne - Abrüstung, Proteste, Waffenexporte - Politik
Mehr Informationen unter ziviler-hafen.de (Foto: Volksinitiative gegen Rüstungsexporte)

Dem hält die Volksinitiative entgegen, dass sehr wohl das Bundesland Hamburg zuständig ist, das Verbot des Umschlags von Waffen über den Hamburger Hafen umzusetzen. Aus der Volksinitiative vorliegenden Gutachten ist ersichtlich, dass es rechtlich möglich wäre, auf Landesebene Rüstungstransporte zu unterbinden. In der Präambel der Hamburger Verfassung heißt es dazu: Die Freie und Hansestadt Hamburg will „im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein“. Deshalb sieht die Volksinitiative in der Äußerung des Senats, die Verantwortung für Rüstungstransporte läge allein auf der Bundesebene, einen Vorwand, der darauf abzielt, die Verfügungsgewalt der Landesverfassung außer Kraft zu setzen.

Der Senat will also verhindern, dass die Hamburger Bevölkerung ihrem Friedenswillen Ausdruck verleihen kann. Man kann auch vom Versuch sprechen, die im Landesgesetz garantierte direkte Demokratie auszuhebeln – und zwar genau dann, wenn die Interessen großer Konzerne zur Abstimmung stehen. Der Senat will sich nicht mit der mächtigen Rüstungslobby anlegen und geht dabei so weit, eine Volksinitiative per Anrufung des Verfassungsgerichts mundtot machen zu wollen. Nicht zum ersten Mal: Seit der Einführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in Hamburg 1996 hat der Senat über zwanzig Bürgerentscheide und Bürgerbegehren evoziert – also außer Kraft gesetzt – oder die betroffenen Stadtbezirke angewiesen, die aufgeworfene Frage in seinem Sinne zu bearbeiten.

Das Vorgehen des Hamburger Senats zeigt eindrücklich, dass in einer Zeit, in der massive Aufrüstung Konjunktur hat und in den Medien das Kriegsgeschrei nicht verstummen mag, sind friedensstiftende Initiativen nicht erwünscht – aber deshalb um so notwendiger. Bislang hat der Senat nur erreicht, das Anliegen der Volksinitiative zu verzögern. Die Volksinitiative bereitet sich jetzt auf den Kampf vor Gericht vor – auch wenn sie nicht viel vom Hamburger Verfassungsgericht erwartet. Mit Veranstaltungen und antimilitärische Hafenrundfahrten wird sie weiter in der Stadt präsent sein.

Unser Autor ist aktiv in der „Volksinitiative gegen Rüstungsexporte“.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Im Sinne der Rüstungskonzerne", UZ vom 15. Juli 2022



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flugzeug.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit