Am Montag waren im Libanon Schulen und Geschäfte geschlossen – wegen der bevorstehenden Wahl eines neuen Präsidenten. Mehr als zwei Jahren war der Libanon ohne Präsidenten – keiner der Kandidaten konnte bei der Wahl durch die Parlamentsabgeordneten die nötige Mehrheit erzielen. Zu tief ist die politische Spaltung zwischen den Blöcken der „Koalition 14. März“ und der „Allianz des 8. März“.
Die Namen der beiden Blöcke gehen auf den Prozess zurück, in dem die syrische Armee nach Protesten gegen ihre Anwesenheit und ihren Einfluss und auf Druck der USA – eine US-Ministerin prägte dafür den Namen „Zedernrevolution“ – den Libanon verlassen musste. Dies geschah am 14. März 2005, und das Datum war namensgebend für die Koalition des 14. März. Insbesondere die „Zukunftsbewegung“ (Future Movement) von Saad Hariri gibt hier den Ton an. Sie vertritt eine neoliberale Politik und hat enge Verbindungen zu den USA und Saudi-Arabien.
Bevor die syrische Armee den Libanon verließ, gab es in Beirut am 8. März 2005 eine große Demonstration zur Unterstützung Syriens. 500 000 Teilnehmer dankten Syrien für die positive Rolle bei der Beendigung des libanesischen Bürgerkrieges und für die Unterstützung des Widerstands gegen Israel. Daher der Name „Allianz des 8. März“, die zentrale Kraft der Allianz ist Hisbollah.
Im Krieg gegen Syrien unterstützt das Future Movement die Feinde der syrischen Regierung, während Hisbollah auf Seiten der Regierung kämpft.
Die Gruppe um Hariri ist sunnitisch geprägt und die um Hisbollah schiitisch. Aber beide Blöcke umfassen christliche und drusische Gruppen und damit wichtige Teile der libanesischen Gesellschaft. Eine weitere Komponente ist die soziale Frage. Die Credit Suisse zählt den Libanon zu den Ländern, in denen die Schere zwischen Reich und Arm am weitesten auseinanderklafft. 50 Prozent der Erwachsenen besitzen weniger als 5 300 Dollar – zugleich blühen in Beirut Showrooms von Ferrari und anderen Luxusherstellern.
Die politischen Institutionen des Libanon sind in ein enges Korsett von Vorgaben in Hinsicht auf religiöse und ethnische Strukturen gepresst. Wichtige Entscheidungen verbleiben in der Hand von politischen Dynastien, die Macht erhielten aufgrund ihres Reichtums oder ihres militärischen Einflusses.
Praktische Entscheidungen der Regierung scheitern immer wieder an den gegensätzlichen Interessen einflussreicher Gruppen und Dynastien und an der Korruption. Ein Beispiel dafür war die Müllkrise des Jahres 2015: Anwohner hatten die Schließung einer Müllkippe durchgesetzt, die schon seit Jahren überfällig war. Ineffizienz der Regierung und Korruption waren die Ursache dafür, dass eine neue Deponie nicht eröffnet wurde. Müllberge blockierten die Straßen in Beirut und führten zu Protesten und Demonstrationen. Die Hisbollah erklärte, sie unterstütze friedliche Proteste gegen die umfassende Korruption.
Gegenseitige Blockaden der großen politischen Blöcke sind Alltag im Libanon. So war es keine kleine Überraschung als Saad Hariri, der Führer des Future Movement ankündigte, die Wahl von Michel Aoun zum Präsidenten des Libanon zu unterstützen. Der 83-jährige Aoun war einer der Akteure im libanesischen Bürgerkrieg und bekämpfte damals den syrischen Einfluss. Heute ist er ein Verbündeter der Hisbollah.
Hariris Unterstützung für Aoun rief einiges Stirnrunzeln bei Anhängern und Hintermännern seiner Partei hervor. Eine Änderung der Politik der Zukunftsbewegung ist dennoch nicht zu erwarten. Aoun wurde vergangenen Montag wie erwartet zum Staatspräsidenten gewählt.