Arbeiterinnen kämpfen für menschenwürdige Arbeitsbedingungen

Hungerlöhne in Bangladesch

Von Christiane Schnura

Seit Dezember 2016 sind in Bangladesch zahlreiche Gewerkschafter, Arbeiterinnen und Arbeiter verhaftet und Gewerkschaftsbüros geschlossen worden, weil sie sich an einem friedlichen Streik für eine Verdreifachung der Löhne beteiligt haben. Außerdem wurde gegen Hunderte Arbeiterinnen und Arbeiter Anzeige gegen Unbekannt erstattet und über 1 500 aus Fabriken entlassen, die Kleidung für H&M, Inditex (Zara/Bershka), VF (North Face) und Gap produzieren.

Knapp vier Jahre ist es nun her, dass beim Gebäudeeinsturz des Rana-Plaza-Komplexes in Sabhar etwa 25 km nordwestlich der Hauptstadt Dhaka in Bangla­desch über 1 100 Menschen getötet und mehr als 1 000 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden. Wir alle können uns an die schrecklichen Bilder erinnern: An verzweifelte Mütter, die vor dem eingestürzten Gebäude nach ihren verschütteten Töchtern riefen. An Menschen, die mit bloßen Händen in den Trümmern nach Angehörigen suchten.

Damals war die Welt schockiert. Die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in der weltweiten Bekleidungsindustrie waren auf einmal Thema in den Medien. Vor allem Frauen arbeiten in den Nähfabriken in Asien und Osteuropa. „Die Gebäudesicherheit ist nach wie vor ein großes Problem. Ein Unglück wie bei Rana Plaza kann jeden Tag wieder passieren“, so die Koordinatorin der Kampagne für saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign CCC). Doch es ist nicht nur die fehlende Gebäudesicherheit, die zu Massenprotesten die ArbeiterInnen in Bangladesch führt. Es sind vor allem die Hungerlöhne, die die Menschen auf die Straße treiben. Doch wer in Bangladesch protestiert lebt gefährlich.

Heute hat Bangladeschs Textilindustrie mit die niedrigsten Löhne in der Region, die trotz Inflation schon seit drei Jahren nicht erhöht wurden. Bangladesch profitiert vom „Everything But Arms“-Handelsabkommen der EU, das Teil des internationalen Zollpräferenz-Systems (GSP) ist und 49 am wenigsten entwickelten Ländern, darunter auch Bangladesch, zollfreien Zugang zum europäischen Markt für alle Güter außer Waffen und Munition garantiert. Darf aber diese Zollvergünstigung bei der massiven Verletzung von elementaren Rechten wie den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gewährt werden?

Da Bangladesch interessiert ist, demnächst vom GSP+ zu profitieren, das explizit die Gewährung von Zollfreiheit an die Einhaltung von Sozialstandards knüpft, hält die CCC es für geboten, dass die EU eine Überprüfung einleitet, ob Bangladesch die Menschenrechte einhält und die Handelserleichterungen aufkündigt, wenn weiterhin die Arbeitsrechte verletzt werden.

Daher ruft die Kampagne für Saubere Kleidung die Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission dazu auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen, den Menschenrechtsschutz in außenwirtschaftlichen Beziehungen zu stärken. Die Regierung von Bangladesch wurde mehrfach zur Achtung der Menschenrechte aufgerufen und hat diese Forderungen bisher ignoriert.

Die CCC fordert die sofortige Intervention des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS), um die Freilassung aller Inhaftierten zu gewährleisten, die Strafanzeigen einzustellen und das Recht auf Kollektivverhandlungen zu garantieren.

Die CCC ruft auch die Generaldirektion für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung der EU (DEVCO) sowie die Bundesregierung dazu auf, alle Fördergelder an den Verband der Bekleidungsexporteure Bangla­deschs (BGMEA) einzufrieren, bis sich die Situation verbessert hat und Gewerkschaften ungestört arbeiten dürfen.

Laura Ceresna-Chaturvedi von der Kampagne für Saubere Kleidung sagt: „Das sind die schlimmsten Verhältnisse in der Bekleidungsindustrie in Bangladesch seit dem Einsturz der Rana-Plaza-Fabrik 2013 und könnte der Regierung sogar ihren Hauptexportmarkt kosten. Es ist unmöglich von einer sicheren und nachhaltigen Textilindustrie zu sprechen, wenn sogar friedliche Proteste mit solcher Gewalt niedergeschlagen werden. Textilarbeiterinnen in Bangladesch haben ein Recht sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen und müssen einen existenzsichernden Lohn für ihre Arbeit erhalten.“

Außenansicht einer Nähfabrik in Dhaka, Bangladesch

Außenansicht einer Nähfabrik in Dhaka, Bangladesch

( Gisela Burckhardt/FEMNET)

Näherinnen in in einer Fabrik in Dhaka.

Näherinnen in in einer Fabrik in Dhaka.

( Gisela Burckhardt/FEMNET)

Mittagspause. Erschöpft schlafen mehrere Frauen sofort ein,

Mittagspause. Erschöpft schlafen mehrere Frauen sofort ein,

( Gisela Burckhardt/FEMNET)

Wohnviertel von Näherinnen, auf Sumpf gebaut, deshalb auf Pfählen stehend. Die Miete ist hier niedriger

Wohnviertel von Näherinnen, auf Sumpf gebaut, deshalb auf Pfählen stehend. Die Miete ist hier niedriger

( Gisela Burckhardt/FEMNET)

Demonstration der Gewerkschaft National Garment Workers Federation (NGWF) in Dhaka

Demonstration der Gewerkschaft National Garment Workers Federation (NGWF) in Dhaka

( Gisela Burckhardt/FEMNET)

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Hungerlöhne in Bangladesch", UZ vom 3. März 2017



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol LKW.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit