Linksgestützte Regierung in Portugal macht kleine Schritte in die richtige Richtung

Hoffnung statt Totsparen

Von Lonha Heilmair

Infolge der Parlamentswahlen vom Oktober 2014 ist in Portugal eine von der Sozialistischen Partei (PS) gestellte Regierung zustande gekommen, die sich auf eine prinzipielle parlamentarische Mehrheit von Sozialisten, Kommunisten (PCP), Linksblock (Bloco de Esquerda – BE) und Grünen stützt. Diese Regierung kam auf Initiative der Kommunisten zustande, die der PS Gespräche anboten mit dem Ziel, die Neuauflage einer rechten Regierung von PSD und CDS-PP zu verhindern. Inzwischen ist es gelungen, eine Serie von Maßnahmen in den Haushaltsplan für 2016 aufzunehmen und schrittweise umzusetzen, die nicht der rigiden Sparpolitik und dem seit Jahren beschrittenen Weg der Zerstörung sozialer Errungenschaften und der ökonomischen Kapazitäten des Landes folgen.

Mit dem 1. Juli wurde die wöchentliche Arbeitszeit für vertraglich Beschäftigte in öffentlichen Funktionen von 40 Stunden wieder auf 35 Stunden reduziert. Nach Einschätzung der PCP öffnet diese Maßnahme den Weg zur Einführung der 35-Stunden-Woche für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst, unabhängig von ihrem Beschäftigungsverhältnis.

Ebenfalls zum 1. Juli wurde die Mehrwertsteuer im Gaststättenbereich (vorläufig außer für alkoholische Getränke) von 23 auf 13 Prozent herabgesetzt. Weitere erste Maßnahmen sind die Rücknahme von Hürden zur Wahrnehmung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch, die Rücknahme von Streichungen bei Rentenzusatzleistungen für Beschäftigte staatlicher Betriebe und die schrittweise Abschaffung der Zusatzbesteuerung von Löhnen und Gehältern. Außerdem ist die Privatisierung der Verkehrsbetriebe von Lissabon und Porto ausgesetzt, auf weitere Privatisierungsvorhaben wird verzichtet und die auf Druck der „Troika“ gestrichenen vier Feiertage wieder eingeführt.

Auf Initiative der kommunistischen Parlamentsfraktion sind zudem gesetzliche Bedingungen für eine Zusatzunterstützung von Langzeitarbeitslosen geschaffen worden, Schulbücher sind ab dem neuen Schuljahr für die 1. Klasse vom Staat zur Verfügung zu stellen, die Höchstgrenze für Studiengebühren darf nicht weiter angehoben werden, landwirtschaftliche Familienbetriebe und traditionelle Fischerei erhalten bevorzugt  Förderungen und von der vorherigen Regierung geschlossene Gerichte im ländlichen Raum nehmen ihre Arbeit wieder auf.

Das alles klingt insgesamt nach nicht viel, und an den sozialen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten gemessen ist es das auch nicht. Allerdings ist es nach Jahren des Rückschritts bis hin zur flächendeckenden Beseitigung von Strukturen der Gesundheitsversorgung, Bildungseinrichtungen, öffentlichen Verkehrsverbindungen, usw., ein erster Schritt in die richtige Richtung. Und es zeigt, dass die zum unumstößlichen Gebot erhobene Maxime „Es gibt keine Alternative“ (zur EU-Austeritätspolitik) nicht unantastbar ist.

Von dem, was Kommunisten und andere fortschrittliche Organisationen als Forderungen formulierten, wurde bislang vieles nicht umgesetzt. Dazu gehört eine reale Erhöhung von Renten und Pensionen, ein steuerlicher Anreiz für kleine und mittlere Betriebe und eine höhere Besteuerung des Finanzkapitals und der Konzerne. Dazu gehört auch die Anwendung des Gesetzes der kommunalen Finanzierung zur Beendigung der finanziellen Strangulierung der Gemeinden. Nach Ansicht der PCP wäre es möglich gewesen, diese und weitere Fragen anzugehen, wenn PS und Regierung entschlossen gewesen wären, den Interessen des Großkapitals und des Direktoriums der EU-Mächte entgegenzutreten.

Die Erkenntnis, dass der Kampf der arbeitenden Bevölkerung und ihrer Organisationen  wirken kann, ist nicht neu, basiert aber auf neuen und konkreten Erfahrungen. In Portugal hat dieser Druck nach vier Jahren Diktat der Troika und der ihr willfährigen  PSD/CDS-Regierung bewirkt, dass sich die Sozialistische Partei zu einer Absprache mit den Gegnern dieser Politik bereit erklärt hat. Täglich und konkret stellt sich aber auch die Frage, wie lange die PS zu diesen Abmachungen steht. Die Sanktionsandrohungen der EU-Kommission gegen Portugal zeigen, dass der Spielraum zur Durchsetzung auch noch so kleiner Schritte zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit äußerst gering bemessen ist.

Der Druck von rechts ist in Portugal ebenfalls groß, das zeigte jüngst die Auseinandersetzung um das öffentliche Schulsystem. Im Sinne der gesetzlichen Regelung, wonach private Schulen nur dort Anspruch auf öffentliche Förderung haben, wo kein ausreichendes staatliches Angebot vorhanden ist, hat die Regierung die Streichung der Förderung für einige private Schulen – viele davon aus dem kirchlichen Bereich – angekündigt. Tausende Vertreter dieser Institutionen, Eltern und ihre Kinder demonstrierten gegen einen „ideologisch verbohrten Staat“ und erhielten dabei die Unterstützung der Medien. Eine wesentlich größere Zahl von Lehrern und Eltern folgten dem anschließenden Appell der Lehrergewerkschaft, für den Erhalt und die Stärkung der öffentlichen Schule auf die Straße zu gehen.

„Portugal muss sich entscheiden zwischen einem Desaster, das die nationale Politik der Unterwerfung unter die EU und den Euro bewirkt, und einer patriotischen und linken Politik, die die Entwicklung des Landes fördert und das Recht des Volkes hervorhebt über seine Zukunft zu entscheiden“, sagte Jerónimo de Sousa, Generalsekretär der PCP, auf einer Kundgebung Ende Juni. Die großen Demonstrationen und Kundgebungen zum 25. April und 1. Mai sowie die Arbeitskämpfe dieses Frühjahrs zeigen auch in dieser Situation, dass nur der entschlossene Kampf einen erfolgreichen Widerstand Portugals gegen das Diktat des Kapitals garantieren kann.

In Anspielung auf den Vorschlag des Linksblocks (BE), gegen die angedrohten EU-Sanktionen in Portugal ein Referendum durchzuführen, sagte der PCP-Abgeordnete im Europaparlament, João Ferreira: „Über Zwangsmaßnahmen der EU ist nicht abzustimmen, sondern sie müssen kraftvoll und entschlossen zurückgewiesen werden.“

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"Hoffnung statt Totsparen", UZ vom 22. Juli 2016



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