Andreas Koch kandidiert in Sachsen für die DKP zur Bundestagswahl

Ich möchte zeigen, dass es eine kommunistische Partei gibt

Karl Martin

In Sachsen tritt die DKP mit einer fünfköpfigen Landesliste zur Bundestagswahl an. Spitzenkandidat ist Andreas Koch aus Kamenz, Jahrgang 1958. Der gebürtige Dresdener arbeitet heute als Ingenieur in Kamenz, wo er auch kommunalpolitisch aktiv ist. Im Interview mit der UZ spricht er über die soziale Situation und die Probleme der Menschen in der Oberlausitz, sein Leben vor und nach der Konterrevolution und die Ziele, die er mit der Kandidatur seiner Partei verbindet. Ganz oben: Der Kampf um Frieden und Abrüstung muss so in den Mittelpunkt rücken, dass die Regierenden nicht mehr daran vorbei kommen.

UZ: Du lebst und arbeitest in Kamenz, einer Stadt in Ostsachsen. Wie würdest du die Region beschreiben?

20 12 13 Andreas Koch - Ich möchte zeigen, dass es eine kommunistische Partei gibt - Bundestagswahl, DKP - Hintergrund

Andreas Koch: Die Oberlausitz ist das Siedlungsgebiet der Sorben, sie reicht von Kamenz im Westen bis nach Görlitz im Osten. Dazwischen bestehen große Unterschiede, nicht nur zwischen Osten und Westen, sondern auch Norden und Süden. Es macht schon etwas aus, ob man im Landkreis Görlitz lebt, der sich als Band an der Grenze zu Tschechien und Polen entlang streckt, oder im Landkreis Bautzen, wozu Kamenz gehört.

Geprägt ist die Region davon, dass seit der Konterrevolution 1989/90 eine Masse an ehemaliger Industrie verschwunden ist oder sich verändert hat. Kaum noch vorhanden ist Textilindustrie, teilweise existiert noch ein kleinteiliger Maschinenbau. Im nördlichen Bereich, an der Grenze zu Brandenburg, gibt es noch Braunkohletagebaue für zwei Großkraftwerke. Aus geschlossenen Tagebauen entsteht eine riesige Seenkette. Ein gewisser Leuchtturm für Kamenz ist das Werk von Daimler-Benz, wo für den E-Smart und andere Modelle Akkus zusammengebaut werden. Auch Forschung wird in der Region betrieben. Die Industrie hat sich seit der „feindlichen Übernahme“ so weit umstrukturiert, dass es manchmal sogar ein Problem ist, geeignete Arbeitskräfte hierher zu bekommen.

Aber es gibt nicht die Anzahl der Arbeitsplätze, die vorher bestand. Wir haben hier einen enormen Bevölkerungsrückgang. Die Kernstadt besaß früher über 20.000 Einwohner. Durch Eingemeindungen kommen wir heute fast auf die gleiche Zahl, aber die Stadt Kamenz ist jetzt ein riesiges Territorium.
Das hat auch einen Abbau bürgerlich-parlamentarischer Rechte zur Folge, weil ehemals selbstständige Gemeinden und ihre Organe der Bürgervertretung zentralisiert wurden. Seit die Landkreise Kamenz und Bautzen 2008 zusammengeschlossen wurden, ist das Gebiet nahezu so groß wie das Saarland. Im Freistaat Bayern würde man nicht auf die Idee kommen, so große Landkreise zu bilden, aber hier hat man das baden-württembergische Modell übernommen. Offiziell spricht man von Entbürokratisierung und Strukturanpassung. Letzten Endes bewirkt das aber auch, dass man Menschen abgewöhnt, vor Entscheidungen gefragt zu werden und sich mit anderen auszutauschen.

UZ: Welche Sorgen haben Menschen, die dir in der Region begegnen?

