Zehn Jahre alt ist meine Tochter (bald elf). Sie hat mein Leben nachhaltig beeinflusst, genauso wie zehn Jahre Krieg gegen Syrien.
Vor zehn Jahren wurde ich eingebürgert. Ich habe mich damals in Kiel einbürgern lassen, weil ich als Mitglied der DKP und der SDAJ Befürchtungen hatten, dass mein Einbürgerungsantrag in Niedersachsen wie im Falle meines Cousins Aram Ali wegen vermeintlicher Verfassungsfeindlichkeit abgelehnt wird oder das Verfahren lange andauert.
Zehn Jahre später bin ich Bundestagskandidat der kleinen Partei DKP und meine Haltung zum Krieg gegen Syrien ist Wahlkampfthema für die kleine Wählerschaft der DKP sowie Freunde und Bündnispartner.
Das mag natürlich absurd klingeln. Besonders die Tatsache, dass ich als Syro-Deutscher die deutsche Aggression gegen Syrien in den Mittelpunkt stelle. Aus deutscher Sicht ist der Krieg gegen Syrien ein kleiner Krieg. Deutschland stellt keine Truppen auf syrischem Boden, die beteiligte deutsche Luftwaffe bombardiert nicht selbst. Es sind ja nur „Aufklärungsflüge“ gegen den IS. Der Kriegseinsatz um und über Syrien ist finanzpolitisch nicht wirklich relevant.
Aus syrischen Perspektive kann es ähnlich klingeln. Die Gegner Syriens sind eher die Türkei, Saudi-Arabien, die USA, Frankreich und die Islamisten. Für andere Syrer sind die Gegner der Iran und Russland. Formal hätten beide Seiten noch Israel dazu genommen. Und für einige Syrer ist Deutschland ein großes Freund, der hunderttausende Flüchtlinge (In meiner politischen Werdegang als Flüchtlingsaktivist sowie bei der Aneignung der deutschen Sprache habe ich mir den Begriff Flüchtling angewöhnt und nicht Geflüchteter) aufgenommen habe.
Warum also bleibe ich bei meiner antideutschen Perspektive?
1. Ich beteilige mich nicht an der „Global Strategy“ der marginalisierten Linken und sehe unserer kleinen Einflussmöglichkeiten nur auf nationale Ebene. Frei nach Marx, es kommt darauf an die Welt (konkret) zu verändern. Eine Linke, die die Namen aller PKK-Ableger und Subgruppen benennen kann und nicht in der Lage ist, die Liste der deutscher Kriegseinsätze zu benennen, braucht kein Mensch. #takethisHennig
2. Aktuell hungern und verhungern Syrerinnen und Syrer aufgrund der Sanktionen. Die syrische Lira verliert massiv an Wert. Die Rente meiner Eltern beträgt inzwischen 6 bis 12 Euro. Damit können sie höchstens eine Runde Falafel für meine beiden Kinder ausgeben. Deutschland war das erste Land, das für die Sanktionen gegen Syrien eintrat. Sterbende Syrerinnen und Syrer können sich bei Merkel bedanken. Ntürlich trägt die syrischen Regierung für die Finanz- und Wirtschaftsmisere einen nicht zu vernachlässigenden Anteil der Verantwortung. Die Kritik an der syrische Regierung, an ihrer Wirtschaftspolitik kann nicht enden. Aber die Sanktionspolitik Deutschlands und der EU ist eine wesentlicher Hinderungsgrund für eine politische Lösung des Syrien-Krieges, und erst damit könnte der Wiederaufbau beginnen. Die Volksrepublik China wird wahrscheinlich erst mit einer politischen Lösung ihren freiwilligen und solidarischen Anteil am Wiederaufbau Syriens aufnehmen, womit sich die wirtschaftliche Lage für die Menschen ändern würde.
3. Deutsche Islamisten haben mit Wohlwissen der deutschen Geheimdienste ihre Mordwesen in Syrien getrieben. Bis heute hält die deutsche Regierung ihr Hand über die Besatzer und Islamisten in Ankara. Die Deutsche Regierung hält dort Millionen Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Lebensbedingungen und unter ideologischen, politischen und finanziellen Einfluss syrischer und türkischer Islamisten fest, was Tausende zu einem Tod im Mittelmeer treibt.
Dieses Treiben, das Festhalten der syrischen Flüchtlinge als politischen Druckinstrument gegen die Souveränität Syriens, dient weder den heiligen Menschenrechten noch dem Frieden in Syrien.
Merkels Politik der offenen Arme und des vermeintlichen Menschenrechtsverständnis war stets ein Teil der Kriegspolitik gegen Syrien, was sich auch in Programmen für die Ausbildung syrischer Flüchtlinge in der Bundeswehr und Good-Goverance-Studien erkennen lässt.
4. Diese Verbrechen Deutschlands gegen Syrien – Pläne zum Regime Change, deutsche Islamisten in Syrien, Sanktionen, strategische Unterordnung der Türkei als Drehscheibe der antisyrischen Kriegsführung, das Verhindern einer Friedenslösung, das Treiben mit den Flüchtlingen und vieles mehr – muss durch Entschädigungszahlung an die syrischen Bevölkerung bestraft werden.
Als syro-deutscher Kommunist stelle ich diese Forderung offensiv neben der nach der sofortigen Aufhebung der Sanktion gegen Syrien. Diese Forderung, die jeweils auch in anderen Ländern gestellt werden kann, kann die Syrerinnen und Syrer einen. Für die deutsche Arbeiterklasse bedeutet sie eine Verpflichtung, dass der deutsche Staat sich nicht in Angelegenheiten andere Staaten und Ländern einmischen darf. Doch ein imperialistischer deutscher Staat wird dies immer wieder tun, darum muss dieser Staat des deutschen Imperialismus gestürzt werden.
Meine Kinder sollen in einem friedensliebendem Land leben, das kann mit dem deutschen Imperialismus nicht verwirklicht werden. Es bedarf einer Revolution, eines sozialistischen Deutschlands.
Das ist das Programm der Deutschen Kommunistinnen und Kommunisten, so klein wir auch sind, unsere Ziele sind groß!