Für die Beschäftigten der Straßenbetriebe bringt der Autobahn-Deal der Bundesregierung Unsicherheit über ihre künftige Arbeit. Für Unternehmer bedeutet er Milliardengeschenke aus der Maut und aus Steuergeldern.
Anfang Juni 2017 hat die damalige Große Koalition im Bundestag einen Multi-Milliarden-Deal zur Neuordnung der Finanzen zwischen Bund und Ländern beschlossen. Teil des Pakets: die Autobahn GmbH.
Bisher kümmern sich die 16 Bundesländer um Planung, Bau und Erhalt der Autobahnen. Dafür erhalten sie Geld vom Bund. Von 2021 an soll eine bundeseigene GmbH in Berlin mit zehn regionalen Töchtern das Management der Autobahnen übernehmen. Die Infrastrukturgesellschaft Autobahn (IGA) erstellt jeweils für fünf Jahre Finanzierungs- und Umsetzungspläne, die vom Haushalts- und Verkehrsausschuss des Bundestags bestätigt werden müssen. Finanziert wird die Gesellschaft vom Bund mit Steuermitteln und Einnahmen aus der Lkw- sowie der geplanten Pkw-Maut. Die Gesellschaft ist laut dem neuen Gesetz unveräußerliches Eigentum des Bundes.
Der entsprechende Gesetzestext schränkt anscheinend die Privatisierung der Autobahnen ein. Tatsächlich läuft er aber darauf hinaus, dass bis zu 100 Kilometer Autobahn in Projekten der Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP) gebaut werden dürfen.
Ungeklärte Arbeitsbedingungen
Die Gründung der IGA bedeutet, dass Steuergelder umverteilt werden – aber auch Menschen. So müssen laut dem Gesetz zur Gründung der IGA bis zum 31. Dezember 2018 alle Kolleginnen und Kollegen, die in den 16 Landesbetrieben und Verwaltungen mit der Arbeit an Autobahnen beschäftigt waren, so wie alle die, die freiwillig in den neuen Betrieb wechseln wollen, gemeldet werden. Das Problem ist aber, dass noch niemand weiß, zu welchen Bedingungen in der IGA gearbeitet werden soll, da bis heute noch kein Tarifvertrag existiert. Nur ein Tarifvertrag könnte den Beschäftigten einen sicheren Übergang ermöglichen. Die Verhandlungen sind angelaufen, aber ob sie bis zum Jahresende einen Abschluss finden, ist fraglich.
Ob aber rechtzeitig vor Jahreswechsel die Arbeitsbedingungen bekannt sind, ist mehr als fraglich. Was bis dahin genau so wenig geklärt sein wird sind Überleitungstarifverträge der Altbeschäftigten.
Im Gesetz ist jedem wechselwilligen Beschäftigten zugesichert, zu seinen bisherigen Tarifbedingungen weiter zu arbeiten. In den existierenden 16 Landesbetrieben oder Verwaltungen sind aktuell mindestens 18 Tarifverträge gültig. Daraus einen oder mehrere Übergangstarifverträge zu basteln, stellt sowohl für den Bund als auch die Gewerkschaften eine Mammutaufgabe dar.
Das Gesetz besagt, dass, wer nicht in die IGA wechseln will, bei dem bisherigen Arbeitgeber bleiben darf. Sie werden dann, so sie bis Ende 2018 überwiegend an Autobahnen gearbeitet haben, per „Gestellung“ für die IGA arbeiten. Im Klartext: Mensch wird von seinem alten Arbeitgeber an die IGA ausgeliehen. Was sich im ersten Moment sicher anhört, hat aber einen Pferdefuß: Sollte die neue Autobahn-Gesellschaft ein Teilstück (bis 100 km Autobahn) in einem ÖPP-Modell sanieren oder ausbauen, wären plötzlich mindestens 150 Kolleginnen und Kollegen, die bei der IGA gestellt wurden, überflüssig. Dass die Länder dann mal eben 150 Arbeitskräfte irgendwo unterbringen können und wollen, darf stark bezweifelt werden. So droht in so einem Fall eine betriebsbedingte Kündigung.
Ebenso sind nach Aussage von Verkehrsminister Scheuer der überwiegende Teil der bisherigen Standorte als Dienststellen sicher. Was mit dem Teil passieren soll, der nicht sicher ist, steht noch in den Sternen. Allein in NRW betrifft das gut 800 Kolleginnen und Kollegen auch und gerade im unteren Einkommensbereich, die nicht wissen, ob und wie lange ihre Dienststelle noch existiert.
Teure Partnerschaft
Für Unternehmer ist die neue Regelung ein gutes Geschäft. Laut Bundesrechnungshof sind die bisherigen Pilotprojekte für ÖPP im Schnitt rund ein Viertel teurer für den Staat, als wenn er die Straßen selbst gebaut hätte. Logisch: Irgendwo muss die Rendite herkommen. Alles, was Investoren Geld bringt, kostet die Bürger Geld. In bisherigen ÖPP tritt der Staat regelmäßig seine Einnahmen aus der Lkw-Maut auf der Strecke für Jahrzehnte an die Projektgesellschaft ab.
Wenn das nicht reicht, kann der „Gewinnverlust“ dann immer noch eingeklagt werden. Aktuelles Beispiel ist Niedersachsen. Hier ist die „Hansalinie“ genannte Autobahn A 1 zwischen Hamburg und Bremen von 2008 bis 2012 in einer ÖPP sechsspurig ausgebaut worden. Im August 2017 hatte die Betreibergesellschaft „A 1 Mobil“ die Bundesrepublik Deutschland auf Zahlung von 778 Millionen Euro verklagt.
Das Konsortium „A 1 Mobil“, ein Zusammenschluss aus dem Baukonzern Bilfinger Berger, einem britischen Finanzinvestor und dem Bauunternehmen Bunte aus Papenburg, hatte rund 650 Millionen Euro in den Ausbau der A 1 investiert. Im Gegenzug erhalten die beteiligten Firmen 30 Jahre lang einen Teil der Lkw-Maut. Die Gesellschaft begründete ihre Klage damit, dass wegen der Wirtschaftskrise 2008 weniger LKW-Verkehr auf der Autobahn 1 und damit auch weniger Maut in die Kassen geflossen sei als erwartet. Nach Angaben von „A 1 Mobil“ seien die Einnahmen um etwa 50 Prozent eingebrochen. Insgesamt will das Konsortium rund 778 Millionen Euro vom Staat, um die geringeren Einnahmen auszugleichen.
Nach der vor dem Landgericht Hannover verhandelten Millionenklage des privaten Autobahnbetreibers „A 1 Mobil“ gegen die Bundesrepublik Deutschland hat der Vorsitzende Richter beiden Parteien einen Vergleich vorgeschlagen. Demnach soll einerseits die Verteilung der Einnahmen aus der Lkw-Maut neu geregelt werden, zum anderen soll der Bund per Darlehen die finanziell angeschlagene Betreibergesellschaft unterstützen.
Auf den Kompromissvorschlag des Landgerichts reagierten beide Seiten unterschiedlich: Während die Betreibergesellschaft sich kompromissbereit zeigte, sagte ein Anwalt der Bundesregierung, man wolle den Vorschlag zwar diskutieren, werde sich damit aber wohl schwer tun. Das Landgericht erwartet bis Ende August eine Entscheidung beider Seiten.