Zu nötigem Widerstand in der Pandemie

„Hygienedemos“ im Vakuum

Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Stunde all derer in den Denkfabriken der Monopole geschlagen, denen selbst unsere Variante spätbürgerlicher Demokratie nicht autoritär, nicht „effizient“ genug ist. Die Pandemie wird genutzt, um von der zu erwartenden Abwälzung der Lasten der kapitalistischen Krise auf die arbeitende Bevölkerung abzulenken.

Tatsächlich ließ sich der Beginn der Krise für diese Kräfte gut an. Die Menschen, durch Horrorbilder verschreckt und verunsichert, hielten sich nahezu alle an die Pandemie-Einschränkungen, obwohl sie massiv in ihr Leben eingriffen und zum Teil alles andere als nachvollziehbar waren. Eingriffe in die Privatsphäre und die Zunahme staatlicher Überwachungsmöglichkeiten sind Beispiele. Ebenso die Angriffe auf die Arbeitszeit.

Auch fortschrittliche Kräfte, Teile der Partei „Die Linke“, der Gewerkschaften verständigten sich offenbar wortlos darauf, dass der Klassenkampf jetzt mal Pause haben müsse. So geht Formierung: Die freiwillige Unterordnung der breiten Massen unter den Willen der Monopole und ihrer Regierung. Alle reden jetzt von einem „Wir“, das durch die Krise muss. Doch gerade in der Pandemie gibt es kein „Wir“.

Durch die Einschränkungen der Grund- und Arbeiterrechte, Existenzängste großer Teile der Bevölkerung und die offensichtlichen Widersprüche zum Beispiel im Gesundheitswesen stößt diese Variante der Einbindung allerdings nun an ihre Grenzen. Pflegekräfte machen auch gegen den Willen von Teilen der Gewerkschaftsstrukturen Aktionen, im Gewerkschaftsapparat rumort es, Gastwirte stellen Stühle aus Protest heraus, kleine Läden stehen vor dem Aus. Gerade diejenigen, die als Kleinunternehmer in die Monopolstrukturen eingebunden sind, kriegen den gesamten Druck ab. Das Protestpotenzial sowohl in der Arbeiterklasse als auch unter den Zwischenschichten steigt, aber formiert sich nicht.

Der Meinungsbildungsprozess in Gewerkschaften ist eingeschränkt und manche „Linke“ halten es für besonders „kritisch“, jeden, der Kritik an den Maßnahmen der Regierung äußert, zum Verschwörungstheoretiker und Faschisten zu erklären. Den Zusammenhang von sozialen und demokratischen Forderungen macht kaum jemand auf.
Die kruden Hygiene-Demos sind auch eine Reaktion auf das „Krisenmanagement“ der Regierung und Ergebnis der Inaktivität fortschrittlicher Kräfte. Es wächst das Misstrauen in die gesundheitspolitischen Ambitionen einer Regierung, die die Krise zum Abbau der Arbeitsrechte nutzt und die Massenveranstaltung Großbetrieb erst sehr spät – bei Krauss-Maffei Wegmann in Kassel zum Beispiel überhaupt nicht – untersagt. Dort wurden durchgehend Panzer produziert.

Die Zusammensetzung der Proteste ist äußerst heterogen und von Lebenslage und Ideologie her kleinbürgerlich geprägt. In diesem Protestgemisch, indem sich auch um ihre Grundrechte besorgte Menschen finden, herrscht die bürgerliche Ideologie vor. Hier fühlen sich nun faschistische Kräfte und ihre Zuträger pudelwohl. In der Zeitung „Demokratischer Widerstand“, von der innerhalb weniger Wochen drei Ausgaben mit je einer Auflage von 30.000 Stück erschienen, wird für dieses Protestpotenzial die richtige Mischung angerührt. Grundgesetz ohne Enteignung, Medizin-Kritik ohne Kapitalinteressen, Gates-Kritik ohne die Frage, woher denn der Reichtum kommt und wer ihn erarbeitet. Heraus kommt ein neues „Wir“, das gemeinsam durch die Krise muss. Diesmal nur autoritärer und aggressiver. Die Ablenkung von Verursachern und Nutznießern der Krise funktioniert bundesweit.

Das ist kein Wunder, wenn keine organisierte Kraft da ist, die den Widerstand gegen das Abwälzen der Krisenlasten und das Monopolkapital formiert. Und doch gibt es da ein Material, das den Zusammenhang von sozialen und demokratischen Forderungen aufmacht und bis zur sozialistischen Konsequenz treibt: die Forderungen der DKP zur „Corona-Krise“.

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"„Hygienedemos“ im Vakuum", UZ vom 22. Mai 2020



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