Der Streit zwischen Libanon und Israel um Erdgasfelder im Mittelmeer dauerte über Jahre an. Nach indirekten Verhandlungen zwischen beiden Ländern gab es im Oktober vorigen Jahres eine Einigung: Ihre Wirtschaftszonen wurden abgegrenzt – und damit der Zugriff auf die wichtige Ressource Erdgas geregelt. Im Streit um die Gasfelder hatte es zuletzt eine Drohung der Hisbollah gegeben: Hätte Israel ohne Einigung mit dem Libanon mit der Gasförderung begonnen, wäre ein Angriff auf das Bohrschiff erfolgt. Diese Drohung hatte die Verhandlungen beschleunigt.
Israel ist dabei zunächst einmal im Vorteil. Das Karisch-Gasfeld auf der israelischen Seite verfügt über nachgewiesene Gasvorkommen, die Förderung wurde unmittelbar nach der Übereinkunft aufgenommen. Die nötige Infrastruktur – Pipelines, Energieversorgung und so weiter – war in den vergangenen Jahren aufgebaut worden. Das Gebiet auf libanesischer Seite muss zunächst einmal weiter erforscht werden.
Ursprünglich sollte ein Konsortium aus TotalEnergies (Frankreich), Eni (Italien) und Nowatek (Russland) die Erkundung unternehmen. Infolge des Krieges in der Ukraine verließ Nowatek das Konsortium. Stattdessen ist jetzt Qatar Petroleum Teil des Konsortiums. Nowateks Anteil und zusätzliche 5 Prozent der Anteile von Eni und TotalEnergies wurden von Qatar Petroleum übernommen.
Das Bohrschiff „Transocean Barents“ traf in dem betreffenden Seegebiet ein und begann mit den vorbereitenden Arbeiten. Ende August soll die Erkundung des Gasfeldes beginnen und innerhalb von 90 Tagen abgeschlossen werden.
Das libanesische Energieministerium ließ eine logistische Basis für die Erkundung errichten, TotalEnergies sprach angesichts der Ankunft des Schiffes und eines Hubschraubers zur Unterstützung von einem wichtigen Schritt.
Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise werden im Libanon hohe Erwartungen an die Einnahmen aus einer zukünftigen Gasförderung geknüpft. Parlamentssprecher Nabih Berri verspricht sich davon den Beginn der Lösung der Wirtschaftsprobleme des Landes. Auf einer Pressekonferenz betonte der Kommissarische Minister für Öffentliche Arbeiten und Transport, Ali Hamieh, seine Hoffnung, dass der Libanon ein Energieproduzent werde. „Dies gibt den Menschen im Libanon einen Hoffnungsschimmer.“
Doch noch ist ungewiss, welche Mengen Erdgas zu welchen Kosten in Zukunft gefördert werden können. Und auch im besten Fall wird es wohl Jahre dauern, bis die Produktion beginnt. Und schließlich stellt sich auch im Libanon die Frage: Wer wird davon profitieren?
Dies betrifft nicht nur die Bevölkerung des Libanon und die Eliten. Der Libanon ist der Frontstaat im Nahen Osten. Die Golfstaaten, Iran und vor allem Israel, die EU und die USA machen ihren Einfluss geltend, mit politischem Druck und der Drohung von Sanktionen. Nur die Erdgasförderung selbst ist vor Sanktionen wohl sicher – zu wichtig ist diese Ressource.
Anders ist die Situation im Süden des Landes, wo die Hisbollah ihre militärische Stärke demonstriert. Hier haben die USA erneut Sanktionen verhängt – gegen die Organisation „Grün ohne Grenzen“. Nach ihrer Selbstbeschreibung pflanzt die Organisation Bäume, legt Parks an und bekämpft Waldbrände. Für die USA gilt sie als Teil der Hisbollah und muss bekämpft werden.
Die Wirtschaftszonen im Mittelmeer konnten im letzten Oktober zwischen Israel und dem Libanon abgegrenzt werden – und offenbar zum beiderseitigen Nutzen. Die Landesgrenze ist noch nicht abschließend festgelegt und bietet immer wieder Anlass zu Konfrontationen, die jederzeit eskalieren können.