Rede von Hans Bauer zum Gedenken Ernst Thälamanns am 17. April in Berlin

Heuchelei der heute Herrschenden

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Thälmann-Freundinnen und -Freunde.

Es ist mir eine Ehre, heute hier sprechen zu dürfen. Und das sogar vor einem gereinigten Denkmal, wofür wir besonders unseren Genossinnen und Genossen danken, die sich dafür eingesetzt haben.

Wir haben uns hier versammelt, um des 135. Geburtstages von Ernst Thälmann zu gedenken. Wir gedenken des populären Arbeiterführers, des Kommunisten und des antifaschistischen Widerstandskämpfers, der im August 1944 auf höchstem Befehl im KZ Buchenwald ermordet wurde.

Dieses Denkmal hier ist ein herausragendes Symbol des antifaschistischen Widerstandes. Aber auch der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft. Es wurde von Lew Kerbel gestaltet, Ausdruck des hohen Stellenwertes des Antifaschismus in der DDR und der Verbundenheit mit der Sowjetunion.

Antifaschismus war hier nicht nur Staatsdoktrin, in der sozialistischen Verfassung von 1968 verankert. Antifaschismus gehörte in der DDR zum Alltagsleben.

„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg, Ausrottung des Faschismus mit seinen Wurzeln“, das war der Buchenwald-Schwur. Das war in der DDR Teil des Fühlens, Denkens, Handelns vieler Menschen. Und es war praktische Staatspolitik.

Denkmäler in allen Regionen unseres Landes, Straßen, Plätze, Kollektive, Schulklassen, zivile und militärische Einrichtungen, sie alle erinnerten mit Namen an Antifaschisten, auch an Ernst Thälmann.
Errichtet wurden sie als geschichtliche Zeugen, wie auch dieses Denkmal. Errichtet am Rande eines modernen Wohngebietes mit Park, stets gepflegt. Ich erinnere mich persönlich noch an seine Einweihung im Jahre 1986.

All diese Ehrenorte waren Mahnung und zugleich Verpflichtung.

Und heute?

Die Gedenkstätte in Ziegenhals wurde nach der Annektion der DDR geschleift.
Das Thälmann-Denkmal hier war zu schwergewichtig. Versuche, es auch zu schleifen, hat es genügend gegeben. Von Antikommunisten, wild gewordenen Kleinbürgern und Reaktionären. Zwei Stelen, die zum Denkmal gehören, wurden entfernt. Zu politisch, instrumentalisiert, wie es hieß. Bis heute wird aber weiter versucht, diesen Erinnerungsort zu entwürdigen. Ungepflegt und besudelt stellt es sich zumeist dar.

Ernst Thälmann aber bleibt standhaft.

Erst auf mehrfache Anfrage kamen Antwort und Ankündigung des zuständigen Linken Bürgermeisters: Umgestaltung des Platzes mit Kommentierung ist vorgesehen. Also Umwidmung. Wir kennen ihre Methoden: Relativierung des antifaschistischen Widerstandes, besonders des kommunistischen, Verunglimpfung der Opfer des Faschismus, Verschweigen und Verdrehen historischer Tatsachen.
Dagegen ist unser Widerstand notwendig, so wie gegen weitere Versuche der Umbenennung von Straßen und Plätzen, von denen es noch sehr viele gibt. Wohl allein mit dem Namen Thälmanns um die 600, natürlich in der DDR.

Wie man die DDR entsorgt, zeigte das jüngste Beispiel in Halle. Der Name Sigmund Jähn war nicht würdig genug, um das Planetarium nach ihm zu nennen. Zu sehr mit der DDR verbunden.

Was für eine Geschichtslüge, Heute!

Die BRD gebärdet sich als „Aufarbeiter“ der Vergangenheit. Deutscher Geschichte. Ihre braune Spur verschleiert sie durch Klitterung und Lüge. Vom Faschismus wird ohnehin kaum gesprochen. Vom Nationalsozialismus ist die Rede, um den Sozialismus zu verunglimpfen. Selbst das Wort Neo-Faschismus ist eigentlich falsch; es ist kein neuer Faschismus, es ist der alte Faschismus , nur moderner, mit neuen Methoden, neuem Erscheinungsbild.

Welche Heuchelei der heute Herrschenden.

An der Wiege der BRD standen hochrangige faschistische Verbrecher: Globke, Speidel, Oberländer, Heusinger, Lübke, Filbinger … Jetzt konnten wir anlässlich des 60. Jahrestages des Eichmann-Prozesses lesen, dass der wichtigste Komplize von Eichmann, der Gestapo-Chef von Wien, Huber, viele Jahre BND-Spion war und bis zum Tode 1975 unbehelligt in München lebte. Mit Sicherheit mit einer guten Beamten-Pension.