Andreas Koch: Nach der Annexion der DDR kam es zu einem absoluten Bevölkerungs- und Geburtenrückgang und viele junge Qualifizierte sind in die alten Bundesländer gegangen. Dadurch sind Familien völlig auseinandergerissen worden. Selbst wenn manche heute zurückkommen, prognostiziert man, dass der Bevölkerungsrückgang in der Oberlausitz auch in den nächsten Jahren anhält.

Das zweite Problem ist die hohe Arbeitslosigkeit, die mit der Abwanderung eng verbunden ist. Viele haben ihr Glück in den alten Bundesländern gesucht, aber auch anderswo, zum Beispiel in Österreich. Obwohl die Wirtschaft wieder wächst, muss man deutlich sagen: Die Oberlausitz war und ist immer ein Niedriglohngebiet. Von einem in der sächsischen Statistik ausgewiesenen Durchschnittslohn von rund 3.200 Euro können viele nur träumen. Oft fahren Menschen zur Arbeit nach Dresden, selbst mit einer reichlichen Stunde Fahrzeit wird das hier als guter Job betrachtet.

In den letzten Jahren ist aber auch ein gewisser materieller Wohlstand entstanden. Dadurch steigt andererseits die Angst, diesen nun wieder zu verlieren. Es ist deshalb aus meiner Sicht kein Zufall, dass die Oberlausitz eine Hochburg der AfD ist.

UZ: Der Einfluss von Rechtspopulisten und Neonazis in der Region ist groß?

Andreas Koch: Es gibt hier wirklich stramme Strukturen. Besonders in Form der AfD ist es gelungen, eine andockfähige bürgerlich-reaktionäre Sammelbewegung aufzubauen. Hier herrschen nationalistische, mit Ausländerfeindlichkeit gepaarte Grundeinstellungen, die man allerdings irgendwie zu bemänteln versucht – wenn man mit einem einzelnen spricht, ist der natürlich nie ein Rassist, sondern will die Ausländer nur nicht hier haben, oder der ausländische Handwerker, der als Hilfsarbeiter für ihn arbeitet, ist willkommen, aber kein anderer.

Ich denke, das hängt zusammen mit dem Angstgefühl, den gewissen Lebensstandard wieder zu verlieren und ins Prekariat abzusinken. Man hat sich in einer kleinbürgerlichen Nische eingerichtet, merkt aber, dass die Welt sich weiterdreht und meint, hier eine Art geschlossene Gesellschaft schützen zu können unter Begriffen wie Heimatliebe, Liebe zur Familie oder Pflege von Traditionen. „Wir haben vom Kaiserreich bis zur DDR schon immer zusammengehalten und wenn wir jetzt weiter zusammenhalten, nehmen wir auch diese Hürde.“ Das ist die Grundstimmung. Dabei können all diese Dinge immer sowohl positive als auch negative Ausprägungen aufweisen. Es soll jeder seine Heimatliebe oder einen gewissen Stolz haben. Aber in welche Richtung das kippt, wenn es andere Menschen ausschließt und sich gegen humanistische Werte wendet, da fehlen einem manchmal in diesem Moment die Worte.

Vom Klassenstandpunkt braucht man da gar nicht erst zu reden. Auch linke politische Akteure haben sich in den letzten Jahren völlig von der Vermittlung eines klassenmäßigen Herangehens verabschiedet. In solchen ländlichen Gemeinden führt das dazu, dass die Leute versuchen, sich in ihrer kleinen Welt einzurichten.

UZ: Kamenz gilt als Lessing-Stadt, weil der berühmte Aufklärer hier geboren wurde.

Andreas Koch: Ja, das stimmt. Aber ich muss natürlich auch manche in Kamenz daran erinnern, dass Lessing die wenigste Zeit seines Lebens hier verbrachte. Er hat mit zwölf Jahren Kamenz verlassen und wurde an der damaligen Fürstenschule St. Afra in Meißen aufgenommen. Dort ließ er auch einige Sprüche über die Kamenzer ab, die er als sehr engstirnig und rückwärtsgewandt bezeichnete. An den Kamenzern selbst hat er kein gutes Haar gelassen.

Aber heute ist es besonders wichtig, an sein grundsätzliches humanistisches Herangehen zu erinnern. Wir haben hier das Lessing-Museum, das vom Bund gefördert wird, und dort arbeitet man auch wissenschaftlich. So besteht zukünftig noch besser die Möglichkeit, das humanistische Werk Lessings und einiger seiner Zeitgenossen international zugänglich zu machen.

Freilich handelt es sich dabei auch um den Versuch des Staates, sich ein humanistisches Mäntelchen überzuziehen. Auf der einen Seite fördert man das Lessingsche Andenken durchaus mit Programmen und beruft sich auf sein humanistisches Erbe. Aber wenn es konkret wird, führt man nicht den Dialog mit der Volksrepublik China oder mit Russland, sondern macht das ganze Gegenteil.

UZ: Du stammst nicht aus Kamenz?

Andreas Koch: Geboren und aufgewachsen bin ich in Dresden. Mein Vater stammt aus der Oberlausitz. In Kamenz habe ich als Schüler der Offiziersschule der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung „Franz Mehring“ drei Jahre studiert und bin dann 1988 wieder hierher zurückversetzt worden. Meine Kinder sind hier groß geworden. Meine Frau hat hier ihre Praxis als niedergelassene Frauenärztin. Das verbindet, auch weil ich mich gern mit der Natur und Geschichte befasse und mich kommunalpolitisch betätige.

UZ: Warum wolltest du Offizier der NVA werden?

Andreas Koch: Das war mir nicht in die Wiege gelegt. Wenn ich nicht Berufssoldat geworden wäre, hätte ich wahrscheinlich keinen Tag in der NVA gedient, weil ich eine leichte Körperbehinderung habe.
Aber durch mein großes Interesse an Geschichte und gesellschaftlicher Entwicklung bin ich sehr zeitig mit der Problematik Krieg und Frieden konfrontiert worden. Mein Schulweg in Dresden verlief von der heutigen Königsstraße, die damals Friedrich-Engels-Straße hieß, Richtung Neustädter Markthalle und dann zum Kleinen Haus, dem Staatstheater. Er führte über ein großes Gebiet, auf dem man zwar die Ruinen beseitigt hatte und das in den 1970er Jahren wieder bebaut wurde, aber 1964 sah man dort noch die alten Kellereingänge der zerbombten Häuser. Ihre Reste habe ich also auf meinem Schulweg tagtäglich gesehen und wahrscheinlich war das ein Grund, mich früh mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs intensiv zu beschäftigen.

Mein Vater und meine Mutter waren beide Arbeiter, mein Vater Zimmermann, meine Mutter Näherin. Sie waren weder politisch aktiv noch – vom FDGB abgesehen – organisiert. Eines wussten sie aber: Der Krieg nutzt nie einem arbeitenden Menschen – der muss nur den Kopf dafür hinhalten. Auch über „die Russen“, wie man damals umgangssprachlich sagte, ist nie ein böses Wort gefallen. Meine Eltern besaßen die humanistische Grundeinstellung und das Empfinden der kleinen Leute. Das haben sie mir tief in die Wiege gelegt.

Später bin ich zur Erweiterten Oberschule gegangen, gehörte zur Arbeiterklasse und war damit konfrontiert, dass immer viel über den Einsatz für den Frieden geredet wurde. Aber wenn es konkret wurde, haben viele gekniffen. Doch wenn ich einmal etwas als richtig erkannt hatte, dann habe ich auch Konsequenzen daraus gezogen und versucht, danach zu handeln. Deshalb habe ich es als meine Aufgabe gesehen, zur Armee zu gehen. Gleichzeitig interessierte ich mich für Technik und wusste, dass ich nicht für stundenlange Märsche geschaffen bin. So habe ich mich bei den Luftstreitkräften beworben und die Offiziersausbildung zum Flugzeugtechniker für Triebwerkzellen absolviert.

