Der Westen setzt die Kriegsstrategie der USA gegen China rasch um

Im Provokationsfieber

Im April erklärte der britische Verteidigungsminister Ben Wallace im Unterhaus: „Wir gehen nicht auf die andere Seite der Welt, um zu provozieren. Wir sind zuversichtlich, aber nicht konfrontativ.“ Das war selbstverständlich gelogen. Britannien hat es übernommen, ähnlich wie gegen Russland die Speerspitze des gesteigert aggressiven Kurses der Westmächte gegen China zu spielen. In der vergangenen Woche fuhr eine britische Trägerkampfgruppe rund um die hochmoderne, 2017 in Dienst gestellte „HMS Queen Elizabeth“ zu Seemanövern in das Südchinesische Meer ein. Die deutsche Monatszeitung für den öffentlichen Dienst „Behörden Spiegel“ zitierte auf ihrer Internetseite dazu das britische Verteidigungsministerium: Es handele sich um die „größte Konzentration von See- und Luftmacht, die sich seit einer Generation vom Vereinigten Königreich aus auf den Weg gemacht“ habe. An Bord des britischen Flugzeugträgers befinden sich demnach unter anderem zehn Tarnkappen-Kampfflugzeuge vom Typ Lockheed Martin F-35B „Lightning II“ des US-Marinekorps. Auch ein US-Zerstörer und eine niederländische Fregatte zählen zur Trägerkampfgruppe. Außerdem dabei: Der britische Zerstörer „Defender“, der am 23. Juni im Schwarzen Meer vor der Krim eine Durchfahrt durch Territorialgewässer erzwingen wollte und von russischen Streitkräften mit Warnschüssen und Bombenabwürfen vertrieben wurde.

Der Verband um „HMS Queen Elizabeth“ soll sich im Herbst wieder auf den Rückweg machen, aber: Zwei britische Kriegsschiffe werden laut „Guardian“ vom 30. Juli dann „permanent der Region zugeordnet“ bleiben.

Nichts Besonderes, militärische Spielchen einer Möchtegerngroßmacht? US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sieht das offenbar anders. Er hielt am 27. Juli in Singapur eine Grundsatzrede, in der er eine strategische „Vision für das 21. Jahrhundert“ entwickelte. Ihr Kernpunkt: „integrierte Abschreckung“. In diesem Zusammenhang nannte er die Verlegung der britischen Seekampfgruppe „historisch“. Fast zur selben Zeit, in der sich Austin in Singapur, Vietnam und auf den Philippinen aufhielt, durchfuhr der US-Lenkwaffenzerstörer „USS Benfold“ die Taiwan-Straße zwischen Süd- und Ostchinesischem Meer. Es war die siebte Passage eines US-Kriegsschiffes zwischen der Volksrepublik China und Taiwan in diesem Jahr. Gleichzeitig findet in diesen Wochen eine Vielzahl US-geführter, gegen China gerichteter Kriegsmanöver im Pazifik statt.

Diese Bündelung von Brandstifteraktionen verlangte nach einer verbalen Zusammenfassung. Die lieferte einen Tag nach Austins Rede in Singapur US-Präsident Joseph Biden in Washington vor der „Community“ der US-Geheimdienste mit einer Weltkriegsdrohung: „Ich denke, es ist mehr als wahrscheinlich, dass, wenn wir in einem Krieg enden werden – einem echten Krieg mit einer Großmacht –, es Folge eines Cyberangriffs von großer Tragweite ist, und die Wahrscheinlichkeit nimmt exponentiell zu.“ Gesagt, getan: Nur einen Tag darauf zog der philippinische Präsident Rodrigo Duterte nach einem nächtlichen Gespräch mit Austin seine Aufkündigung des Militärabkommens mit den USA zurück. Das sogenannte Visiting Forces Agreement (VFA) sei wieder „in vollem Umfang in Kraft“, verkündete Austins Amtskollege Delfin Lorenzana auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Vor dem Hintergrund dieser bewussten Eskalation nimmt sich die Fahrt der deutschen Fregatte „Bayern“ (Baujahr 1996) in den Indischen und Pazifischen Ozean wie ein überflüssiges Beiwerk aus. Laut „Spiegel“ war eine deutsche Kanonenboot-Tour dorthin schon 2020 geplant, kam aber wegen Pandemie, Mangel an einsatzbereiten Kriegsschiffen, vor allem aber wegen Vorbehalten Angela Merkels nicht zustande. Sie habe für September 2020 in Leipzig einen EU-China-Gipfel geplant: „Ein deutsches Kriegsschiff, das zu diesem Zeitpunkt im Südchinesischen Meer kreuzen würde, schien ihr nicht opportun zu sein.“ Nun wird die „Bayern“, die jede Teilnahme an den britischen und US-Manövern vor China vermeiden soll, Ende Februar 2022 voraussichtlich erst nach dem Ende von Merkels Amtszeit zurückkehren. Die „Bayern“-Reise ist gewissermaßen die erste außen- und militärpolitische Aktion des deutschen Imperialismus der Nach-Merkel-Zeit. Diejenigen, die unbedingt an den Kriegsprovokationen der Verbündeten teilhaben wollen – im jetzigen Kabinett repräsentiert vor allem durch Außenminister Heiko Maas und Kriegsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer –, haben ihr Ziel erreicht. Entsprechend laut fiel der Rummel aller deutschen Kriegsmedien aus, als die „Bayern“ am Montag von Wilhelmshaven aus in See stach.

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"Im Provokationsfieber", UZ vom 6. August 2021



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