Zu Sportgroßereignissen gehören spätestens seit den Olympischen Winterspielen von Sotschi im Februar 2014 Kampagnen gegen Russland. In der ARD hießen sie sprachregelnd „Putins Spiele“. Die offenbar wegen ihrer besonders hasserfüllten Reportagen aus Russland in der Bundesrepublik mehrfach ausgezeichnete WDR-Journalistin Golineh Atai brachte es im Dezember 2013 fertig, andeutungsweise Selbstmordattentate im russischen Wolgograd, bei denen insgesamt 40 Menschen getötet worden waren, russischen Geheimdiensten zuzuschreiben. In deutschen Bürgermedien hieß es, die Anschläge dienten dem Kreml als Vorwand, um in der Olympiastadt und im Land ein Notstandsregime zu errichten. Das geschah nicht, aber es blieb das Doping.
Das gab es vermutlich in Russland wie in allen am olympischen Geschäft beteiligten Staaten, hier aber sollte es ein Staatsprogramm dafür gegeben haben. Kronzeuge des Westens wurde Grigori Rodtschenkow, ehemaliger Chef eines russischen Anti-Doping-Labors, der das pünktlich vor Rio in der „New York Times“ verkündete. Er selbst war kein unbeschriebenes Blatt: 2011 wurde gegen ihn und seine Schwester, die Läuferin Marina Rodtschenkow, wegen des Verkaufs illegaler Drogen ermittelt. Rodtschenkows Aussagen führten zum teilweisen Ausschluss Russlands in Rio, für die Spiele von Tokio 2021 wird Ähnliches vorbereitet. Das US-Repräsentantenhaus durchlief bereits ein „Rodchenkov Act“, der es US-Behörden erlauben soll, international Doping als Straftat verfolgen zu dürfen. Solch Freibrief dürfte Zweck der gesamten Aktion gewesen sein.
Angesichts dessen wird aber offenbar auch bisherigen Kampagnenverbündeten unheimlich. Anfang Juli berichtete „Der Spiegel“ unter der Schlagzeile „Fälschungsverdacht belastet den Whistleblower“, das Magazin habe in den vergangenen Wochen Akten in einem Verfahren vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS eingesehen und frage sich danach, „wie glaubhaft die Aufarbeitung des Sotschi-Komplotts wirklich war. Ob man womöglich dem Whistleblower des Skandals allzu sehr geglaubt hat.“
Die Vorstellung, die USA könnten als „globale Dopingpolizei“ agieren, nennt „Der Spiegel“ „ziemlich abenteuerlich“. Sie hätten selbst bei Verdachtsfällen eigener Sportler oft genug weggesehen. Die Schlacht ist eröffnet.