Zum „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“

Hoffnungsschimmer

Zu den bedrückendsten Erscheinungen der gegenwärtigen reaktionären und militaristischen Zeitenwende in Deutschland gehört die Formierung des Meinungsspektrums. Wer auch nur ansatzweise die frühere Selbstverständlichkeit öffentlich anmeldet, bei Kontroversen sei es wichtig, die Argumente der Gegenseite zur Kenntnis zu nehmen und sie zu verstehen, wird nicht als Bereicherung der Debatte verstanden, sondern aus den öffentlichen Diskursen verdammt – es sei denn, er oder sie findet den Weg zu UZ, „junge Welt“ oder den „Nachdenkseiten“.

Führend bei dieser Formierung sind nicht nur die reaktionären privaten Medien wie FAZ, „Bild“ oder RTL. Der noch bis in die früheren 1980er Jahren auf seine Kritik gegenüber der jeweiligen Regierungspolitik stolze öffentlich-rechtliche Rundfunk ist seit der Einverleibung der DDR Schritt für Schritt zu einem regierungstreuen Staatsfunk degeneriert. Anstelle der Leitlinie einer kritischen Abbildung zumindest des ganzen bürgerlichen Meinungsspektrums, der kommunistische Teil war eh immer außen vor, ist dort zunehmend die Leitlinie einer messianischen Erziehungsdiktatur grün-alternativer Intoleranz und seit 2022 der offenen Kriegstreiberei getreten.

Dagegen regt sich nun Widerstand. In einem „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“ heißt es: „Wir, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio sowie alle weiteren Unterzeichnenden schätzen einen starken unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland als wesentliche Säule unserer Demokratie (…). Wir sind von seinen im Medienstaatsvertrag festgelegten Grundsätzen und dem Programmauftrag überzeugt. Beides aber sehen wir in Gefahr.“ Das Vertrauen der Menschen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nehme immer stärker ab, heißt es in dem „Manifest“, das von mehr als 100 Erstunterzeichnern veröffentlicht wurde. Die Diskrepanz zwischen Programmauftrag und Umsetzung sei seit vielen Jahren wahrnehmbar.

Die Autorinnen und Autoren beklagen eine „Eingrenzung des Debattenraums anstelle einer Erweiterung der Perspektive“. Nur sehr selten fänden relevante inhaltliche Auseinandersetzungen mit konträren Meinungen statt. Stimmen, die einen medial behaupteten gesellschaftlichen Konsens hinterfragten, würden wahlweise ignoriert, lächerlich gemacht oder gar ausgegrenzt. Inflationär bediene man sich zu diesem Zwecke verschiedener „Kampfbegriffe“ wie „Querdenker“, „Schwurbler“, „Klima-Leugner“, „Putin-Versteher“, „Gesinnungspazifist“ und anderer, mit denen versucht werde, Minderheiten mit abweichender Meinung zu diffamieren und mundtot zu machen.

Bezeichnend ist, dass mehrere Mitzeichner des Manifests ihre Unterschrift bei einem Rechtsanwalt hinterlegt haben. Zu den Instrumenten der Formierung gehört nicht nur die öffentliche Diffamierung, die beispielsweise Mika Beuster, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes, betreibt, der die Feststellung, „man dürfe nicht mehr alles sagen“, als langweilig – wie eine hängende Schallplatte“ – bezeichnete. Dazu gehört auch die Vernichtung der bürgerlichen Existenzgrundlage insbesondere für jede und jeden, der es wagt, den militärischen Formierungskurs gegen Russland in Frage zu stellen.

Das Manifest, das online unterzeichnet werden kann, ist ein Hoffnungsschimmer für die Meinungsfreiheit. Die Kommunistinnen und Kommunisten dieses Landes wünschen ihren Autoren und Unterstützern Erfolg und Durchhaltewillen.

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"Hoffnungsschimmer", UZ vom 12. April 2024



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