Für mich war ganz logisch, dass es sich dabei auch um eine politische Entscheidung handelte. Ich bin als junger Offizier aufgetreten und habe oft gesagt: „Ich bin Soldat und Offizier, damit es das Militär einmal überhaupt nicht mehr geben muss.“

UZ: Und wo sind heute die vielen politisch geschulten Offiziere, die deine Kameraden oder Vorgesetzten waren und die angetreten sind, Sozialismus und Frieden zu verteidigen?

Andreas Koch: Das frage ich mich manchmal auch. Es ist schwer nachzuvollziehen, wie sich Menschen wandeln können. Natürlich musste sich jeder nach der Konterrevolution umorientieren und versuchen, wieder Boden unter die Füße zubekommen. Aber bei einer ganzen Reihe frage ich mich heute noch, wo das Denkvermögen geblieben ist.

Dass SED-Mitglieder, die sich auch als Kommunisten bezeichnet haben, es heute nicht mehr sind, kann ich in gewisser Weise nachvollziehen. Aber dass es heute Wandlungen gibt, die von der SED zur AfD reichen, kann ich nicht verstehen. Die DDR war eindeutig ein sozialistischer Staat, auch wenn der natürlich erst am Anfang stand. Es gab ideologisch-politische Grundsätze, es gab das gesellschaftliche Eigentum, es gab die führende Rolle der Partei – und dazu stehe ich heute nach wie vor. Wer das heute für die DDR infrage stellt, hat es wahrscheinlich auch damals nicht begriffen. Und wer meint, nun alles, was er dort gelernt hat – aber wahrscheinlich eben nur gelernt und nicht verstanden – über Bord werfen zu müssen, ist eigentlich arm dran.

Ich sehe aber auch, dass es noch eine ganze Reihe Genossen gibt – sei es von den Grenztruppen, der NVA, dem Ministerium für Staatssicherheit oder anderen Sicherheitsorganen –, die nach wie vor für ihre politischen Grundsätze einstehen. Natürlich ist das nur ein Bruchteil der damaligen Mannschaftsstärke.

UZ: Aber du bist Kommunist geblieben?

Andreas Koch: Im Privaten wie im Gesellschaftlichen hat mir meine materialistische marxistisch-leninistische Weltanschauung immer geholfen, auf die Fragen Antworten zu finden, wie ich unter diesen Bedingungen als Humanist für die Familie und für die Gesellschaft handeln kann. Sicher bleiben dabei auch Probleme offen, aber ich verstehe nicht, warum Menschen, die einmal das Gleiche gelernt haben wie ich, diese Methodik vergessen.

Oft hört man das Argument, der Kommunismus sei eine gute Idee, aber der Mensch dafür nicht geschaffen. Dann sage ich: Wenn es der Mensch nicht versucht, ist er dazu verdammt, unterzugehen. Der Kapitalismus, wie er sich jetzt aufgrund der ihm innewohnenden Gesetze entwickelt, erzeugt immer Konkurrenz und Herrschaft über andere. Das führt im Ex­tremfall zu Krieg und Naturzerstörung, und auch der Umgang mit der Pandemie zeigt eindeutig, dass sich in dieser Gesellschaft kein humanistisches Grundanliegen für alle verwirklichen lässt.

UZ: Wie hast du das Ende der DDR erlebt und was kam dann?

Andreas Koch: Zum Zeitpunkt der Konterrevolution habe ich mich – da ich mich auch als Berufssoldat weiterbilden wollte – im Fernstudium mit Militärgeschichte beschäftigt. Das Grundstudium fand an der Humboldt-Universität statt und im Sommer 1989 sollte es in Potsdam am Militärhistorischen Institut fortgeführt werden. So war ich damals gelegentlich in Berlin. Ich muss sagen, im Rückblick ging alles rasend schnell. Ich habe die Bilder im Fernsehen gesehen, die Jubelschreie gehört und innerlich gedacht: Leute, wisst ihr, was ihr hier macht? Das war schon Wahnsinn.

