Der Lohnabstand zwischen Frauen und Männern ist bereits vor der Pandemie gewachsen

Im Schnitt 1.200 Euro weniger

Die große Koalition hat sich am 28. Mai auf eine Frauenquote für die Vorstände großer Unternehmen in Deutschland geeinigt. Der lange umstrittene Gesetzentwurf sieht vor, dass in Vorständen börsennotierter Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten und mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern mindestens eine Frau sitzen muss. Die Damen der „wirtschaftlichen Elite“ wird es freuen. Schließlich sind sie unter den Spitzenverdienern, die 12.100 Euro brutto und mehr im Monat beziehen, deutlich unterrepräsentiert. Hier gibt es 158.000 Männer und nur 23.000 Frauen. Das entspricht einem Frauenanteil von 12,7 Prozent.

Auf das Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen der Frauen aus der Arbeiterklasse wird es sicher keinen Einfluss haben, ob sich in Zukunft zu den Konzernherren auch einige Damen gesellen werden. Wer dies glaubt, erwartet sicher auch, dass die Außenpolitik der Bundesrepublik mit Annalena Baerbock als Bundeskanzlerin friedlicher werden wird.

Die Ankündigung der Quotenregelung für börsennotierte Unternehmen hat leider eine andere Nachricht in den Hintergrund gedrängt: Frauen erhalten immer noch deutlich weniger Lohn als Männer. Der sogenannte Gender Pay Gap, die prozentuale Differenz der Löhne zwischen Frauen und Männern, ist in den letzten Jahren sogar noch größer geworden. Dies geht aus der aktuellen Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamtes hervor.
Im Durchschnitt erhielten Frauen monatlich 1.192 Euro weniger Bruttogehalt als Männer, was einem 19 Prozent niedrigeren Stundenlohn entspricht. Der Durchschnittsverdienst insgesamt wird in der Untersuchung mit 2.766 Euro angeben. Dies bedeutet, dass auf dem Arbeitsmarkt rund 12,5 Millionen der insgesamt 18,3 Millionen Frauen unterdurchschnittlich bezahlt werden – das sind 68 Prozent aller lohnabhängigen Frauen. Der DGB hat errechnet, dass eine Frau aufgrund des Gender Pay Gap – hochgerechnet auf 10 Jahre – durchschnittlich stolze 41.000 Euro netto verliert. Dabei sind Frauen oftmals besser qualifiziert und ausgebildet als gleichaltrige Männer.

Die Gründe für die Verdienstunterschiede sind vielfältig und zum Teil strukturell bedingt. Unterschiedliche Erwerbsbiografien, Berufswahl oder Arbeitsvolumen spielen hier eine Rolle. Außerdem unterbrechen Frauen häufiger und länger ihre Erwerbstätigkeit, sei es für die Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen. Doch selbst wenn man all diese Faktoren unberücksichtigt lässt, ergibt sich immer noch eine große Kluft.

Da die Daten des Statistischen Bundesamtes nur alle vier Jahre erhoben werden und aus dem Jahr 2018 stammen, ist zu befürchten, dass diese Kluft inzwischen deutlich größer ist als in der zitierten Studie. Denn die Auswirkungen von Krise und Pandemie konnten nicht berücksichtigt werden. Von der Pandemie sind prekäre Beschäftigungsformen wie Teilzeit, Befristung, Scheinselbstständigkeit oder auch Minijobs in besonderem Maße betroffen und gerade hier liegt der Frauenanteil besonders hoch. Das Ausmaß der negativen Folgen lässt sich nur erahnen.

Den Betroffenen wird eine Quotenregelung in börsennotierten Unternehmen nicht helfen. Nur ein gemeinsamer und solidarischer Kampf mit ihren männlichen Kollegen kann zu besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle führen. „Frauenkampf ist Klassenkampf“ war auf einem Transparent der diesjährigen 1.-Mai-Demonstration im mittelhessischen Gießen zu lesen. Besser kann man im Sinne von Clara Zetkin den Unterschied zwischen bürgerlicher und proletarischer Frauenpolitik nicht auf den Punkt bringen.

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"Im Schnitt 1.200 Euro weniger", UZ vom 4. Juni 2021



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