Hasso Plattner herrscht über SAP

„Ich bin ein guter Diktator“

Von Richard Corell und Stephan Müller

Hasso Plattner gehört zu den zehn reichsten Deutschen und übt seine Macht offen aus. „Ich bin ein Diktator, aber ein guter Diktator“ sagt er und meint nicht nur sein Wirtschaftsimperium, den Softwarekonzern SAP. Nach dem  Börsenwert von etwa 100 Milliarden Euro ist die SAP SE der derzeit größte Konzern Deutschlands. Den kontrolliert Plattner als größter Einzelaktionär und Aufsichtsratschef mit harter Hand.

Seine Nachfolger im Vorstand hat er im Dutzend verschlissen außer seinem treuen Stellvertreter und Nachfolger als Vorstandschef bis 2009, Henning Kagermann. Seit 2009 ist Kagermann Präsident von Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, und leitet de facto das Regierungsprojekt „Industrie 4.0“. Dabei hat Plattners Mann nicht nur die Rolle des Wirtschaftsberaters der Bundeskanzlerin eingenommen. Er koordiniert über den „Steuerkreis“ des „Innovationsdialogs“ zwischen Bundesregierung, Wirtschaft und Wissenschaft die Leitkonzerne der Digitalisierung (außer SAP sind das Siemens, Bosch und die Deutsche Telekom) und bindet über SAP-dominierte Akademien den nichtmonopolistischen kapitalistischen „Mittelstand“  ein.  Seit er gar von der IG-Metall-Führung  in den Beirat „Zukunft der Arbeit“ berufen wurde, blinken bei erfahrenen Kollegen die „Agenda“-Warnlampen.

Hasso Plattner hatte 1972 als Assistent von Dietmar Hopp SAP mitgegründet. 1979 wurde er dort Cheftechniker und sieht sich auch heute noch so. Die SAP-Gründer kamen von IBM und arbeiteten von Anfang an eng mit Siemens zusammen, um sich gegen die US-Konkurrenz zu positionieren. Groß wurde SAP mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware von der Buchhaltung über Personal bis zur Produktion und Materialwirtschaft. Hopp und die anderen Mitgründer sind nicht mehr bei SAP aktiv.

SAP ist heute der viertgrößte Softwareanbieter weltweit, der größte außerhalb der USA. Außerhalb der Fachwelt wurde man 2006 auf SAP aufmerksam, als die IG-Metall-Kollegen dort einen Betriebsrat durchsetzten gegen viele Drohungen, auch mit  Abwanderung ins Ausland. Abgewandert ist SAP nicht, aber die bald monopolartige Marktbeherrschung und die entsprechend harte Gestaltung der Lizenz- und Wartungsverträge brachten so hohe Profite ein, dass weltweit kleinere Konkurrenten mit Milliardensummen im Jahrestakt aufgekauft werden können. Der Hauptkonkurrent Oracle aus den USA, dessen Datenbank die SAP Software häufig nutzt, versuchte erfolglos, SAP klein zu halten mit Milliardenklagen wegen Patentverletzungen, die SAP zum Teil zugab. Inzwischen hat SAP die eigene Datenbank „Hana“ vorgestellt, mit der Plattner Oracle angreift. „Hana“ wurde entwickelt in den eigenen weltweiten „SAP Labs“ und von Forschern der kalifornischen „Elite“-Uni Stanford am „Hasso Plattner Institute“ (35 Millionen Dollar Spende) sowie von Forschern der Uni Potsdam vom dortigen, ebenfalls von Plattner gesponserten „Hasso Plattner Institut für Systemtechnik“. Die derzeit freundliche Zusammenarbeit mit der Staatsmacht auch in den USA beschränkt sich nicht auf Forschung.  Branchenkenner behaupten, dass SAP Geheimdiensten dabei hilft, enorme Datenmengen durchsuch- und auswertbar zu machen. Dafür spricht z.B. der Kauf von Inxight, einem vom Geheimdienst-Technikspezialisten Q-Tel und der Deutschen Bank geförderten Startup. Bei Sybase, 2008 von SAP geschluckt, ist die NSA Großkunde. Der BND begründete seine Etaterhöhung auch mit gestiegenen Kosten für die „effizienten“ SAP Leistungen.

SAP ist wie die US-Softwaregiganten eine Datenkrake, die aber weniger Privatkommunikation abgreift, sondern Firmendaten inklusive aller Beschäftigtendaten. Der Privateigentümer Plattner verfügt über die Daten und damit, wie „Industrie 4.0“ täglich zeigt, über die Macht. Die Technik und die Profite, auf denen Plattners private Macht beruht, wurden gesellschaftlich von den Zigtausenden produziert, die direkt und bei den mit SAP verbundenen staatlichen Organisationen für ihn arbeiten.

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"„Ich bin ein guter Diktator“", UZ vom 23. September 2016



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