Im Prinzip habe ich dann versucht, mich einzurichten, mich um meine weitere Ausbildung gekümmert und meine Frau unterstützt. Mit viel Eigenleistung konnten wir eine Praxis einrichten und ich habe die Kinderbetreuung übernommen. Weil mein Abschluss der Offiziershochschule in der Bundesrepublik nicht anerkannt wurde und weil mich Arbeitsabläufe und -prozesse interessieren, belegte ich später an der TU Dresden den Studiengang Arbeitsgestaltung und schloss das Studium als Diplomingenieur für Maschinenbau ab.

Während des Studiums lernte ich in einem Praktikum meinen jetzigen Chef kennen, und so arbeite ich seitdem als sogenannte „externe Sicherheitsfachkraft“. Das heißt, ich gehe in Betriebe und berate Unternehmen auf dem Gebiet des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Das mache ich bis heute und auch sehr gern, denn mir gefällt die Verbindung der Arbeit mit Menschen und Technik. Aber auch hier erkennt man in den letzten 20 Jahren eine Entwicklung: Anfangs hat man in den Betrieben noch politisch diskutiert, heute diskutiert fast keiner mehr.

UZ: Und später wurdest du Mitglied der DKP?

Andreas Koch: Wenn ich mich richtig erinnere, war es 2006. Das war eine bewusste Entscheidung. In den 1990er Jahren bin ich aus der PDS ausgetreten. Damals habe ich mehr gefühlsmäßig mitbekommen, dass es einen schleichenden Prozess der Sozialdemokratisierung gab. Im Nachhinein betrachtet, hat dieser schon in der DDR begonnen – aber das kann ich nur aus dem historischen Abstand so beurteilen. Mitte der 90er Jahre war ich kommunalpolitisch tätig, nachdem ich von ehemaligen Genossen angesprochen wurde, und war für die Linke beratender Bürger in einem Ausschuss des Kamenzer Stadtrats, später auch jahrelang Stadtrat in der Fraktion „Die Linke“.

Ungefähr ab 2000 zeigte sich deutlicher, wohin sich die Linkspartei entwickelt. Und nachdem sich meine berufliche Situation geklärt hatte, wollte ich wieder organisiert sein – aber in einer Partei, die bewusst antikapitalistisch, also marxistisch-leninistisch ist und in der das nicht nur auf der Fahne steht, sondern auch in ihrem praktischen Handeln zum Ausdruck kommt. Das war auf alle Fälle nicht die „Linke“.

Auch die „junge Welt“ war ein guter Begleiter, sich zu orientieren. So habe ich überlegt und mich für die DKP entschieden. Damals gab es noch eine kleine Gruppe in Hoyerswerda, und so bunt dieser Haufen auch gewesen ist: Wichtig war, dass man Menschen um sich hatte, die versuchten, Grundwerte zu vertreten und den Marxismus-Leninismus nicht als Buchstabengelehrsamkeit, sondern als Methodik anzuwenden.

UZ: Der Stadtrat Kamenz führt dich aktuell als „sachkundigen Einwohner“ im „Finanz- und Wirtschaftsförderungsausschuss“.

Andreas Koch: Im Stadtrat war ich schon mehrere Jahre lang, kurz sogar Fraktionsvorsitzender. Bei den letzten Wahlen hat es aber fast eine Halbierung der Sitze der Linkspartei gegeben, und aus verschiedenen nachvollziehbaren Gründen stand ich in der Liste nicht auf einem der vorderen Plätze. Dadurch bin nicht wieder in den Stadtrat gelangt. Die Fraktion hat mich aber gefragt, ob ich als beratender Bürger mitarbeiten würde. In dieser Funktion besitzt man im jeweiligen Ausschuss Rederecht und darf an geschlossenen Sitzungen teilnehmen, hat aber kein Stimmrecht und ist kein Mitglied des Stadtrats. Dem habe ich zugestimmt.

