Senat stimmt über Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ab

Historische Chance für Argentinien

Als „grüne Welle“ ist die Frauenbewegung Argentiniens in den vergangenen Jahren zu einem weit über die Grenzen des südamerikanischen Landes hinauswirkenden Beispiel geworden. In vielen anderen Ländern tragen Frauen inzwischen ebenfalls das grüne Halstuch, wenn sie gegen die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und gegen die Gewalt an Frauen auf die Straße gehen.

Nun könnten die Frauen vor einem entscheidenden Erfolg stehen. Am 29. Dezember soll der Senat, das Oberhaus des argentinischen Parlaments, über einen Gesetzentwurf abstimmen, der Abtreibungen in bestimmten Grenzen legalisieren soll. Das von Präsident Alberto Fernández eingebrachte Gesetz sieht vor, dass Schwangerschaftsunterbrechungen bis zur 14. Woche straffrei bleiben. Spätere Unterbrechungen sollen möglich sein, wenn die Frau vergewaltigt wurde, es sich um Mädchen bis 13 Jahren handelt oder das Leben der Frau in Gefahr ist. Ein interessanter Aspekt dabei: Der Gesetzestext umfasst ausdrücklich nicht nur Frauen und Mädchen, sondern auch „andere Identitäten mit der Fähigkeit zur Schwangerschaft“. Damit erkennt Argentinien einmal mehr diejenigen an, die sich weder dem männlichen noch weiblichen Geschlecht zuordnen können oder wollen.

Eine wichtige Hürde auf dem Weg zur Verabschiedung hat das Gesetz am 11. Dezember genommen, als es im Unterhaus, der Abgeordnetenkammer, mit 131 gegen 117 Stimmen verabschiedet wurde. Das Ergebnis wurde von tausenden Frauen gefeiert, die sich in Buenos Aires vor dem Parlamentsgebäude versammelt hatten. Begeistert schwenkten sie ihre grünen Tücher und riefen ihre Slogans.

So weit war die Frauenbewegung in dem südamerikanischen Land vor zwei Jahren schon einmal. Doch 2018 blockierte der Senat das Gesetz, und auch diesmal ist ein Erfolg alles andere als sicher. Schon die Annahme des Antrags zur Beratung im Oberhaus ging nur nach kontroverser Debatte mit äußerst knapper Mehrheit durch – und aktuelle Prognosen schließen nicht aus, dass eine Mehrheit der Senatoren gegen die Vorlage stimmen wird. Dabei verfügt das regierende Mitte-Links-Bündnis „Frente de todos“ über die absolute Mehrheit im Oberhaus, doch 16 der 41 Senatoren dürften sich gegen das Gesetz aussprechen. Sie beugen sich damit einer wütenden Kampagne der katholischen Kirche, evangelikaler Sekten und reaktionärer Parteien. Zudem geht es um Machtkämpfe innerhalb des heterogenen Regierungslagers.

Frauenministerin Elizabeth Gómez Alcorta warnte deshalb davor, die Abstimmung im Senat für einen Angriff auf den Staatschef zu missbrauchen. „Wenn die Stimmen nicht ausreichen, werden wir Frauen die Verliererinnen sein, nicht der Präsident“, sagte sie dem Rundfunksender „AM 750“. Die Regierung hoffe, noch vor Ende dieses Jahres das Gesetz durchgesetzt zu haben, auch wenn dies im Senat schwerer zu erreichen sein werde als in der Abgeordnetenkammer.

Um ein erneutes Scheitern des Projekts zu verhindern, rufen Frauenverbände und linke Organisationen dazu auf, die Diskussion im Oberhaus mit Kundgebungen und einer Mahnwache vor dem Senatsgebäude zu begleiten. Chavela Miño, Funktionärin des Gewerkschaftsbundes CTA, erinnerte in der Wochenzeitung der Kommunistischen Partei Argentiniens, „Nuestra Propuesta“, daran, dass das Verbot der Abtreibungen in erster Linie arme Frauen trifft, die zu illegalen Schwangerschaftsunterbrechungen gezwungen werden. „Es ist notwendig, das Gesetz über die freiwillige Schwangerschaftsunterbrechung zu verabschieden, damit die Frauen, die sich dazu entschließen, Zugang zu sicherer und kostenfreier Betreuung in den öffentlichen Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen des ganzen Landes haben.“ Das Gesetz müsse jetzt verabschiedet werden, „Wir wollen keine weiteren toten Frauen!“

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"Historische Chance für Argentinien", UZ vom 24. Dezember 2020



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