Zu Donald Trumps Sicherheitsstrategie

Im Abstiegskampf

Von Klaus Wagener

Kohärenz scheint nicht die Stärke von Donald Trump. Hatte er noch im Wahlkampf die VR China des „größten Diebstahls der Geschichte“ bezichtigt und verkündete, man könne „nicht dulden, dass China unser Land weiter vergewaltigt“, so klang der US-Präsident im November bei seinem Besuch in der Volksrepublik geradezu weichgespült. Plötzlich wurde aus dem „Vergewaltiger“, Präsident Xi Jinping, ein „außerordentlicher Mann“, für den er „unglaublich herzliche Gefühle“ hege. Schuld waren nun die „früheren US-Regierungen“, welche das katastrophale Außenhandelsdefizit hatten außer Kontrolle geraten lassen.

Nun, am 18. Dezember, bei der Vorstellung der National Security Strategy (NSS), war es mit den „unglaublich herzlichen Gefühlen“ wieder zu Ende. China und Russland wurden wieder zu rivalisierenden Mächten, welche die Stärke der USA herausfordern, ihre Interessen, ihren Einfluss. Strategische Gegenspieler, welche das Wohlergehen und die Sicherheit der USA, „Amerikas“, erodieren und die US-Führerschaft in der Welt in Frage stellen.

Wobei der Begriff „Sicherheit“ selbstredend einen Euphemismus für globale Vorherrschaft darstellt. Seit mehr als 200 Jahren hat niemand eine ernstzunehmende Invasion auf das US-Festland unternommen und es ist auch niemand in Sicht, der das versuchen könnte. Dagegen hat das Imperium in diesem Zeitraum mithilfe von etwa 224 Militär- und Geheimdienstinterventionen im Ausland seine globale Macht aufgebaut. Eine Macht, die sich seit 2001 im permanenten Kriegszustand befindet und mit einem gigantischen Netz von rund 1 000 Stützpunkten, 10 Flugzeugträger-Kampfgruppen, 7 000 Atomsprengköpfen, Special-Forces-Einsätzen in 138 Staaten allein 2016 sowie einer systematischen Überwachung und Beeinflussung der gesamten globalen digitalen Kommunikation gesichert wird. Um nur einiges zu nennen.

An der schon langjährigen Stigmatisierung der VR China, Russlands und des Iran als einzudämmende Herausforderer hatte auch vor Trumps Rede zur neuen NSS niemand einen Zweifel. Wie schon ihren britischen Vorgängern war den US-Strategen seit Anfang des letzten Jahrhunderts klar, dass ihre Weltherrschaftsambitionen arge Probleme bekommen würden, wenn es nicht gelänge, die Mächte des eurasischen Kontinents an einer ökonomisch-militärischen Kooperation, schlimmer noch: imperialen Vereinigung zu hindern. Ex-Stratfor-Chef George Friedman hat diesen Gedanken denn auch mit bemerkenswerter Klarheit ausgesprochen. Hier darf von einer Konstanten der US-Geostrategie ausgegangen werden, ganz gleich wie der Zungenschlag der aktuellen Regierung aussieht.

Trumps aggressive Rhetorik und die Wortwahl seiner Sicherheitsstrategie sind Ausdruck sowohl seiner innenpolitischen Defensive als auch der Erosion der Hegemonie des Imperiums. Die NSS 2017 zeichnet ein düsteres Bild einer umfassenden, sich zusehends verschlimmernden Bedrohungslage. Einer „außerordentlich gefährlichen Welt“. Einer Herausforderung, der die vorherigen US-Regierungen nicht hinreichend gerecht geworden seien. Die katastrophalen Ergebnisse des rund 6 Billionen teuren „Global War on Terror“ (GWOT) und speziell der verloren gegangene Krieg gegen Syrien lassen grüßen. Die Trump-Regierung sieht sich in der Rolle des Reformators, der die alte Macht, den Einfluss und die strategische Rolle der USA wieder herstellt. Die NSS ist in gewisser Weise die Umsetzung des „America first!“ auf geostrategischer Ebene.

Neu und nicht ohne innere Logik ist die Einbeziehung der Ökonomie in die Sicherheitsstrategie. „Economic security is national security.“ Das Dokument widmet diesem Problem den zweiten seiner vier Abschnitte: „Amerikas Prosperität vorantreiben“. Und in der Tat, in seiner im Verhältnis zu den aufstrebenden Mächten relativen ökonomischen Schwächung liegt das zen­trale Problem des Imperiums. Die NSS beschreibt dies auf der Erscheinungsebene durchaus zutreffend und wenngleich es nicht zum politökonomischen Kern des Problems vordringt, dürfte hier der Hauptgrund für das anhaltenden Trump-Bashing liegen. Ein Land, das als unbegrenzt verschuldungsbereiter Konsument der letzten Instanz alles aufkauft, ist für Exportweltmeister unersetzlich. Für die US-Finanzindustrie allerdings ebenso wenig. Sie hat aus der „Globalisierung“, dem Siegeszug des internationalen Finanzkapitals, ungeheuere Profite gezogen. Hier mag sich niemand in die Suppe spucken lassen. Und genau dies ist auch der Grund, warum Trump, anders als bei der Rüstung, auf diesem Feld erfolglos bleiben dürfte. Steuergeschenke, ja bitte! Aber Investitionen in die marode Infrastruktur, in höhere Löhne, in Bildung, Gesundheit und Soziales? Zulasten unserer Profite? Ohne uns.

Seit Ronald Reagan musste sich das Imperium in zunehmendem Maße über Kredite finanzieren. Mittlerweile sind Schulden von mehr als 100 Prozent/BIP aufgelaufen. Seit fast 10 Jahren wird die Wirtschaft mit der Notenpresse am Laufen gehalten. „Amerikas Prosperität“ ist eine Sumpfblüte.

Mit plumper Kraftmeierei à la „America First!“ macht man sich nicht nur Freunde. Eleganter war es da schon, als noch die imperialen Kriege mit einem Friedensnobelpreis geadelt wurden. Barack Obama hat hier Maßstäbe gesetzt.

Das US-Imperium hat den ökonomischen Kampf gegen die „Herausforderer“ lange vor Trump verloren. Seine De-Industrialisierung, die verfallende Infrastruktur, die Desintegration seiner Gesellschaft sprechen Bände. Die brutalen Kriege um die Kontrolle von „Greater Middle East“, die Aufrüstung der islamistischen Halsabschneidertruppen haben ihr übriges getan. Die militärische Option erodierte die ökonomischen Potentiale zusätzlich. Der gesamte Repressions- und Überwachungsapparat kostet mehr als 1 Billion Dollar – p ro Jahr. Trotzdem hat das Imperium weder die Bildung der BRICS-Staaten noch der Shanghai Cooperation (SCO) verhindern können. Es wird auch den Verfall des Dollar als Leit-, Reserve- und Ölwährung nicht stoppen können.

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"Im Abstiegskampf", UZ vom 5. Januar 2018



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