Puerto Rico: Regierung will Insolvenzregelung

Im Schuldenmeer

Von Günter Pohl

Am 3. August hat Puerto Rico, 1898 annektierte und heute an die USA assoziierte Karibikinsel, erstmals in seiner Geschichte einen teilweisen Zahlungsausfall erklärt. Das Land, dessen Währung der US-Dollar ist, kann seine Verpflichtungen bei der Rückzahlung einer Schuldverschreibung über 58 Millionen US-Dollar nicht mehr begleichen.

Da andere Zahlungen weiterhin geleistet werden, ist kein völliger „Default“, d. h. Zahlungsausfall, eingetreten. Aber Puerto Rico hat damit Druck auf die Gläubiger ausgeübt, um eine Neustrukturierung seiner Schulden zu erreichen. Ein ungeordneter Zahlungsausfall hätte für die Gläubiger heftigere Auswirkungen, sodass dieser Schritt als ein Zugeständnis und als Bereitschaft für eine verhandelte Lösung angesehen werden kann. Interessant ist der Fall Puerto Rico im Zusammenhang mit Griechenland, da die beiden Länder die Zugehörigkeit zu einem Staaten- sowie einem Währungsverbund gemein haben und sie dadurch keinerlei Möglichkeiten monetärer Einflussnahme besitzen.

Puerto Rico beherbergt nur noch 3,6 Millionen Menschen; inzwischen befinden sich etwa 5 Millionen Landsleute auf US-amerikanischem Festland, davon eine Million in Miami. Auf jeden der Menschen, die trotz der fatalen wirtschaftlichen Situation (14 Prozent Arbeitslosigkeit, gegenüber 5,5 Prozent in den USA) noch zu Hause sind, kommen, angesichts von 72 Milliarden US-Dollar Schulden stattliche 20 000 US-Dollar Schuldenanteil. Die Staatsschulden übersteigen damit das Bruttoinlandsprodukt.

Die Regierung spricht von einer nur noch bis November garantierten Liquidität. Die Ratingagentur „Fitch“ hat ihre Bewertung der Insel nicht geändert, wohingegen „Standard & Poor’s“ geringfügig herabstufte. Dennoch gehe man davon aus, dass die Tatsache, dass die Verweigerung „einer relativ kleinen Schuld von 58 Millionen bei jährlichen Einnahmen von neun Milliarden bedeutet, dass man der kurzfristigen Liquidität Vorrang vor einer Anleihe bei den Schuldenmärkten gegeben hat“ und also bald wieder seinen Zahlungen nachkommen werde. Die puertoricanische Regierung unter Alejandro García Padilla will bis September einen Plan zur Restrukturierung der Schulden vorlegen und verlangt von der US-Regierung, dass es sich – ebenso wie auch die Stadt Detroit – Kapitel 9 des Insolvenz­gesetzes unterwerfen dürfe. Das steht aber nur Kommunen zu, nicht jedoch Territorien wie den Bundesstaaten der USA. Die Republikanische Partei blockiert bislang das Ansinnen einer Ausnahmeregelung; damit ist eine Bankrottoption zunächst vom Tisch. Und die US-Regierung lehnt eine Rettung Puerto Ricos durch Bundesmittel derzeit ab.

„Die Steuereinnahmen aus der

Pharmaindustrie brachen ein,

die Schulden stiegen.“

Puerto Rico hat Jahrzehnte von einer florierenden pharmazeutischen Industrie gelebt, die, von Steuervergünstigungen angelockt, aus den USA kam. Da Puerto Rico immer weniger Einnahmen aus diesen Industrien bekam, da die Konkurrenz, vor allem aus Asien, zum Druckmittel für immer geringere Abgaben genutzt worden war, war man zum Handeln gezwungen. Bis 2006 wurden zugunsten höherer Einnahmen Anreize für US-Firmen gesenkt, was dann jedoch zu geringerer Bereitschaft von Investitionen führte; hinzu kamen die Auswirkungen der Krise ab 2007/08. Der Staatshaushalt konnte von da an nur noch durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen erhalten werden – die Rede ist von 60 Milliarden US-Dollar – und die Schulden verdreifachten sich in fünfzehn Jahren.

Interessanterweise – und keineswegs überraschend – verspüren sowohl die Befürworter einer völligen Loslösung der Insel von den USA als auch diejenigen, die Puerto Rico gern als 51. Bundesstaat der USA sähen, in dem vorliegenden Debakel Wasser auf ihre Mühlen. Die Sezessionisten verlangen eine Abschaffung des Jones-Gesetzes aus dem Jahr 1920, wonach nur Schiffe, die einem US-Bundesstaat gehören und von diesem betrieben werden, Waren nach und von Puerto Rico transportieren dürfen. Damit könnte man Arbeitsplätze schaffen und Kosten einiger Produkte, vor allem von Erdöl, senken.

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"Im Schuldenmeer", UZ vom 14. August 2015



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