Über einen möglichen NATO-Betritt Finnlands

Husch, husch in die NATO?

Es verwundert nicht, dass Finnlands Präsident Sauli Niinistö von der konservativen Nationalen Sammlungspartei Kokoomus auf einen baldigen Aufnahmeantrag seines Landes an die NATO hofft. Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Sanna Marin will noch vor dem NATO-Gipfel im Juni eine Mehrheit im Parlament dafür hinbekommen. Niinistö liebäugelt schon lange mit der NATO. Die Regierung Marins hält sich bedeckter, aber begrüßte 2020 die NATO-Übung „Cold Response“, bei der finnische Soldaten auch mit Bundeswehrsoldaten Krieg bei arktischen Temperaturen üben sollten. Das Manöver musste aber wegen der Corona-Pandemie kurzfristig abgesagt werden.

Es scheint nicht mehr viel übrig zu sein, was nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Finnisch-Sowjetischen Vertrag von 1948 unter Staatspräsident Juho Kusti Paasikivi angefangen hatte und unter Langzeitpräsident Urho Kekkonen zu einer Art „Neutralität mit Ostaffinität“ führte. Dieser Bruch entstand jedoch nicht mit dem Krieg in der Ukraine. Nach dem Zerfall der Sowjetunion, bis dahin größter Handelspartner Finnlands, versank das Land in eine tiefe Rezession. Um diese zu überwinden, wurde Finnland 1995 Mitglied der EU und nahm 2002 den Euro als Währung an.

2008 wiederholte sich die Tragödie. Die Weltwirtschaftskrise traf das einst neutrale und durch die engen Wirtschaftsbeziehungen zur Sowjetunion vom kapitalistischen Weltmarkt weitreichend abgekapselte Finnland hart. In Folge von EU und Euro war Finnland zu einem „Global Player“ am Weltmarkt geworden und stürzte mit diesem in die Tiefe. Bis heute hat das Land die Wirtschaftsleistung von 2008 nicht wieder erreicht. Das erschütterte das Bild vieler Finnen von der EU und ließ die „traditionell“ vorhandene Skepsis gegen das nordatlantische Kriegsbündnis anwachsen. Umso mehr freute sich Präsident Niinistö über die Ergebnisse verschiedener Meinungsforschungsinstitute, die prognostizierten, dass der Ukraine-Krieg zu einem Umdenken in der finnischen Gesellschaft geführt hätte. Eine – vielleicht auch nur knappe – Mehrheit begrüßt heute einen NATO-Beitritt.

So verwundert es auch nicht, dass der konservative Niinistö und die sozialdemokratische Marin im Schweinsgalopp in die NATO wollen. Spontanes Umdenken, weil jetzt gerade etwas passiert, was man noch nicht in Gänze umrissen hat, hält nicht lange an. Kommt die finnische Gesellschaft aus der Schockstarre und zum Nachdenken, könnte sich das Blatt schnell wieder zu Ungunsten der NATO wenden.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Husch, husch in die NATO?", UZ vom 15. April 2022



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Herz.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit