Ich meinen Träumen bist Du Europacupsieger. Doch wenn ich aufwach‘, fällt es mir wieder ein: Es ist ja ganz anders als das Image des FC. St. Pauli so suggeriert. Der FC St. Pauli, der etwas andere Verein, mit cooler Astra-Werbung „Was dagegen?“! Auf jeden Fall mit einer sehr speziellen Fangemeinde. Doch in dieser Fanszene rumort es immer wieder kräftig, wenn die Vereinsführung mal wieder in die Kommerzialiserungskiste greift. Wir leben nun mal im Kapitalismus, dem kann sich ein Fußballverein, der im Profifußball mitmischen will, nicht entziehen. Irgendwie musste nun ja auch mal das schöne, alte, marode Millerntor aufgemöbelt werden, denn sonst hätte der FC. St Pauli seine Spiele auch an der Müllverbrennungsanlage spielen müssen. Das hätte ich nicht ertragen. Den Spott, den die HSV Fans, dann über uns ausgeschüttet hätten. Doch mit dem Neubau kamen auch die Business Seats auf der Haupttribüne, und die Separées mit Table Dance Girls. 2011 entwickelte sich auf Initiative der Sozialromantiker die Kampagne „Bring back St. Pauli“ mit dem Jolly Rouge als gemeinsames Symbol, dem schwarzen Totenkopf auf rotem Untergrund. Der normale Totenkopf der Ligapiraten war der Kommerzialisierung schon längst zum Opfer gefallen. Das Copyright liegt beim FC. St Pauli, nur mit Zustimmung des Vereins dürfen die Fanclubs den offiziellen Totenkopf benutzen, aber auf keinen Fall grafisch ändern. Beim ersten Heimspiel in der Rückrunde in der 1. Bundesliga 2012 erstrahlte das Stadion in Rot-Schwarz. Die Fanszene hatte ihre Macht demonstriert. Das andere St. Pauli lebte, die Magie war deutlich zu spüren.
Doch was ist denn diese Magie des FC St. Pauli? Auf einer Demo gegen die Kommerzialisierung sagte eine Rednerin, dass sie die Stimmung beim FC St. Pauli schön findet, weil Frauen hier dazugehören, weil sie nicht als Anhängsel oder in erster Linie als Lustobjekt gesehen werden, sondern als gleichberechtigte Fans. Wenn jetzt aber Table-Dancerinnen während des Spiels zu Lustobjekten gemacht werden, macht die Vereinsführung die Magie kaputt. Natürlich gibt es im Stadion auch Sexismus, aber es gibt eine Stimmung, die es möglich macht, dagegen vorzugehen. Unsere Fanszene ist eben nicht nur geprägt von männlichen Heterofans, sondern ihr Selbstverständnis ist antifaschistisch und antisextisch. Es gibt Kampagnen gegen Homophobie und die Fanszene beteiligt sich am linken Leben, wie z. B. gegen Schill, der als „Richter Gnadenlos“ Innenminister wurde.
Aus dem Umfeld des FC St Pauli können solche Projekte wie „Viva con Aqua“ entstehen. Als Idee während eines Trainingslagers des FC St. Pauli auf Cuba 2005 entstanden, unterstützt „Viva Con Aqua“ heute viele Projekte in aller Welt, die Menschen Zugang zu sauberem Wasser ermöglicht. Dafür wird auch teureres Wasser verkauft und damit Spenden requiriert.
Was aber ist denn heute aus den Fanprotesten geworden? Der Stadionbau geht weiter, die Kommerzialisierung geht weiter, der FC St. Pauli spielt immer noch meist durchschnittlichen Fußball. Der ganz normale Alltag! Im Übersteiger hieß es damals: „Das Sankt Pauli, das ich mir vorstelle, positioniert sich deutlich gegen Gentrifizierung im Stadtteil, ist bewusst kein einfacher Fußballverein. Hat während meiner Lebensspanne keine ausgelagerte Profi-GmbH. Und mindestens erlebe ich einen Spieltag, an dem ich als weißer Heteromann die Minderheit stelle. Gestern geht in meinem Hinterhof ein kleiner Junge mit seinem Vater an meinem schmuddeligen Jolly Rouge vorbei und sagt ‚guck mal Papa, Sankt Pauli‘. Die Magie wirkt schon – und wenn wir uns anstrengen, kommt sie wieder zurück.“ (Übersteiger 103, Fanzeitung)
Ich träum‘ von Dir, in meinen Träumen bist Du Europacupsieger, doch wenn ich aufwach‘, dann fällt‘s mir wieder ein, spielst ganz woanders … in Liga 2. Ich liebe Dich!
Die Aktivitäten der Fangemeinde sind ein Auf und Ab. Aber ich fühle mich wohl im Stadion, als Fußballfan, als Frau, als Kommunistin. Im ganz normalen Alltag im Kapitalismus! Es lohnt sich zu kämpfen gegen den Kommerz, denn es kann ihn geben, den guten Fußball im falschen!