Es war ein echter Einschnitt, wenngleich außerhalb Italiens erst nach einigen Tagen registriert wurde, was da eigentlich geschehen war, als in der Nacht vom 12. auf den 13. März ein Airbus A350 der China Eastern auf dem Flughafen Rom-Fiumicino landete. Das Flugzeug hatte ein Team von neun chinesischen Medizinern plus 31 Tonnen Hilfsgüter an Bord, vor allem Schutzkleidung und Ausstattung für die Intensivpflege – Material also, das im Kampf gegen das Covid-19-Virus benötigt wird, gerade im besonders hart von der Pandemie erschütterten Italien. Um derlei Material zu erhalten, hatte die italienische Regierung schon Ende Februar den Zivilschutz-Mechanismus der EU aktiviert, der es eigentlich ermöglichen soll, dass ein Mitgliedsstaat, der in einer Notlage steckt, von den anderen Ländern der Union Hilfe bekommt. Leider kam aber nichts, und die Vormacht der EU, die Bundesrepublik, verhängte am 4. März auch noch demonstrativ einen Exportstopp für medizinische Schutzkleidung. Rom hatte keine Wahl: Es wandte sich mit seiner Bitte um Hilfe nun an Peking – und die chinesische Regierung ließ sich nicht zweimal fragen.
Eine „Seidenstraße der Gesundheit“: So hat Chinas Präsident Xi Jinping schon vier Tage nach der Ankunft des China-Eastern-Airbus in Rom die Absicht genannt, im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie die Hilfslieferungen sowie die Entsendung chinesischer Mediziner nach Europa zu verstetigen. Schon bevor es der Volksrepublik gelungen war, das Virus im eigenen Land erfolgreich einzudämmen, hatte sie begonnen, andere Länder in diesem Kampf zu unterstützen. Zuerst waren das Iran und der Irak, und das mochte aus Sicht der westlichen Mächte noch durchgehen, denn schließlich half Peking da zwei eher schwachen Ländern. Seit es nun aber auch in zunehmendem Maße Hilfslieferungen nach Europa schickt – nicht nur nach Italien, auch nach Spanien, Frankreich, Griechenland –, sieht die Sache ganz anders aus. Hilfe leisten – das war gewöhnlich ein Privileg der wohlhabenden, der starken Staaten, seit 1990 der Staaten des Westens, die damit stets auch eine gewisse Überlegenheit gegenüber den schwächeren Empfängern ihrer Zuwendungen demonstrieren konnten. Dieses Verhältnis hat sich jetzt mit Chinas Unterstützung für diverse europäische Länder zumindest punktuell umgedreht.
Und: Selbstverständlich ist Hilfe nicht nur Hilfe. Sie ist geeignet, Bindungen zu schaffen – und das genau dort, wo die EU versagt hat, etwa in Italien. Für die Bundesrepublik, deren Dominanz über die Union damit angekratzt wird, ist das eine Herausforderung; die giftigen Kommentare deutscher Medien über Chinas Unterstützung für Italien, für Spanien und weitere Länder kommen ebenso wenig von ungefähr wie die Tatsache, dass Deutschland sich inzwischen dazu durchgerungen hat, eine verspätete eigene Hilfslieferung nach Italien zu schicken und einige Covid-19-Patienten aus dem Land in deutschen Krankenhäusern zu behandeln. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell wettert, diagnostiziert einen „Kampf um Einfluss“ mittels einer „Politik der Großzügigkeit“ – und verlangt, die Union müsse dem entschlossen entgegentreten. Nur – kann man denn wirklich etwas gegen Hilfe einwenden, nur weil sie aus China kommt? Soll die italienische Bevölkerung auf die ausgestreckte Hand einschlagen, nur um Deutschlands Anspruch auf Dominanz über die EU Rechnung zu tragen?
Womöglich gelingt es Peking tatsächlich, über Hilfslieferungen seinen Einfluss in Ländern wie Italien zu stärken – ganz so, wie es dies schon über wirtschaftliche Zusammenarbeit im Rahmen der Neuen Seidenstraße geschafft hat. Das wäre aus Sicht der Volksrepublik viel wert, denn es könnte vielleicht dazu beitragen, die Attacken des langfristig absteigenden Westens gegen das aufsteigende China ein wenig zu dämpfen. Die Volksrepublik hat das Zeug, ökonomisch zur globalen Nummer eins zu werden – jedenfalls dann, wenn es ihr gelingt, einen Krieg des Westens gegen sie zu verhindern. Dazu trägt ein sanfter Einflussgewinn in Europa bei.