Ja, die Saat ist aufgegangen, Die giftigen Früchte dürfen wir weiter „genießen“. Eine Antifaschismusklausel hat das GG nicht. Das BVerfG bescheinigt der faschistischen NPD vor Jahren Verfassungsfeindlichkeit, aber keine Gefährlichkeit. Deshalb erfolgte kein Verbot.

Der deutsche Außenminister Westerwelle besuchte den Maidan während des faschistischen Putsches. Bundesdeutsche Politiker bis in die höchsten Ämter relativieren die Verbrechen des Faschismus, Verfälschen Kriegsursachen und Kriegsfolgen.

Um von eigenen Verbrechen abzulenken, unterstellen sie der DDR Menschenrechtsverletzungen und alle möglichen Verbrechen. Deutsche Hassprediger äußern sich zumeist geschmeidiger, raffinierter; ihre Worte sind aber nicht weniger gefährlich. Auch ihren Worten folgen Taten. Ermutigen zu Taten.
Rechtes Gedankengut ist unverändert bis in den Machtzentren des Staates präsent: Polizei, KSK, Bundeswehr, Verfassungsschutz.

Unglaublich, der VS, von Faschisten geprägt, beobachtet heute antifaschistische Organisationen.

Keine Einzelfälle; es hat System. Ja, weil es diesem System innewohnt, dem System immanent ist.

Ich denke, liebe Freunde, der Kampf gegen den Faschismus ist eine erste Verpflichtung, die sich aus Thälmanns Vermächtnis ergibt.

Liebe GenossInnen und FreundInnen!

Und es gibt besonders heute eine zweite Verpflichtung.

Untrennbar mit dem Gedenken an Thälmann verbunden ist das Verhältnis Deutschlands zu Russland. Für Ernst Thälmann war die Sowjetunion als erstes Land auf dem Wege zum Sozialismus Vorbild und Kompass für den Kampf der deutschen Arbeiterklasse und der KPD. Freundschaft und Verbundenheit mit der SU waren dabei für ihn vor allem Garanten für Frieden in Europa. Das lehrte die Geschichte.

In der DDR wurde in diesem Sinne der Sowjetunion tiefe Dankbarkeit als Befreierin vom Faschismus bekundet. Sie hatte die größte Last in der Antihitlerkoalition getragen und mit 27 Mio. Toten und einem verwüsteten Land die meisten Opfer zu beklagen. Der erfolgreiche sozialistische Aufbau der DDR war untrennbar mit der UdSSR verbunden. International hatte die Sowjetunion durch unzählige Friedensinitiativen entscheidenden Anteil daran, dass über Jahrzehnte Frieden herrschte.

Die DDR war dabei engster Verbündeter; für die Mehrheit der Bevölkerung war sie der „große Bruder“.

In der Bundesrepublik wurde auch hier eine gefährliche Traditionslinie fortgesetzt. „Befreiung der Ostgebiete“, „Kampf gegen den Bolschewismus“ wurden zur Staatspolitik unter Adenauer. Kein Wunder, die alte BRD betrachtete sich als Fortsetzung des Deutschen Reiches und setzte in weiten Bereichen dessen Politik fort. Bei allem Auf und Ab der Beziehungen BRD-SU, wirkliche friedliche und freundschaftliche Beziehungen strebte die BRD nie an.

Als die Sowjetunion durch Gorbatschows Verrat die Annektion der DDR betrieb, täuschte sie – Beute witternd – freundschaftliche Beziehungen zu SU/Russland vor. Wie ernst es ihr tatsächlich war und ist, erlebten wir spätestens mit dem neuen Selbstbewusstsein Russlands unter ihrem Präsidenten Wladimir Putin. Heute haben die Beziehungen nicht nur einen Tiefpunkt erreicht, sie bewegen sich sogar – und das im 80. Jahr des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion – am Rande eines Krieges. Fast täglich spitzt sich die Lage zu. Die Ukraine marschiert an der Grenze auf, fordert NATO-Beistand und droht Russland mit einem Krieg und mit dem Bau eigener Kernwaffen. Und Deutschland unterstützt diese aggressive Politik.

