NRW will mit eigenem Versammlungsgesetz Grundrechte schleifen

Hin zum Polizeistaat

Im Schatten der Pandemie plant die NRW-Regierung unter dem neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet einen breit angelegten Angriff auf das Demonstrationsrecht. Das von CDU-Innenminister Herbert Reul vorgelegte „Gesetz zur Einführung eines nordrhein-westfälischen Versammlungsgesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften“ soll die Grundrechte von Demonstrationsteilnehmern und die der Organisatoren von Protesten beschneiden. Es sei der „perfide Versuch, die Versammlungsfreiheit zu schleifen“, sagte Michèle Winkler, Referentin beim „Komitee für Grundrechte und Demokratie“. „Nach der Verschärfung des Polizeigesetzes 2018 geht NRW mit diesem Gesetzentwurf einen weiteren Schritt in Richtung Polizeistaat“, kritisiert der nordrhein-westfälische Landesverband der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA).

Geht es nach Reul und Laschet, soll künftig die Videoüberwachung von Demonstrationen ausgebaut werden. Anmelder und Ordner von Protesten sollen verstärkt von den Behörden ins Visier genommen werden und die Polizei die Möglichkeit bekommen, Kontrollstellen an Versammlungsorten aufzubauen und Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu identifizieren und zu durchsuchen.

Auch auf das äußere Erscheinungsbild von Demonstrantinnen und Demonstranten will Reul Einfluss nehmen – mit einem sogenannten „Militanzverbote“. Demonstrationen dürften nicht „einschüchternd“ wirken und keine „Gewaltbereitschaft“ ausstrahlen. So soll künftig ein gemeinsames Auftreten kriminalisiert werden, was unter anderem auf die Proteste der Umwelt- und Klimaschützer von „Ende Gelände“ abzielt, die in der Vergangenheit mehrfach in weißen Maleranzügen an Protesten teilgenommen hatten.

Hinzu kommt ein sogenanntes „Störungsverbot“, das fortan unterbinden soll, dass angemeldete und genehmigte Kundgebungen durch Gegendemonstranten gestört werden dürfen. Damit dürften zukünftig bereits Aufrufe, Aufmärsche von Faschisten zu be- oder verhindern, strafbar sein, von tatsächlichen Blockaden ganz zu schweigen.

Perfiderweise versucht Reul die geplanten Grundrechtseinschnitte als Beitrag im Kampf gegen Rechts zu verkaufen. „Rechtsextreme Propaganda, die sich am Rande der Legalität bewegt, soll durch das neue Gesetz präziser unterbunden werden“, behauptet der Minister auf der Internetseite des Innenministeriums. Dagegen wendet VVN-BdA NRW ein, dass „bereits ein Aufruf zur gewaltfreien Blockade von Aufmärschen neofaschistischer und rechtspopulistischer Parteien und Gruppierungen unter Strafandrohung von bis zu zwei Jahren gestellt werden. Auch angemeldete Gegendemonstrationen wären davon betroffen. Damit würde das Versammlungsgesetz die Straße für Neofaschisten und Rechtsextremisten frei machen.“

Schon als Reul am Mittwoch vergangener Woche seinen Entwurf in den Landtag eingebrachte, rührte sich Widerstand. Rund 150 Menschen folgten dem Aufruf der Düsseldorfer Ortsgruppe der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) und protestierten vor dem Landtag. „Wir erkennen dieses Gesetz als das an, was es eigentlich ist: Ein weiterer Schritt des reaktionären Staatsumbaus, der Versuch linken Protest zu kriminalisieren und Aktivistinnen und Aktivisten einzuschüchtern“, hieß es dazu im Aufruf. In Köln gingen vergangenen Samstag über 300 Menschen, organisiert vom Bündnis „Köln gegen Rechts“, auf die Straße und kündigten an, den „Widerstand gegen dieses ‚Versammlungsverhinderungsgesetz‘“ in den nächsten Wochen auszuweiten.

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"Hin zum Polizeistaat", UZ vom 5. Februar 2021



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