Wer war B. Traven? Revolutionär und Schriftsteller – zu seinem 50. Todestag

„Ich war einfacher Deckarbeiter, ganz schlichter Arbeiter“

Von Rüdiger Bernhardt

Nach dem Tod B. Travens am 26. März 1969 wurde seine Urne im indigen geprägten mexikanischen Bundesstaat Chiapas beigesetzt; eine Steinbüste des Schriftstellers von dem Bildhauer Federico Canessi, einem Freund Travens, steht auf einem roten Ziegelsockel. Das alles hat symbolische Bedeutung für Geheimnis und Bedeutung des Schriftstellers: das Pseudonym B. Traven, dessen Herkunft und Identität bis heute umstritten sind, seine Romane, von denen einige wie „Rebellion der Gehenkten“ (1936) und „Ein General kommt aus dem Dschungel“ (1940) den Kampf der indigenen Völker beschreiben, die roten Ziegel schließlich weisen auf die Zeitschrift „Der Ziegelbrenner“ (1917–1921) hin, die Ret Marut, das war das Pseudonym vor dem Pseudonym Traven, in loser Folge herausgab, eine Zeitschrift, die mit Karl Kraus‘ „Die Fackel“ und Franz Pfemferts „Aktion“ verglichen wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg kämpfte die Zeitschrift gegen den Verrat an der Revolution. Eine Prämisse Ret Maruts im „Ziegelbrenner“, veröffentlicht am 15. Januar 1919, war auch der Grundsatz des Schriftstellers Traven: „Die Idee, dass der Mensch mehr wert ist als der Staat, darf nicht verlorengehen.“

Bis heute sind biografische Details Travens umstritten und reichen vom unehelichen Sohn Kaiser Wilhelms II. über den Gewerkschaftsfunktionär Otto Feige, Sohn eines Ziegeleiarbeiters, bis zu einem 1890 in Chicago geborenen US-Amerikaner, der 1950 als Traven Torsvan in Mexiko eingebürgert wurde. Nicht weniger als 27 Namen benutzte er. Als Ret Marut hat er sich selbst während seiner revolutionär-anarchistischen Zeit in der Münchner Räterepublik, als er Zensor in der Presseabteilung der Räterepublik war, das Versprechen gegeben, nichts über sein privates Leben kundzugeben und keine Fotos zuzulassen. Nicht seiner Biografie gedenken wir, sondern wir erinnern an einen bedeutenden sozialkritischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, dessen Themen der Entfremdung des Menschen und der kapitalistischen Vernichtungsstrategien, vor allem in der Natur, aktueller denn je sind.

Die Romane Travens sind, fast ausnahmslos, Bestseller – die Ausnahme ist der triviale letzte Roman „Aslan Norval“ (1960), bei dem umstritten ist, ob er von Traven stammt.

Der Roman „Das Totenschiff. Die Geschichte eines amerikanischen Seemanns“ nimmt eine Sonderstellung im Gesamtwerk ein. Erschienen als erster Roman Travens 1926 in der Büchergilde Gutenberg, entstanden 1923/24 in einem englischen Gefängnis kurz vor der Überfahrt nach Mexiko, ist der Roman ein herausragendes Beispiel für Travens Denken und Schreiben. Er beschreibt die vollständige Entfremdung eines Menschen, des amerikanischen Seemanns Gales – die Gestalt findet sich auch in anderen gesellschaftskritischen Werken des Autors –, der mit dem Verlust seiner Seemannskarte seinen letzten Nachweis der Individualität verliert, keinerlei Rechte mehr hat und schließlich auf einem Totenschiff anheuern muss, auf dem sich Staatenlose zusammenfinden. Erzählt wird von einem Seemann, der bekennt: „Ich war einfacher Deckarbeiter, ganz schlichter Arbeiter.“ Im Roman findet sich verschlüsselt Autobiografisches: Gales ist gebürtiger Amerikaner, wie Traven sich ausgab, aber er wird für einen Deutschen gehalten, was Traven war. Der Roman nutzte, wie wissenschaftliche Untersuchungen belegen, literarische Vorbilder, die dem Schicksal des Individuums und seinen sozialen Prägungen nachspüren. An Shakespeares „Hamlet“, Georg Büchners „Woyzeck“ und des Anarchisten Max Stirners „Der Einzige und sein Eigentum“ wird in Namen und Zitaten erinnert.

Es geht in Travens Romanen um Ausbeutung, um Armut, um Vernichtung von Kultur, um Naturzerstörung – das wird nüchtern und ohne sprachlichen Pomp in einer erbarmungslos-unerbittlichen Alltäglichkeit beschrieben. Ein herausragendes Beispiel dafür ist Travens „Die Brücke im Dschungel“ (1929). Traven wies in einem Brief an den Leiter der Büchergilde Gutenberg schon 1925 darauf hin, dass der Titel, gegen den es Einwände gab, „eine weitertragende Bedeutung als nur eine Verbindung mit dem Ort des Geschehens“ habe. Travens Romane, oft als Abenteuerliteratur klassifiziert, sind mehr als das: Es ist eine sachliche Enthüllungsliteratur der kapitalistischen Vernichtungspraxis. Brücken überwinden gemeinhin Trennungen, Grenzen und Gegensätze. Hier bringt die Brücke zwischen zwei Welten Vernichtung; Eine Ölfirma hat sie gebaut, die Material an die Arbeitsstätten bringen muss, um nach Öl zu bohren, angeblich erfolglos, dennoch das Land pachtet, um schließlich, wenn ihr alles gehört, die Welt der Ureinwohner zu zerstören. Mit einem Satz macht Traven das deutlich: Die Brücke „hatte keine Geländer. Das wäre auch eine ganz überflüssige Geldausgabe gewesen.“ Ein Geländer hätte den Indianern Schutz geboten, die zu Fuß über die Brücke gingen. Mehrfach im Roman „Das Totenschiff“ wird das Motto über dem Eingang zum Inferno, der Hölle „Lasst, die ihr eingeht, jede Hoffnung fahren“ aus Dantes „Göttlicher Komödie“ verwendet: am Ende des ersten Buches, am Beginn des zweiten (Inschrift über dem Mannschaftsquartier des Totenschiffes) und am Ende des Romans schließlich im Gegensatz aufgehoben „Wer hier eingeht, ist ledig aller Qualen!“, sagt der tote Partner von Gales, als ihn „der große Kapitän“ – Gott? – einlässt – ins Paradies? Traven wusste, nach den eigenen Erfahrungen, keine Lösung; das trug ihm Kritik ein. Seine sachlich kühle Analyse aber ist von bleibendem Wert.

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"„Ich war einfacher Deckarbeiter, ganz schlichter Arbeiter“", UZ vom 22. März 2019



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