Wagenknecht geht in die zweite Reihe von „aufstehen“, andere lassen es ganz sein

Hingehen

Von Wera Richter

Wer solche Freunde und Genossen hat, braucht keine Feinde. Die Reaktionen auf den Rückzug Sahra Wagenknechts aus den ersten Reihen der Partei „Die Linke“ und der Sammlungsbewegung „Aufstehen“ lassen erahnen, warum die Frau in die Knie gegangen ist.

Die einen wie MdB Jan Korte befürchten, ein Gesicht und Zugpferd für künftige Wahlkämpfe der Linkspartei vor allem im Osten des Landes zu verlieren. Auf die dazugehörigen Inhalte – konsequente Friedenspolitik inklusive der Forderung nach Frieden mit Russland, klare EU-Kritik und rote Haltelinien für Regierungsbeteiligungen – verzichten sie gerne. Und ausgerechnet Kritiker von „Aufstehen“ werfen Wagenknecht nun Verantwortungslosigkeit vor: Die Art und Weise, wie sie sich von der Sammlungsbewegung verabschiedet habe, zeige „wie wenig Respekt sie vor Leuten hat, die ihr nicht mehr nützlich erscheinen“, urteilt der Bundestagsabgeordnete Thomas Nord. Und ausgerechnet Berlins Linke-Chefin Katina Schubert meint, man dürfe nicht mit Menschen und ihren Erwartungen spielen.

„Politisch nicht verantwortlich“ nennen auch elf Vorstandsmitglieder von „Aufstehen“, darunter Antje Vollmer, Marco Bülow und Michael Brie, das Verhalten Wagenknechts – um im gleichen Atemzug ihren eigenen Rückzug kundzutun. Sie plädieren für ein linkes Denklabor, um der erdrückenden Übermacht neokonservativer Think-Tanks etwas entgegenzusetzen. Das setze feste Mitgliedschaften, Mitgliedsbeiträge … und Kooperationen mit Gruppen wie Attac, Solidarische Moderne, DiEM, Demokratie Jetzt und Unteilbar voraus.

Den Basisgruppen von „Aufstehen“ rufen sie zu, nicht länger auf sie zu setzen und stattdessen allein weiter zu machen: „Besetzt den öffentlichen Raum. Bestimmt die Diskurse über Notwendigkeiten und Möglichkeiten gesellschaftlicher Veränderung. Bleibt demokratisch und gewaltfrei, aber nicht harmlos. Werdet weder dogmatisch, noch beliebig …“

Wagenknecht hat einen anderen Anspruch formuliert. „aufstehen“ soll Menschen „jenseits des akademischen Milieus“, die das Gefühl haben, nicht mehr gehört zu werden, die abgehängt sind, die enttäuscht und wütend sind, ernst nehmen und in Aktion bringen. Das hat ihr auch Rassismusvorwürfe eingebracht. Wagenknecht wendet es im Interview mit dem „Spiegel“ andersherum: „Wer die Rechtsentwicklung stoppen will, muss die klassisch sozialdemokratische Wählerschaft erreichen, Arbeitnehmer mit mittlerem Einkommen, Gewerkschafter und die Millionen, die heute in prekären Arbeitsverhältnissen für niedrige Löhne schuften müssen.“ Das gelinge heute weder SPD noch Linkspartei – wir denken in Klammern „ … und auch nicht der DKP“.

Auf einer Podiumsdiskussion in Hamburg zog Wagenknecht in der vergangenen Woche vor mehreren hundert TeilnehmerInnen mit Blick auf die Klientel positive Bilanz. Unter den 170000, die sich bei „Aufstehen“ registriert haben, seien nur 5 000 SPD- und 10000-Linke-Mitglieder. Der überwiegende Teil sei nicht organisiert. Sollte sich dieses Verhältnis in den Ortsgruppen wiederfinden, ist die Verantwortung in der Tat groß.

Fährt „aufstehen“ sang- und klanglos vor den Baum, besteht die Gefahr, dass sich die aktiv gewordenen frustriert und mit neuer Wut im Bauch abwenden. Bei allen Frage an die linken Politprofis Wagenknecht, Lafontaine & Co., warum es so gelaufen ist wie es gelaufen ist, kann es nur heißen: hingehen, um politische Perspektiven diskutieren und gemeinsam in die Aktion gehen. Unsere Genossen in Sachsen machen uns das am 27. April (11 Uhr, Elbebrücke, Denkmal der Begegnung) mit der Demonstration „Abrüsten statt Aufrüsten – Frieden mit Russland“ in Torgau vor.

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"Hingehen", UZ vom 22. März 2019



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