Ein Jahr nach dem neunfachen Mord in München, weist ein Gutachten rassistischen Hintergrund nach, trotzdem halten Ermittlungsbehörden am Rachemotiv fest. Vor über einem Jahr tötete der 18-jährige Schüler David S. neun Menschen in München. Alle Opfer hatten einen Migrationshintergrund, acht der Opfer waren zwischen 14 und 20 Jahre alt. Eine 45-jährige Frau erschoss David S. auf der Flucht.
Die ermittelnden Behörden und der Verfassungsschutz sehen bis heute keine politisch motivierte Tat und bezeichnen sie nicht als Anschlag, sondern als einen Amoklauf eines „psychisch kranken Rächers“. Die Fachstelle für Demokratie der Stadt München beauftragte die Sozialwissenschaftler Christoph Kopke, Matthias Quent und Florian Hartleb, den rechtsextremistischen Hintergrund von David S. aufzuklären. Die Experten kommen gemeinsam zum Schluss, dass die Tat „politisch rechts motiviert zu werten sei“. David S. wurde zwar in der Schule gemobbt und war in psychiatrischer Behandlung, aber er war auch ein Rassist und ein Bewunderer des norwegischen Rechtsterroristen Anders Breivik. Kurz bevor David S. seinem letzten Opfer in den Kopf schoss, rief er: „Ich bin kein Kanake, ich bin Deutscher!“. David S. hatte iranische Wurzeln und hatte kurz vor der Tat seinen Vornamen von Ali in David ändern lassen. Er sah sich als Arier und somit als einen Deutschen der „Rasse“ nach. Bei Hausdurchsuchungen fanden die Ermittlungsbehörden eine Art Manifest, in dem David S. über „ausländische Untermenschen“, die er exekutieren wolle, schrieb. Seine Bestimmung dafür leitete er aus der Überzeugung ab, dass Iraner ein Stamm der Arier seien, die zu Urzeiten nach Südwesten in den heutigen Iran gezogen seien. Somit sind die Iraner auch Herrenmenschen. Ideengeber dafür waren Schriften des gestürzten Schahs des Irans, Mohammad Reza Pahlavi.
Die Ermittlungsbehörden sehen es jedoch anders. Es dürfte „dem persönlichen, aber verallgemeinerten Feindbild der ehemaligen Mobber geschuldet sein“, dass David S. nur Menschen mit Migrationshintergrund als Opfer ausgesucht habe. Auf Grund von Mobbingerfahrungen an seiner Schule hätte David S. einen „Hass auf südosteuropäische Bevölkerungsgruppen“ entwickelt und Rache sei „tatauslösend“ gewesen. Somit sei die Tat persönlich, nicht politisch.
Für die Gutachter ergibt sich daraus, dass die Behörden durch den Verweis auf die möglichen negativen Erfahrungen des Täters, die Opfer geradezu für die Tat mitverantwortlich gemacht werden. „Die Ermordeten tragen keinerlei Schuld an den Mobbingerfahrungen des Täters“, schreiben sie und weiter, „Die Behörden sollten die zerstörerische Wirkung von Rassismus verurteilen, anstatt sie durch den Verweis auf Ursachen im Sinne des Täters zu rechtfertigen.“
Die Frage nach dem Motiv des Täters sei für die Eltern der Opfer entscheidend, um zu verstehen, warum ihre Kinder sterben mussten, meint Siegfried Benker von der Beratungsstelle „Before“, die einige der Angehörigen betreut. „Sie ist nicht beantwortet, solange die Gesellschaft nicht eindeutig benennt, was das Tatmotiv war. Da können die Angehörigen nicht damit abschließen.“ so Benker.