Der Vietnamkongress vor 50 Jahren

Höhepunkt der Solidaritätsbewegung

Von Gerhard Feldbauer

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Es ist an ein heroisches Kapitel internationaler Solidarität zu erinnern. An die Solidaritätsbewegung in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Widerstand des vietnamesischen Volkes gegen den verbrecherischen USA-Krieg, die mit dem Internationalen Vietnamkongress am 17./18. Februar 1968 in Westberlin einen herausragenden Höhepunkt erreichte. An der vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) organisierten Veranstaltung an der Technischen Universität nahmen über 40 Delegationen mit etwa 5 000 Teilnehmern aus mehr als zehn Ländern teil. Auf einer großen Flagge im Auditorium Maximum stand „Für den Sieg der vietnamesischen Revolution“ und darunter die Worte Che Guevaras „Die Pflicht jedes Revolutionärs ist es, die Revolution zu machen.“

Teilnehmer waren u. a. die US-amerikanischen Black Panther, die nord­irische IRA, die baskische ETA, die Palästinenser, der Philosoph Herbert Marcuse, die Schriftsteller Peter Weiss und Erich Fried und der Trotzkist Ernest Mandel. Zu den Rednern gehörte der italienische Verleger Giangiacomo Feltrinelli, u. a. Herausgeber des Tagebuches Che Guevaras, bei dem er sich einige Zeit in Bolivien aufhielt. Der Kommandeur einer Partisanenbrigade während der Resistenza gegen Hitlerdeutschland, der vielen Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt finanziell half, hatte auch den Kongress in Westberlin mit einer größeren Summe unterstützt. Der Studentenführer Rudi Dutschke sah die Aufgabe des Kongresses darin, die Basis für eine globale Befreiungsbewegung gegen „Imperialismus“ und „Kapital“ zu legen.

Die Teilnehmer feierten enthusiastisch die zwei Wochen vorher während des buddhistischen Neujahrsfestes von den Befreiungskämpfern in ganz Südvietnam begonnene Tet-Offensive, in deren Verlauf die Front National de Liberation (FNL) zahlreiche US-Stützpunkte angriff, in die US-Botschaft in Saigon eindrang, zu dieser Zeit in der Stadt Straßenkämpfe anhielten und  die Kaiserstadt Hue von ihnen besetzt war. Der Kongress bezog klare antiimperialistische Positionen, verurteilte entschieden die Beteiligung der BRD an der US-Aggression, solidarisierte sich mit dem bewaffneten Befreiungskampf in Südvietnam und dem sozialistischen Aufbau in der Demokratischen Republik Vietnam (DRV).

Diese Protestbewegung war in der Bundesrepublik Deutschland nach der Ausdehnung der im August 1964 begonnenen Luftangriffe der USA auf ganz Nordvietnam, die DRV, und die Landung der ersten Bodentruppen in Südvietnam 1965 zu einer breiten Solidaritätsbewegung verschiedenster Organisationen und Gremien angewachsen. Sie erhob ihre Stimme nicht nur gegen den verbrecherischen Krieg in Vietnam und dessen aktive Unterstützung durch die BRD, sondern solidarisierte sich ebenso mit dem nationalen Befreiungskampf des vietnamesischen Volkes und gewährte ihm auch materielle Hilfe. Anhänger der Solidaritätsbewegung bezogen radikaldemokratische, antikapitalistische, antiimperialistische und auch sozialistische Positionen.

Die erste Organisation entstand im Juli 1965 mit der „Hilfsaktion Vietnam“, die Persönlichkeiten aus Kirchen, Gewerkschaften und der Deutschen Friedensgesellschaft, unter ihnen Weltkirchenratspräsident D. Martin Niemöller, gründeten. Ihr schlossen sich u. a. Prof. Max Born, der Präses der evangelischen Kirche Westfalens, D. Ernst Wilm,  der Rabbiner Dr. Robert Raphael Geis, die Professoren Eugen Kogon, Renate Riemeck und der Schriftsteller Martin Walser an. Im Januar 1967 folgte eine Delegation mit Martin Niemöller und dem Generalsekretär der Caritas, Monsignore Dr. Georg Hüssler, einer Einladung des Roten Kreuzes der DRV. Sie erlebten in Nordvietnam die barbarischen Verbrechen der US-Luftwaffe an der Zivilbevölkerung. Ihre Berichte trugen dazu bei, dass das Spendenaufkommen bis zum 11. September auf 1 139 268,34 DM anwuchs, in den folgenden Jahren Millionenhöhe erreichte. Eine aktive Rolle spielten – nach der Neukonstituierung – die DKP und die SDAJ mit Rolf Priemer an der Spitze.

Großen Einfluss übte die „Kampagne für Abrüstung“ (KfA) aus, die die machtvollen „Ostermärsche der Atomwaffengegner“ (1968 mit 300 000 Teilnehmern) organisierte. Ihre eindeutige Aussage, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Krieg und eine Aggression der USA handelte, gab ihr ein klares politisches Profil. Auf ihre Initiative entstanden in Bundesländern und vielen Städten Vietnamkomitees, in denen es zum Zusammenwirken eines breiten politischen Spektrums – Liberale, Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschafter, Vertreter der Kirchen, Jugendorganisationen, Studenten – kam. So gehörten am 20. Januar 1973 zu den rund 30 000 Menschen, die in Dortmund unter der Losung „Frieden und Unabhängigkeit für Vietnam – jetzt!“ demonstrierten, der DKP-Aktivist und SDAJ-Vorsitzende Rolf Priemer und Jürgen Möllemann von den Jungdemokraten, die Arm in Arm in der ersten Reihe gingen.

Auftrieb ging auch vom Interna­tionalen Russell-Tribunal zur Untersuchung der in Vietnam von den USA begangenen Kriegsverbrechen aus, das im Mai 1967 in Stockholm und im November/Dezember in Roskilde/Dänemark tagte. Ein weiterer mobilisierender Faktor wurde im Juli 1967 in Stockholm die „Weltkonferenz über Vietnam“, an der 462 Persönlichkeiten aus 63 Ländern, über 200 nationale Organisationen und Vietnamkomitees sowie 22 internationale Gremien teilnahmen. Der damalige schwedische Ministerpräsident Olof Palme nahm zeitweilig an der Konferenz teil. Unter den 14 Teilnehmern aus der Bundesrepublik befanden sich die KfA, der SDS, die DfG und die „Hilfsaktion Vietnam“. Die Konferenz verurteilte in einem Appell den USA-Krieg als Aggression und Völkermord, forderte die sofortige Beendigung und den bedingungslosen Abzug der USA, die Respektierung der Genfer Indochina-Abkommen von 1954.

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"Höhepunkt der Solidaritätsbewegung", UZ vom 23. Februar 2018



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