Ken Folletts „Säulen der Erde“ durchgespielt

Hübsche Galerie

Von Friedhelm Vermeulen

Bücher zu verfilmen, die sich gut verkauft haben, ist der Filmindustrie ein inneres Bedürfnis, weil sie nicht gerne Risiken eingeht, jedenfalls keine finanziellen. Ungewöhnlicher ist es da schon, wenn die Geschichte eines Films zu einem Buch umgearbeitet wird. Schon lange bekannt sind Filme, deren Figuren und Geschichte Computerspielen als Vorlage dienen. Meist handelt es sich dabei um billigen Abklatsch von Filmen, die die Kinokassen klingeln ließen – eine gängige Zweit- oder Drittverwertung neben Film-Soundtracks, bedruckten Kaffeetassen, Frühstücksflocken oder Bettwäsche.

Der gerade erschienene erste von drei Teilen von „Pillars of the Earth“ (Säulen der Erde) führt uns bis zum Beginn des Wiederaufbaus der Kathe­drale von Kingsbridge. Bei der „episodischen Interactive Novel“ vom Hamburger Spieleentwickler Daedalic scheint es sich auf den ersten Blick um ein normales Viertverwertungsprojekt ängstlicher Investoren zu handeln.

Die Zockerinnen-Gemeinde zeigte sich verwundert. Das liegt zum einen daran, dass Ken Follett nicht unbedingt das jüngste Publikum und somit keine Fan-Base hat, die auf so ein Spiel gewartet hätte. Zum anderen ist „Pillars of the Earth“ nicht gerade der übliche Stoff, aus dem die Verkaufsschlager des Fließband-Gamedesigns gemacht sind. Ok, es spielt im England des 12. Jahrhunderts und das Thema Mittelalter spricht die Gamerinnen-Gemeinde im Allgemeinen schon an, aber der Wälzer von Follett hat über 1000 Seiten und behandelt – wenn auch eingebunden in eine sehr spannende und episoden-reiche Geschichte – vor allem so spannende Fragen wie Kirchenarchitektur und Religion.

„Säulen der Erde“ ist dennoch kurzweilig, vor allem deshalb, weil der erste Teil keine komplizierten Aufgaben stellt und die Story sehr knapp und leider etwas lieblos nacherzählt wird. Zockerinnen wird der Spielverlauf zu dürftig sein, es fehlt an kniffligen Rätseln oder Geschicklichkeitsspielen, die bei Adventures meist als Abwechslung eingebaut werden. Die Macherinnen von „Säulen der Erde“ setzen – ob nun aus Kostengründen oder aus Vertrauen auf die Bindungskraft Geschichte – auf eine Kombination aus wenigen, relativ einfachen Rätseln, eine Comic-Grafik, die für eine schöne, vielleicht für die Zeit etwas zu schöne, Stimmung sorgt, und sehr viele Dialoge. Da ist es gut, dass die Sprecherinnen-Rollen auch in der deutschen Synchronfassung mit Menschen besetzt wurden, die sprechen können – so wurde z. B. die Rolle des Grafen Bartholomäus, eine kleine, aber bedeutende Nebenrolle, mit dem Schauspieler Rolf Becker besetzt.

Leider bietet das Adventure „Säulen der Erde“ keinen neuen Zugang zum Inhalt des Buches. Mit Blick auf andere Titel, die in einer bestimmten historischen Epoche spielen (hier sind besonders die Titel der Reihe „Assassins Creed“ zu nennen), fehlt es „Säulen der Erde“ an Möglichkeiten, aktiv in die Geschichte einzutauchen. Eine aufwendigere Produktion und eine entsprechende Gestaltung des Spiels hätte ihm gutgetan. Zockerinnen z. B. an die für das Buch so wichtige Frage mittelalterlicher Kirchenarchitektur heranzuführen, wäre durch Möglichkeiten der spielerischen Planung und des Baus von Befestigungsanlagen und Kirchen umsetzbar gewesen. Aber wie beim Kirchenbau ist das keine Frage göttlicher Eingebung, sondern hängt davon ab, wieviel Geld und Geduld die Auftraggeber aufzuwenden bereit sind.

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"Hübsche Galerie", UZ vom 1. September 2017



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