Die geplante Kapitalbeschaffung für die Nord/LB geht in die heiße Phase“, urteilte Anfang Oktober das „Handelsblatt“ und stellte wie auch andere Medien den gegenwärtigen Stand der Bemühungen dar, die gähnende Lücke an Eigenkapital für die Norddeutsche Landesbank zu schließen. Gerissen hatten die Lücke vor allem Schiffskredite, die im Vertrauen auf eine weitere florierende und (zoll-)schrankenlose kapitalistische Weltwirtschaft großzügig bewilligt worden waren, um riesige Containerschiffe zu bauen, die jetzt irgendwo im Pazifik vor Anker liegen, statt vollbeladen von Hafen zu Hafen zu dampfen. Über sieben Milliarden Euro als unsicher eingestufte Kredite allein in diesem Geschäftsfeld ziehen die Bilanz der Bank nach unten.
Irgendwer muss also frisches Geld in die Bank einschießen, sonst läuft der ganze Laden auf Grund und alle jetzt noch rund 6 000 Kolleginnen und Kollegen müssen von Bord. Dabei hat die Kapitänsbrücke im großkotzig-gläsernen Turm der Bank in Hannover schon den Abwurf von vermeintlichem Ballast angeordnet: 1 500 Arbeitsplätze, also jeder vierte, sind bereits auf der Streichliste.
Wer so leckgeschlagen ist, über dem kreisen in diesem System die Geier. Sie sind alle da: Cerberus, ein US-Investmentbanker, hat Interesse am Einstieg in die Bank angemeldet, aber auch Lonestar, Apollo und andere klangvolle Namen aus der Finanzgeierbranche. Ihre Hoffnungen auf einen fetten Brocken tragen nur deshalb, weil die jetzigen Eigentümer der Bank die Taschen zuhalten: Das Land Niedersachsen, das 60 Prozent der Anteile hält, das Land Sachsen-Anhalt mit 6 Prozent oder die von den Kommunen beherrschten niedersächsischen Sparkassen mit 26 Prozent. Wenn sie wollten, könnten sie die Bank unterstützen – das Geld aus Steuermitteln sprudelt im Moment reichlich.
In Verhandlungen mit dem wenig klassenkämpferischen Personalrat der Bank und der in solchen Fragen immer pragmatischen Spitze der Finanzdienstleistungsgewerkschaft ver.di würde sich ein vernünftiger Weg zur Sanierung der Nord/LB in öffentlicher Hand finden lassen – vielleicht auch unter Einbeziehung anderer Landesbanken oder den öffentlichen Versicherungen. Aber sie wollen nicht. Vor allem die aufgrund der Eigentümeranteile letztlich entscheidende niedersächsische Landesregierung aus SPD und CDU hält demonstrativ die Tür für private Investoren offen. Das wäre – wie das Beispiel der HSH Nordbank, der kleinen, inzwischen erkauften Hamburger Schwester der Nord/LB zeigt – der Anfang vom Ende selbst dann, wenn es zunächst bei einer Minderheitsbeteiligung bliebe. Denn auch eine teilprivatisierte Bank müsste aus rechtlichen Gründen aus dem Verbund der öffentlichen Banken und Versicherungen aussteigen. Wie bei einem Dominospiel würden dann auch mit ihr verknüpfte Institute wie die Öffentlichen Versicherungen Braunschweig, am öffentlichen Nutzen orientierte Gesellschaften im Bereich des Wohnungsbaus, die Toto-Lotto-Gesellschaft und andere auf die Verkaufsliste geraten.
Dagegen entwickelt sich Bewegung – zunächst in Form einer Unterschriftensammlung, die vom ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen angeschoben wurde. Es sei wichtig, heißt es dort, „den öffentlichen Finanzdienstleistungssektor zu erhalten. Deshalb wollen wir eine Öffentliche Nord/LB für die Menschen im Land und für die Wirtschaft in Norddeutschland.“ Am 24. Oktober bleibt es nicht bei Papier – dann sollen die Unterschriften nach einer Kundgebung der niedersächsischen Landesregierung übergeben werden. Das wird an Kampfmaßnahmen nicht reichen, um die Geier abzuwehren – aber es ist ein dringend nötiger Schritt, um wenigstens diese öffentliche Bank zu retten.