UZ: Ist bekannt, dass du Mitglied der DKP bist?

Andreas Koch: Das ist bekannt. Aber viele nehmen das gar nicht besonders wahr. Gerade in der Kommunalpolitik wird viel über Sachthemen gesprochen. Das nimmt einen, wenn man beruflich tätig ist, nicht nur sehr in Anspruch, auch politische Diskussionen kommen an dieser Stelle viel zu kurz. Dafür ist oft gar nicht die Zeit.

Manchmal bemerke ich, dass Genossen, die meiner Entscheidung, der DKP beizutreten, früher distanzierter gegenüberstanden, heute anders darüber denken. Sie signalisieren mir, dass sie mich besser verstehen und sich selbst nicht wohl fühlen, sind aber in einem Alter, in dem man sich nicht mehr verändern kann, oder als Berufstätige stark eingebunden. Sie scheuen das öffentliche Bekenntnis.

UZ: Du bist auch Vorstandsmitglied der Gedenkstätte KZ-Außenlager Kamenz-Herrental.

Andreas Koch: Ende der 90er Jahre haben ehemalige Genossen und kirchliche Kreise eine Initiative und etwas später auch einen Förderverein gegründet, um eine würdige Gedenkstätte zu entwickeln. Schon zu DDR-Zeiten gab es dort eine Gedenktafel und 2011 wurde die Gedenkstätte eingeweiht.

Auch wenn der Zweck des Fördervereins damit erfüllt war, hielten wir es für ein schlechtes Zeichen, den Verein aufzulösen, und arbeiten weiter an der Ausgestaltung und Nutzung des Ortes. Demnächst wollen wir Informationstafeln gestalten, die den geschichtlichen Hintergrund noch besser vermitteln. Zurzeit sind dort die Namen der im KZ-Außenlager zu Tode gekommenen Häftlinge aufgeführt und einige Daten über den Rüstungsbetrieb, der Daimler-Benz gehörte und Flugzeugmotoren produzierte. Das war zwar kein Vernichtungs-, aber ein Arbeitslager mit einem großen Industriegebäude, in dem systematische Ausbeutung betrieben wurde und man letztlich auch Menschen liquidiert hat. Es sind 182 Häftlinge aus ganz Europa nachweisbar zu Tode gekommen und es ist belegt, dass einige der Leichen in dem damals dort vorhandenen Kesselhaus verbrannt wurden.

Daran möchten wir erinnern oder auch versuchen, Kontakt zu Schulklassen aufzubauen. Denn das geschichtliche Wissen ist geprägt durch Massenmedien und es ist gerade heute bedeutsam zu erklären, wie es zum Beispiel zum Zweiten Weltkrieg kam, wie die Rüstungsindustrie in Deutschland organisiert war oder dass letztendlich ein großer Teil des Reichtums heutiger Großkonzerne aus der Ausbeutung von Zwangsarbeitern während des Faschismus stammt.

Man muss auch wissen: Kamenz war eine braune Stadt mit strammen NSDAP-Anhängern, ähnlich wie Dresden. Meine Generation – ich bin Jahrgang 1958 – kann sich das gar nicht mehr richtig vorstellen. Gerade die Häftlingskolonnen, die vom Lager in die einzelnen Betriebe geführt wurden, waren für jeden sichtbar. Dort haben die Begleitmannschaften zwar kontrolliert und die Fenster mussten geschlossen bleiben, aber es konnte eigentlich nach dem Krieg keiner sagen, er hätte es nicht gewusst. Es wurden nur wenige Fälle dokumentiert, in denen es Hilfe und Unterstützung gab. Das faschistische Regime hat da schon ganz stark funktioniert.