Das nun staatlich vereinte Deutschland hat international jedes Maß verloren. Nicht Frieden geht seit 1990 von Deutschland aus, sondern aggressives Verhalten gegenüber anderen Völkern. An der Seite der USA möchte es in der Welt eine Führungsrolle einnehmen. Arrogant drückt es anderen Völkern seine Wertvorstellungen auf, beteiligte sich an Kriegen, rüstet auf und schickt deutsche Soldaten in gegenwärtig 13 Länder der Welt. Die weitere ständige Anwesenheit US-amerikanischer Truppen in Büchel mit Atomwaffen und in Ramstein scheint selbstverständlich zu sein.

Und die Aufstockung der über 30 000 US-Soldaten um weitere 500 wird von den deutschen Politikern noch begrüßt.

Gegenüber Russland bleibt Deutschland im Bunde mit anderen Imperialisten seiner feindseligen, ja feindlichen Politik treu. Vorschläge Putins, so bereits mehrfach nach einem Europa von Wladiwostok bis Lissabon, blieben unbeachtet. Deutschland spielt eine zentrale Rolle beim Aufmarsch von NATO-Truppen an Russlands Grenzen. Mit der bevorstehenden Übung Europe Defense 2021 sollen bis zu 40 000 NATO-Soldaten mit militärischem Gerät die Russische Föderation bedrohen.

Täglich erleben wir, wie die imperialistische BRD verbal, ökonomisch und militärisch gemeinsam mit NATO und EU gegen Russland aufrüstet. Das Land und Einzelpersonen werden mit Sanktionen belegt, Diplomaten ausgewiesen, Wirtschaftsbeziehungen erschwert bzw. verhindert. Es gibt nichts Böses, was Putins Russland nicht unterstellt wird. Gefälschte Nachrichten werden in die Welt gesetzt, Wahrheiten verschwiegen, Völkerrechtstatsachen unterschlagen. Eine gewaltige Manipulation durch Politik und abhängige Medien verdummt hierzulande die Menschen. Die Corona-Pandemie kommt dabei gerade recht.

Im Zusammenhang mit der Krim, den neuen Republiken Donezk und Lugansk, Syrien, Navalny und Weiterem werden Verbrechen Russlands behauptet. Sachfragen und Prinzipien des Internationalen Rechts, wie Volkssouveränität, legitimer Beistands auf Bitten einer rechtmäßigen Regierung, juristische Beweisführung, Rechtshilfe zwischen Staaten, vor allem aber das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, bleiben gewollt unbeachtet, obwohl es die Verantwortlichen besser wissen, wie der deutsche Außenminister, ein Spitzenjurist der BRD.

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist gegen weitere Militarisierung Deutschlands und gegen Feindschaft gegen Russland. Nicht nur ehemalige DDR-Bürger empfinden es als Beleidigung ihrer Gefühle, wie hierzulande mit Russland umgegangen wird. Besonders empört uns und viele unserer Verbündeten in den alten Bundesländern, dass auch das DDR-Territorium als Aufmarschgebiet missbraucht wird. Nach wie vor ist hier die Verbundenheit zu Russland und den anderen ehemaligen Völkern der Sowjetunion tief verwurzelt. Diese Verbundenheit lassen wir uns nicht nehmen.

GenossInnen und FreundInnen!
Wir üben feste Solidarität mit der Russischen Föderation und ihrem Präsidenten. Wir fordern auch von dieser Gedenkveranstaltung Frieden und Freundschaft mit Russland.

Liebe Genossinnen und Genossen!
Ernst Thälmann kämpfte als Vorsitzender der KPD für eine Partei, die als starke Kraft für die politischen Kämpfe legitimiert und fähig ist. Durch Einheit und Klarheit auf marxistisch-leninistischer Grundlage. Er wies immer wieder auf den Zusammenhang zwischen Kriegspolitik und Profitinteressen des Kapitals sowie auf die notwendige Aktionseinheit hin, wie Wilhelm Pieck in einer Gedenkrede 1949 betonte.

Deutsche Antifaschisten haben nach 1945 notwendige Schlussfolgerungen gezogen. Vor genau 75 Jahren gründete sich die SED. Unter ihrer Führung wurde über Jahrzehnte erfolgreich der sozialistische Friedensstaat DDR aufgebaut.

Nutzen wir unsere Erfahrungen aus den großen Erfolgen, aber auch aus der schweren Niederlage 1990 für unsere heutigen Kämpfe!

Entlarvung von Fälschung und Lüge sowie Aktionseinheit gegen Faschismus und Krieg, das muss aktuell unsere wichtigste Lehre im Thälmannschen Sinne sein.

Bleiben wir trotz aller Widrigkeiten, gesellschaftlicher und persönlicher, solidarisch, standhaft und optimistisch! Wie es Ernst Thälmann vorlebte und uns lehrte.

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