Am Schluss war alles eitel Sonnenschein: Mit 98,04 Prozent der Stimmen billigten am 25. Juni die Lufthansa-Aktionäre das Rettungspaket, mit dem die Insolvenz des früheren Staatsunternehmens abgewendet werden soll. Auch Großaktionär Heinz Hermann Thiele, der bis fast zuletzt gegen den seiner Meinung nach zu großen Staatseinfluss opponiert hatte, lenkte ein und hob die Hand.
Damit bestätigt sich das, was Friedrich Engels, dessen 200. Geburtstag wir dieses Jahr feiern, als Ergebnis seines Nachdenkens über den Staat im Kapitalismus zu Papier gebracht hatte: Er schwebe nicht über den Klassen, sondern sei der geschäftsführende Ausschuss der jeweils herrschenden Klasse, der ideelle Gesamtkapitalist. Einzelne Kapitalisten, seien sie in ihrer Region oder Branche auch noch so mächtig und fühlten sich selbst wohlmöglich allmächtig, würden von ihm im Konfliktfall in die Schranken gewiesen werden. Das ist im Ergebnis des Kampfes um die Lufthansa auch hier der Fall. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ), brachte das so auf den Punkt: „Eine starke heimische Fluggesellschaft liegt im nationalen Interesse. Das hat mit Besonderheiten der Luftfahrt zu tun. Direktflüge von Deutschland in viele ferne Länder bleiben ausländischen Gesellschaften schon rechtlich verwehrt. Rivalen in der EU hätten kaum Interesse daran, in Frankfurt ein neues Drehkreuz aufzubauen, wenn ihre Heimatbasen nahe sind. Deutschland wäre ohne nationale Airline absehbar schlechter an den Rest der Welt angebunden – mit Folgen für die gesamte Wirtschaft.“
Die „Besonderheiten“ freilich beschränken sich nicht auf den Luftverkehr – sie würden sich schnell auch finden lassen beim Autobau, bei der Energieversorgung und erst recht bei der Rüstungsindustrie. In der Krise wächst die Rolle des Nationalstaates als Hüter bedrohter Einzelunternehmen auch in Konkurrenz zu anderen Staaten. Sie sind eben auch innerhalb der EU ganz offen „Rivalen“ und nur noch in den Sonntagsreden enge „Freunde“. Lasse sich retten, wer kann, ist zunehmend die Devise: Sogar 10 Milliarden Euro bekommt die Air France-KLM – vom niederländischen Staat 3,4 Milliarden an direkten Krediten und Garantien für Kredite von elf Banken. Den Rest steuert Frankreich bei – beide Länder sind bereits mit je 14 Prozent an „ihren“ Fliegern beteiligt und haben der Lufthansa insofern schon ein bisschen Stabilität voraus. Da mag die in Irland beheimatete Firma Ryanair noch so sehr toben und mit den europäischen Gerichten drohen: Imperialismus bedeutet eben, dass die Unternehmen aus den kleineren Ländern, die sich nicht auf einen mächtigen ideellen Gesamtkapitalisten stützen können, regelmäßig das Nachsehen haben.
Das Nachsehen haben aber auch andere innerhalb der Festungen, die sich in diesen Wochen immer mehr voneinander abschotten und gegeneinander ökonomisch aufrüsten: Zum einen werden die „für die gesamte Wirtschaft“ nicht ganz so unmittelbar zentralen Bereiche wie Kultur, Bildung und Gesundheit mit schönen Worten und bestenfalls Millionen statt Milliarden abgefunden. Zum anderen wird nun der Besen herausgeholt: Auf der Aktionärsversammlung stellte der Lufthansa-Vorstandsvorsitzende Carsten Spohr befriedigt fest, Gespräche mit der Pilotenvereinigung Cockpit liefen gut – von dort hatte es weitgehende Gehaltszugeständnisse gegeben, die allerdings auch auf einem sehr ordentlichen Gehaltsniveau dieser Berufsgruppe aufsetzen. Die Verhandlungen mit ver.di aber verliefen „enttäuschend“, stellte Spohr schmallippig fest.
ver.di aber vertritt vor allem das relativ schlecht bezahlte Bodenpersonal, das nicht mal so eben auf 1.000 Euro verzichten kann.
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob vielleicht die Zustimmung Thieles und anderer zum Gesamtpaket auch mit der Zusicherung Spohrs erkauft worden ist, mit den Gewerkschaften rigider umzugehen, als das vor den Showdown-Gesprächen der letzten Woche ursprünglich zugesichert worden war.