UZ: In diesem Jahr kandidierst du für die DKP in Sachsen zur Bundestagswahl?

Andreas Koch: Ja. Es ist wichtig, dass wir als Partei sichtbarer werden. Wir wollen uns an der bürgerlichen Demokratie zwar nicht „auf Teufel komm raus“ beteiligen, aber ihre Möglichkeiten im positiven Sinne nutzen. Weil dafür Kandidaten nötig sind, habe ich mich dazu bereiterklärt. Für viele, besonders jüngere Genossen, die noch im Berufsleben stehen, ist das oft sehr riskant.

Wir sind eine Kleinstpartei und unsere Ausstrahlung ist sehr gering. Aber wenn wir in Dresden Infostände durchführen und Menschen direkt ansprechen, können zumindest politisch einigermaßen Interessierte mit dem Namen DKP etwas anfangen. Daran möchte ich anknüpfen und den Menschen zeigen, dass es eine kommunistische Partei gibt und wofür sie eintritt.

UZ: Das heißt?

Andreas Koch: Die DKP will das jetzt bestehende Gesellschaftssystem verändern, an die Stelle des Kapitalismus den Sozialismus setzen. Wir gehen aber nicht davon aus, dass das über Wahlen gelingt. Eine grundsätzliche Veränderung kann auch nicht völlig losgelöst von internationalen Entwicklungen herbeigeführt werden. Überdies können sich viele Menschen eine grundsätzliche Änderung im Moment nicht vorstellen. Aber wissen wir denn, was in den nächsten fünf oder zehn Jahren passiert? Wenn wir mit den Menschen sprechen, merken wir: Viele machen sich Sorgen.

Uns muss es gelingen, den Kampf um Frieden und um Abrüstung so in den Mittelpunkt zu stellen, dass auch eine bürgerliche Regierung dem Rechnung tragen muss. Das sehe ich als einen zentralen Punkt. Und in diesem Kontext kann man auch gesellschaftliche Veränderungen darstellen.

Früher habe ich gesagt: Man sollte die DKP wählen, damit die „Linke“ wirklich links bleibt. Aber ich gehe langsam sogar von diesem Spruch weg. Wir sind die politische Partei, die sich konsequent für den Frieden, für die Überwindung des Kapitalismus einsetzt. Ohne dass ich leugne, dass es auch andere Kräfte gibt, die das möchten. Aber bei der Linkspartei dominiert eindeutig die Tendenz, regierungsfähig zu werden und zu meinen, wenn man in der Regierung sei, könne man die Probleme abwenden. Ich würde denen nicht unterstellen, dass sie sich nicht auch für Frieden einsetzen, aber den Automatismus, seine Ziele für die Regierungsbeteiligung aufzugeben, hat es schon mehrmals in der Geschichte gegeben. Wer diesen gordischen Knoten zerschlagen will, muss DKP wählen.

UZ: Wie beantwortet die DKP die Fragen der Menschen hinsichtlich ihrer Probleme und Sorgen?

Andreas Koch: Wir haben uns ein Krisenaktionsprogramm gegeben. Dessen Forderungen ließen sich schon im Rahmen des bestehenden Systems umsetzen.

Zum Beispiel: Schluss mit der Privatisierung des Gesundheitswesens. Es werden Krankenhäuser privatisiert oder geschlossen, das wird gerade unter Pandemiebedingungen deutlich. Auch in Kamenz ist die Altenpflege ein profitables Geschäft und zumindest Teile der Bildung werden privatisiert. Ein weiterer Bestandteil unseres Aktionsprogramms ist etwa die Forderung „Kampf um jeden Arbeitsplatz – 100 Prozent Lohnfortzahlung für alle Beschäftigten in Kurzarbeit“. Darüber hinaus stellt sich die Frage: Wie wird die wachsende Arbeitsproduktivität mit Veränderungen der Arbeitswelt verbunden? Hier gibt es, auch in Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, viele Eingriffsmöglichkeiten.

