Professor Hans-Michael Heinig warnt vor der Gefahr, „… dass sich unser Gemeinwesen von einem demokratischen Rechtsstaat in kürzester Frist in einen faschistoid-hysterischen Hygienestaat“ verwandle. Heinig ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Georg-August-Universität zu Göttingen und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Einmütig und flott verabschieden Abgeordnete neue Regelungen, passgenau zu bereits bestehenden Gesetzen wie dem Terrorismusbekämpfungsgesetz, dem Bayerischen Integrationsgesetz und diversen Polizeiaufgabengesetzen. Sie sollen angeblich für Sicherheit sorgen, bedienen aber nur dumpfe Angst: vor dem Terroristen, dem Straftäter, dem Leitkultur-Fremden – und jetzt vor dem Virus. Sie alle sind in vielen Bereichen unpräzise und schwammig. Die Politikwissenschaftlerin Ingeborg Maus nennt sie „Gesetzesattrappen“. Die Füllung dieser Attrappen obliegt den anwendenden Instanzen.
Als Schutz vor Corona getarnt ufern Brüche grundlegender Rechte und Willkürakte aus. Verbote und gewaltsame Auflösung von Demonstrationen und Kundgebungen, Entfernen von Plakaten, unsinnige Grenzkontrollen, idiotische Spaziergangsauflagen. Auf der Homepage des Bayerischen Innenministeriums finden sich so irre Ansagen wie: Altglas nur in „üblichen Mengen“ alleine zum Container bringen; beim Spazierengehen darf man sich „zwischendurch auch auf einer Parkbank oder Wiese niederlassen“. Die Gewerkschaft der Polizei forderte in Berlin, die Grünanlagen zu schließen. Die Umsetzung der Ge- und Verbote obliegt vielfach der Polizei. Von gnädigem Augenzudrücken über Unsicherheit und Unwissenheit bis hin zu Schikane und Gewalt machtgeiler Rambos fächert sich ihr Handlungsrepertoire auf.
Der Bürger ist ein zumindest dummes, wenn nicht sogar potentiell gefährliches Wesen. Dieser Staat baut auf Zwang; er ist nicht in der Lage, für die Bedingungen zu sorgen, dass jeder sich tatsächlich um sein und seiner Mitmenschen Wohlergehen kümmern kann.
Verfassungsrechtler schlagen Alarm, Protest erhebt sich allerorten. Erste Erfolge sind zu verzeichnen: Das Bundesverfassungsgericht kippte in der vergangenen Woche Versammlungsverbote für Demonstrationen in Gießen und Stuttgart. Die Karlsruher Richter entschieden, dass durch die Verbote das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt sei. Wie passend das Motto der Gießener: „Gesundheit stärken statt Grundrechte schwächen.“