Seit etwa zwei Wochen berichten große Schweizer Zeitungen über einen Skandal, der in den deutschen Medien bislang keine Rolle spielt. Es geht um nebulöse Waffengeschäfte, einen Rüstungsbetrieb in Neubrandenburg und um diplomatische Verwerfungen zwischen der Bundesrepublik und der Schweiz.
Alles begann Ende März, als die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) Bilder von Panzerwagen des Typs „Eagle I“ veröffentlichte, die offenbar im Ukraine-Krieg eingesetzt wurden. Die abgebildeten Eagles wurden in den 1990er Jahren vom Schweizer Rüstungsunternehmen Mowag gebaut, wie die „NZZ“ berichtete. Auf einem der gepanzerten Geländefahrzeuge befand sich das Logo der Gruppe Ulf, einer Sanitätseinheit aus dem Umfeld des faschistischen Rechten Sektors. Die eidgenössischen Behörden waren angesichts des Auftauchens von Schweizer Kriegsmaterial in der Ukraine alarmiert und beteuerten, den Export weder veranlasst noch genehmigt zu haben. Letzteres wäre auch dann notwendig, wenn Kriegsgerät aus Schweizer Produktion von anderen Ländern weitergegeben oder verkauft würde.
In der Schweiz wird derzeit heftig über die militärische Neutralität des Landes diskutiert. Gegner des aktuellen Kurses fordern Waffenlieferungen und leichtere Ausfuhrgenehmigungen für die Produkte der eidgenössischen Rüstungsindustrie. Auch die deutsche Regierung hatte wiederholt ihren Unmut bekundet, nachdem ihr die Weitergabe von Munition aus der Schweiz an die Ukraine untersagt worden war. Die Bilder von den Mowag-Eagles im Kriegseinsatz führten daher zu zahlreichen Spekulationen und lösten umfangreiche Nachforschungen aus.
Schweizer Journalisten gelang es, den Weg der Panzerwagen zurückzuverfolgen. Fahrzeuge mit den gleichen Konfigurationen waren ab dem Jahr 1997 von der dänischen Armee in Jugoslawien eingesetzt worden. Im Jahr 2013 wurden 27 Eagles aus dänischen Beständen an die FWW Fahrzeugwerke in Neubrandenburg verkauft und gelangten so in den Besitz des damaligen Eigentümers Thomas Bockhold. Bockhold ist ein ehemaliger Bundeswehroffizier, Waffenhändler und Unternehmer. Außerdem ist er als Honorarkonsul von Papua-Neuguinea tätig, also nicht völlig frei von diplomatischen Grundkenntnissen.
Ende letzter Woche gab Bockhold die Lieferung der Eagles zu. „Ich will in meinem Alter keinen Ärger und habe alles mit den Behörden abgestimmt“, erklärte der 64-Jährige gegenüber der „NZZ“. Gemeint sind die deutschen Behörden, die den Export der Panzerwagen laut Bockhold genehmigt hätten. Seinen Ausführungen zufolge wurden die Geschütztürme entfernt und die Panzerglasscheiben ausgetauscht. Dem Waffenhändler sei die „Demilitarisierung“ bescheinigt worden. Allerdings gelten die schweren Fahrzeuge nach Schweizer Recht weiterhin als Kriegswaffen. Vor dem Export hätte eine Erlaubnis aus Bern eingeholt werden müssen. Auf Nachfrage der dänischen Tageszeitung „Jyllands Posten“, die den Fall ebenfalls untersucht, sagte Bockhold: „Sie müssen die deutsche Regierung fragen. (…) Es handelt sich um eine Angelegenheit zwischen Deutschland und der Schweiz, welche die zwei Länder klären müssen.“ Den Vorwurf, illegal gehandelt zu haben, wies er zurück.
Das deutsche Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle erklärte, sich nicht zu einzelnen Exportgenehmigungen zu äußern. Auf einer von der Bundesregierung vorgelegten Liste mit Waffenexporten an die Ukraine waren die Eagles nicht aufgeführt. Ob den diplomatischen Verstimmungen auch Sanktionen folgen, steht noch nicht fest. Das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) befindet sich im Austausch mit den deutschen Behörden. Denkbar wäre, dass Bockhold zukünftig vom Handel mit Schweizer Rüstungsgütern ausgeschlossen werden könnte. Gegenüber „Jyllands Posten“ ließ der Waffenhändler anklingen, dass er nicht allzu viel übrig hat für die zurückhaltende Exportpolitik der Eidgenossen: „Die Schweiz verhält sich in dieser Situation unmöglich“, sagte er mit Blick auf den Kurs der Berner Regierung im Ukraine-Krieg.