Unter Corona erleben wir gravierende Veränderungen in der Arbeitswelt, zum Beispiel mobiles Arbeiten oder Telearbeit. Hier gäbe es selbst innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft Möglichkeiten, Arbeit menschengerechter und sozialer zu gestalten, ohne dass der Kapitalismus abgeschafft wird. Aber auch das ist schon zu viel, weil es den Profit schmälert. Vielleicht würde auch ein wirklicher gesellschaftlicher Zusammenhalt dadurch befördert – doch genau das ist nicht gewollt, auch wenn viel davon erzählt wird.

UZ: Nun ist es unwahrscheinlich, dass die DKP die Wahl gewinnt. Was wäre ein Erfolg?

Andreas Koch: Schon dass wir in der Öffentlichkeit auftreten sehe ich als Erfolg. Dabei lernt man immer dazu. Wesentlich sind die Gespräche und die Aktionen, auch wenn sie durch Corona noch stärker eingeschränkt sind als durch den praktischen Alltag der Bundesrepublik und den permanenten Antikommunismus ohnehin.

Mein Enkel ist jetzt zweieinhalb Jahre alt. Wenn er mich mit 16 Jahren fragt und vielleicht politisch denkend und aktiv ist, möchte ich ihm antworten können, was wir heute politisch konkret gemacht haben. Ich engagiere mich natürlich für die Menschen und auch für mich persönlich, aber letztendlich auch für künftige Generationen. Nur wer handelt, kann eine Gesellschaft, die sich verändert, auch bewusst gestalten oder in bestimmte Richtungen wandeln.

UZ: Bist du zuversichtlich?

Andreas Koch: In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Realistisch muss ich sagen: Um an der Wahl teilnehmen zu dürfen, brauchen wir 2.000 Unterschriften. Daran werden wir auf alle Fälle scheitern, das schaffen wir nicht. Vielleicht wird die Zahl wegen der Corona-Beschränkungen heruntergesetzt – doch selbst das wird sehr hart. Aber das erdrückt mich nicht, und ich lasse mich nicht dadurch demotivieren. Es hat vor uns Generationen gegeben, die gerungen, gekämpft, geliebt und Niederlagen erlitten haben. Das sehe ich als Teil des Lebens. Und ich schöpfe Kraft aus den wenigen positiven Impulsen, die man manchmal aus der Umgebung bekommt. Während man mich früher in der Wohnsiedlung sogar einmal beschimpft hat, tut das heute keiner mehr, und es belächelt mich niemand.

Ich weiß: Das ist jetzt keine befriedigende Antwort und für viele andere auch keine Motivation. Aber wenn man es wirklich auf die philosophische Ebene bringt: Was macht den Menschen glücklich? Mich macht nur glücklich, wenn andere Menschen glücklich sind.

Die DKP braucht Unterstützung

Damit die DKP bei der Bundestagswahl 2021 kandidieren darf, benötigen wir Unterstützungsunterschriften für die Landeslisten. Diese undemokratische Hürde behindert kleinere Parteien grundsätzlich daran an Wahlen teilzunehmen. In Zeiten der Corona-Pandemie, mit Ausgangssprerren, Hygieneregeln und Verboten von Veranstaltungen und Infoständen macht die Sammlung von bis zu 2.000 Unterschriften in großen Bundesländern enorm schwierig. Bisher hat der Bundestag noch nicht entschieden, die Zahlen zu reduzieren, und macht es damit notwendig, dass wir weiterhin auf Unterstützungsunterschriften angewiesen sind.

Wer eine Partei, die konsequent für Frieden ist, gegen die Abwälzung der Krise auf die Werktätigen und für den Sozialismus ist, auf dem Wahlzettel sehen möchte, den bitten wir um Hilfe. Weiter Infos unter dkp.de/wahlen.

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"Ich möchte zeigen, dass es eine kommunistische Partei gibt", UZ vom 21. Mai 2021



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