Junge BAU Hamburg erinnert an getötete Kollegen

Ihre Mall, unser Grab

Zum Gedenken an die mindestens sechs beim Bau der Westfield-Mall im Hamburger Überseequartier gestorbenen Arbeiter und aus Protest gegen die Arbeitsbedingungen beim Bau des Luxus-Centers organisierte die Junge BAU Hamburg vergangene Woche Mahnwachen und eine Kundgebung vor dem Gebäudekomplex. Wir dokumentieren den Bericht der Gewerkschaftsjugend.

Letzte Woche Dienstag versammelten sich etwa 150 Arbeiter und Studierende vor einem mit Transparenten behangenen Baugerüst inmitten der Hamburger HafenCity. Der Grund: Das gegenüberliegende Einkaufszentrum der Superlative, das „Westfield“, feierte seine große Eröffnung. Es verzeichnet neben den mehr als 170 Geschäften und einem eigenen Kreuzfahrtterminal auch sechs Arbeitstote und viele weitere Unfälle. Um an die verstorbenen Kollegen zu erinnern, auf die menschenfeindlichen Zustände während des Baus aufmerksam zu machen und gegen die Vernachlässigung der Arbeitssicherheit zu protestieren, veranstaltete die IG BAU, allen voran die Junge BAU, den Tag über eine Mahnwache sowie eine Kundgebung.

Im Verlauf des Vormittags verteilten die Gewerkschafter Handzettel und führten etliche Gespräche mit Passanten, Angestellten verschiedener Läden des Westfield-Komplexes und Arbeitern der umliegenden Baustellen. Ein Bauarbeiter kam während seiner Pause zum Stand der IG BAU und sprach über die Arbeit vor Ort. Solche Zustände hätte er noch nie erlebt. Ob nach der Explosion auf einem Dach oder sogar nach dem Tod der fünf albanischen Arbeiter infolge eines Gerüsteinsturzes: Es musste immer unverzüglich weitergearbeitet werden und der Druck bezüglich der Fertigstellung wurde immer weiter erhöht. Darüber hinaus sagt er, dass einige Unfälle überhaupt nicht an die Öffentlichkeit gelangt waren.

Der Konsens bei den vor Ort geführten Gesprächen und Diskussionen war eindeutig: Die Verantwortlichen der Westfield-Mall müssen für die Nichteinhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen zur Rechenschaft gezogen, die Familien der Umgekommenen endlich entschädigt, die mafiaähnlichen Subunternehmerstrukturen auf dem Bau beendet und ein angemessener Gedenkort mit Denkmal muss errichtet werden. Die vom Westfield-Konzern installierte, kaum sichtbare Metallplakette auf einer Sitzbank inmitten der Kaufhausschlucht ist mehr ein Hohn als ein würdiges Denkmal.

Bei den von einem kleinen Baugerüst aus gehaltenen Redebeiträgen wurde auch klar: Alle Anwesenden kennen diese Zustände nur zu gut. Es sprachen Bauarbeiter, migrantische Arbeiter, Hafenarbeiter und Studierende der nahegelegenen Universität für Bau und der Stadtentwicklung (HCU). Während bei der Kundgebung also unwürdige Arbeitsbedingungen und menschenfeindliche Stadtplanung angeprangert wurden, zerschnitt der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zusammen mit dem Westfield-CEO in Anwesenheit von Aktionären, Prominenz und Presse das rote Seemannstau zur Eröffnung des neuen Glanzstücks des Stadtteils HafenCity.

Wie soll es nun weitergehen? In der Abschlussrede betonte ein junger Gewerkschafter: „Die Profiteure dieser Zustände werden uns keine Zugeständnisse machen. Also organisieren wir uns und kämpfen dagegen an. Wir als Gewerkschafter sagen klipp und klar, dass jeder Unfall und jeder Tote einer zu viel ist. Darum wollen wir gemeinsam mit vielen Gewerkschaftern und Werktätigen aus der Stadt den kommenden Workers’ Memorial Day nicht nur als einen Gedenktag an all unsere auf der Arbeit verletzten, erkrankten und verstorbenen Kolleginnen und Kollegen begehen, sondern wollen ihn auch zu einem Kampftag der Arbeiter für gute und sichere Arbeitsbedingungen machen! Arbeitssicherheit ist kein Privileg, sondern ein Grundrecht!“

Der Workers’ Memorial Day ist ein internationaler Gedenktag, der an die Arbeiterinnen und Arbeiter erinnert, die aufgrund von Arbeit getötet, verstümmelt beziehungsweise verletzt wurden oder erkrankt sind. Er findet jedes Jahr um den 28. April statt.

Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) verloren 2023 weltweit fast drei Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter ihr Leben durch ihre Lohnarbeit, weitere 395 Millionen erlitten Arbeitsunfälle.

Laut Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) ereigneten sich im Jahr 2023 auf Baustellen und im Bereich der baunahen Dienstleistungen in Deutschland insgesamt 96.153 meldepflichtige Arbeitsunfälle, 76 Beschäftigte sind bei einem Arbeitsunfall am Bau ums Leben gekommen.

Die IG BAU Hamburg begeht den Workers’ Memorial Day am Samstag, den 26. April, ab 13 Uhr auf dem St. Annenplatz in der HafenCity.

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"Ihre Mall, unser Grab", UZ vom 18. April 2025



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