Es ist kein weiter Weg, um in das Land der Pyramiden zu gelangen. Im Mansfelder Land erheben sich Pyramiden vielerorts in die Landschaft. Es sind Abraumhalden, die an die große Zeit des Kupferschiefer-Bergbaus erinnern, der über Jahrhunderte diese Region im südlichen Sachsen-Anhalt prägte. Besondere Aufmerksamkeit erhielt dieser Landstrich erst vor wenigen Jahren, als 2017 das Martin-Luther-Jubiläum gefeiert wurde, denn Luther war ein „mansfeldisch Kind“, wie er selbst sagte.
Wir möchten aber vielmehr auf Thomas Müntzer blicken, der ebenfalls hier seine Wirkungsstätte hatte. Anlass ist das nahende Gedenkjahr 2025. Zu erinnern ist dann daran, dass 1525 der Bauernkrieg stattfand, der bei Bad Frankenhausen mit einer Niederlage des Bauernheeres unter der Führung Thomas Müntzers endete. Damit verbunden ist seine Hinrichtung nahe Mühlhausen im Eichsfeld.
Geplant ist, dass der Freistaat Thüringen 2025 den 500. Jahrestag des Bauernkrieges mit einer Landesausstellung in Mühlhausen begehen wird. Die diesjährige Tagung zur Landesgeschichte Ende September war bereits dem Bauernkrieg gewidmet. Und auch in Allstedt in Sachsen-Anhalt möchte man mit Unterstützung des Landes 2024/2025 eine große Landesausstellung „500 Jahre Bauernkrieg“ auf Burg und Schloss Allstedt zeigen. Ein Antrag der Landtagsfraktion der Partei „Die Linke“ schlägt eine gemeinsame Zweiländerausstellung mit den Thüringer Nachbarn vor.
Wer aber schon jetzt auf Thomas Müntzers Spuren wandern möchte, kann das an vielen Orten tun. Wir beginnen mit dem Thomas-Müntzer-Weg in Allstedt, wo Müntzer in seinen letzten Lebensjahren als Prediger tätig war. Der Weg führt hinauf zu Burg und Schloss, wo eine ständige Müntzer-Ausstellung gezeigt wird. Eine erste Ausstellung wurde in Allstedt bereits 1975 eingerichtet aus Anlass des 450-jährigen Bauernkriegsgedenkens und des 450. Todestages Thomas Müntzers. 1989 wurde sie komplett umgestaltet. Ende 2014 folgte eine neu eröffnete Dauerausstellung „1523 – Thomas Müntzer. Ein Knecht Gottes“, die auch aktuell noch zu sehen ist. Allstedt ist für Müntzers Wirken von großer Bedeutung. Hier gestaltete er den Gottesdienst neu und hielt den ersten Gottesdienst in deutscher Sprache. „Die ‚deutsche Messe‘ hatte durchschlagenden Erfolg“, heißt es in dem Buch „Reisen zu Müntzer“ (1989). „Sie fand nicht nur in Müntzers eigener Gemeinde sofort Anklang, sondern zog auch immer größere Menschenscharen aus den an Allstedt angrenzenden Gebieten an, was zwangsläufig den Konflikt mit den katholischen Landesherren heraufbeschwor. Graf Ernst von Mansfeld untersagte bereits im Sommer 1523 seinen Untertanen den Besuch der Allstedter Kirche.“ Der Konflikt verstärkte sich stetig. Am 13. Juli 1524 hielt Müntzer auf Burg und Schloss Allstedt vor Herzog Johann und weiteren Personen eine Predigt, die sogenannte Fürstenpredigt. Er sprach zu ihnen über den Niedergang der Weltreiche und forderte die Fürsten auf, mit gutem Beispiel voranzugehen bei der Erneuerung der Christenheit. „Nur wenige Tage nach der Fürstenpredigt musste Müntzer erneut die bittere Erfahrung machen, dass weder Kurfürst Friedrich noch Herzog Johann bereit waren, die ihnen zugedachte Aufgabe zu übernehmen.“ (Reisen zu Müntzer)
Müntzers Lehre berührte nicht nur rein religiöse Fragen. „Müntzer glaubte an das Herannahen des Tausendjährigen Reiches, in dem die Hohen erniedrigt, die Niedrigen aber erhöht würden“, erläutert Prof. Dr. Alfred Meusel, „nicht im Jenseits oder nach dem Hereinbrechen des Jüngsten Gerichts, sondern hier auf Erden.“ Mit dem Gedanken, dass das Bündnis zwischen Bauern und Plebejern für den Sieg der gerechten Sache notwendig ist, sei Müntzer seiner Zeit weit vorausgeeilt, so Meusel. Als Führer im Bauernkrieg sei Müntzer zudem einer der wenigen gewesen, die frei von einer Lokalborniertheit auf die eigene Region gewesen seien. „Müntzer war sich von vornherein darüber im Klaren, dass eine auf Mühlhausen und Umgebung beschränkte Revolution ein Ding der Unmöglichkeit war.“
Als 1975 in der DDR der 450. Jahrestag gefeiert wurde, erinnerte der Allstedter Bürgermeister Groll an den deutschen Bauernkrieg als „eine der größten Klassenschlachten im Zeitalter des Feudalismus und in der Geschichte des deutschen Volkes … Der Bauernkrieg und das Wirken Müntzers wurden zum Höhepunkt der ersten frühen bürgerlichen Revolution.“ 1975 wurde auch noch von „revolutionären Traditionen“ gesprochen, die die Allstedter Bürger zum Beispiel durch eigene Müntzer-Festspiele pflegten. Doch davon dürfte man im künftigen Gedenken im Jahr 2025 sicherlich Abstand nehmen.
Wir wandern oder fahren nun den Schlachtberg in Bad Frankenhausen hinauf, auf dem sich das Panoramamuseum befindet, das zu DDR-Zeiten konzipiert und gebaut wurde. Werner Tübke schuf dieses Monumentalgemälde „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“. Das Werk bietet Einblicke in Zeitereignisse, Personen, Werke und Ideen der Reformation und des Bauernkrieges sowie in die Gedankenwelt der Menschen der damaligen Zeit und in die gesellschaftlichen Verhältnisse. Das Panoramamuseum befindet sich an historischer Stelle; dort auf dem Schlachtberg wurde 1525 das Bauernheer von den Fürsten geschlagen.
Fahren wir weiter nach Mühlhausen, denn auch hier war Müntzer tätig. Die Stadt wurde 1975 in Würdigung ihrer Verdienste um die Pflege des revolutionären Erbes des deutschen Bauernkrieges mit dem Ehrennamen „Thomas-Müntzer-Stadt“ ausgezeichnet. 1991 wurde diese Würdigung von der neuen Stadtvertretung wieder zurückgenommen. Immerhin ist das Andenken an Müntzer durch Ausstellungen in St. Marien und der Kornmarktkirche noch allgegenwärtig. Und Mühlhausen ist Sitz der Thomas-Müntzer-Gesellschaft, die im Jahr 2001 gegründet wurde.
Wir haben nur einen kurzen Streifzug unternommen. Reisen zu Müntzer sind von A bis Z, von Allstedt bis Zwickau, möglich. Vielleicht führt der Weg dabei nach Stolberg im Harz, wo er geboren wurde, oder nach Heldrungen, wo Müntzer nach der Niederlage des Bauerheeres gefoltert wurde, bevor die Herrschenden ihn bei Mühlhausen hinrichten ließen.