Im Rheinischen Revier prallen nach wie vor die Interessen von Befürwortern und Gegnern eines schnellen Kohleausstiegs aufeinander. Die Gewerkschaft IG BCE und der Branchenverband DEBRIV warnten im Fall eines vorzeitigen Ausstiegs vor dem Wegfall von Arbeitsplätzen. Dem Aktionsbündnis „Ende Gelände“ kann es dagegen nicht schnell genug damit gehen, die Tagebaue dicht zu machen. Am Dienstag letzter Woche begannen die Aktivisten mit dem Bau eines Protestcamps und am Wochenende folgte dann die Blockade der Kohlebahn.
Mit Trillerpfeifen und Bergmannshelmen demonstrierten am 24. Oktober Tausende Gewerkschafter in Bergheim bei Köln für ihre Arbeitsplätze. Die Polizei sprach von über 20 000 Menschen in Bergheim, die dem Aufruf der IG BCE und von ver.di gefolgt waren. Mit der Demonstration sollte offenkundig die von der Bundesregierung eingesetzte „Kohlekommission“ unter Druck gesetzt werden, die dort ihren letzten von drei Ortsterminen hatte und Sachkundige aus der Region anhören wollte.
Mit Slogans wie „I love RWE und deren Familien“ oder „Für Rechtsstaat und sicheren Strom“ machten die Demonstranten deutlich, wo sie stehen. Weniger nette Worte hatten sie dagegen für die Umweltschützer im Hambacher Wald übrig, wie das Internetportal „klimareporter“ berichtet. „Aktivisten im Hambacher Forst: Reichsbürger mit Rastas“ hieß es auf Schildern oder „Grüne = ideologischer Irrsinn“. Anders als bei der Pro-Kohle-Demonstration vor zwei Wochen wurde niemand bedroht.
„klimareporter“ berichtet, dass bei einer Gewerkschaftsdemo vor zwei Wochen etwa 100 Mitglieder und Symphatisanten der IG BCE vor dem Wohnhaus der bekannten Umweltschützerin Antje Grothus halt gemacht hätten. Mit Trillerpfeifen und Blechtrommeln hätten sie Lärm gemacht und „Hambi weg“ und „Grothus raus“ skandiert. Die Polizisten seien erst eingeschritten, als ein Mann gegen ihr Fenster geschlagen habe. Mit dabei sollen nicht nur einfache Gewerkschafter gewesen sein, sondern auch der Betriebsratschef der Zentrale Köln von RWE Power, Walter Butterweck. Das sollen zumindest Videoaufnahmen belegen.
Zumindest über das Plakat, das Umweltaktivisten als „Reichsbürger“ bezeichnete, wird derzeit innerhalb von ver.di kritisch diskutiert. Die Bezirkskommission der Selbstständigen im ver.di-Bezirk Köln-Bonn-Leverkusen hatte letzte Woche ein Schreiben veröffentlicht, in dem sie sich gegen das „diffamierende und beleidigende Plakat mit ver.di-Logo“ bei der Demonstration am 24. Oktober ausspricht.
Die Aktivisten im Hambacher Forst, argumentiert das Gremium in dem Schreiben, hätten im Rahmen der demokratischen Ordnung protestiert. Sie hätten zivilen Ungehorsam ausgeübt und sich gegen die Rodung des Waldes und für einen schnellen Kohleausstieg eingesetzt. Mit Reichsbürgern hätten sie „nicht das Geringste gemein“.
Dass sich die Proteste nicht gegen die RWE-Beschäftigten richteten, versuchte die Bezirkskommission ebenfalls deutlich zu machen. Es ist aber anzunehmen, dass sie innerhalb der Gewerkschaften noch dicke Bretter zu bohren hat. Um die Jobs der Kohlekumpel scheint es beim Engagement zumindest der IG BCE nicht immer zu gehen. Im Lausitzer Revier machten Umweltschützer in den vergangenen Jahren wiederholt darauf aufmerksam, dass kaum etwas gegen betriebliche Ausgliederungen und damit verbundenes Lohndumping unternommen wurde.
Zumindest vor der Presse gab sich der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis kämpferisch. Der „Rheinischen Post“ sagte er letzte Woche, dass man betriebsbedingte Kündigungen infolge des Rodungsstopps im Hambacher Forst nicht akzeptieren werde. Stattdessen wolle man einen möglichen Personalabbau „über bekannte Instrumente wie Frühverrentung und natürliche Fluktuation hinbekommen“.
Er könne nachvollziehen, dass RWE-Chef Rolf Martin Schmitz sich angesichts der weitgehenden Gerichtsentscheidung alle Optionen offenhalten müsse, räumt Vassiliadis ein. In den vergangenen Jahren seien bereits massiv Arbeitsplätze in der Branche sozialverträglich abgebaut worden. Das habe den Spielraum verengt.
Mit Blockaden haben Klimaaktivisten von „Ende Gelände“ am Wochenende unterstrichen, dass es ihnen ernst ist mit einem schnellen Kohleausstieg. Am Samstag legten tausende Kohlegegner die sogenannte Hambachbahn lahm, die Kraftwerke von RWE mit Braunkohle aus dem Tagebau versorgt. Erst am Sonntagvormittag verließ die Mehrzahl von ihnen die Gleise. Laut Polizei versuchten aber rund 150 verbliebene Aktivisten, sich an die Gleise zu ketten.
Nach Angaben von „Ende Gelände“ beteiligten sich insgesamt rund 6 500 Menschen an den Protesten. Das Bündnis sprach von der „größten Massenaktion zivilen Ungehorsams der Klimagerechtigkeitsbewegung, die wir hier je gesehen haben“.
Bei den Protesten hat die Polizei 187 Menschen festgenommen. Die Beamten warfen den Demonstranten vor allem Hausfriedensbruch, Landfriedensbruch und Widerstand gegen Polizeibeamte vor. Ermittlungen wurden auch aufgenommen, weil vier Busse eines Reiseunternehmens abgebrannt waren. Mit den Bussen waren Teilnehmer zu der Gewerkschaftsdemonstration gegen einen zu schnellen Kohleausstieg gebracht worden.