Seit der Aggression der Russischen Föderation in der Ukraine wird nur die Frage diskutiert, wie viel und welche Waffen in die Ukraine exportiert werden sollen. Alternative Ansätze, wie Frieden geschaffen werden könnte, etwa durch Verhandlungen, Diplomatie, das Schweigen der Waffen, den Aufbau von Vertrauen durch Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der beteiligten Staaten und Menschen, spielen in der rot-grün-gelben Regierung keine Rolle. Die Bevölkerung wird politisch und medial abgelenkt davon, wie das UN-Konzept der „menschlichen Sicherheit“ erreicht werden kann, das mehr als den Schutz des Staates umfasst. Essentieller Teil ist der Schutz des Individuums und seiner Menschenwürde, der Schutz vor physischer Gewalt, vor weiteren Bedrohungen der Lebensgrundlagen wie Umweltzerstörung oder Krankheit.
Derweil wird uns ein Schauspiel von Uneinigkeit und vermeintlicher Besorgnis vorgegaukelt. Keine schweren Waffen in die Ukraine, lautet das Mantra des SPD-Bundeskanzlers. Schon flogen ihm Herzen mancher Friedensaktivistinnen und -aktivisten, SPD-Mitglieder und -Anhängerinnen und -Anhänger zu. Denn führende Vertreterinnen und Vertreter der kriegsfreudigen grünen Partei wie Baerbock oder Hofreiter wollen lieber heute als morgen schwere Waffen ins Krisengebiet an der Grenze zwischen der NATO und der Russischen Föderation exportieren, den Krieg anheizen, vor allem verlängern. Auch aus der FDP kommen diese Töne, denn dort werden die Interessen der Industrie, konkret der Rüstungskonzerne, bedient. Der Chef des Rüstungskonzerns Hensoldt, Thomas Müller, fordert die Bundesregierung auf, die Ukraine aktiv mit schweren Waffen zu unterstützen. Rheinmetall bot Panzer des Typs „Leopard 1“ an sowie Schützenpanzer und ausgemusterte Kampfpanzer.
Der Kanzler gegen Grün-Gelb? Die Wirklichkeit sieht anders aus: Der Kanzler hat einfach realistischere Militärpraktiker als Berater. Es ist nämlich klar, dass die komplexen Hightech-Geräte, Panzer und andere schwere Waffen, nicht von jedermann/-frau ohne intensive Schulung effizient bedient werden können. Die militär-praktische Lösung wurde gefunden: Internationaler Ringtausch bei Waffenlieferungen. Also doch schwere Waffen in die Ukraine und gleichzeitig so tun, als sei Deutschland nicht Kriegspartei. Aber mit jeder letalen Waffe, egal ob schwer oder „leicht“, ist man völkerrechtlich Kriegspartei.
Als erste soll die slowenische Regierung T-72-Kampfpanzer an die Ukraine abgeben und dafür anderes Mordgerät aus Deutschland erhalten, wie Schützen- und Radpanzer. Das Waffensystem T-72 erfordert keine umfangreiche Zusatzausbildung, da es bereits vom ukrainischen Heer eingesetzt wird. Die slowenische Regierung aber will als Kompensation moderne schwere Waffen. Damit weitet der angebliche „Zauderer“ Scholz die Kriegsmaschinerie aus: Mit anderen Staaten könne ähnlich verfahren werden. Die NATO-Staaten könnten mit den Material aus Deutschland versorgt werden, das bei der Industrie vorrätig sei. Damit beginnt die Aufrüstung weiterer NATO-Mitglieder unter der Oberhoheit der deutschen Regierung. Der perfide Ringtausch reicht dem grünen Kriegstreiber Hofreiter nicht aus. Die deutsche Regierung müsse schwere Waffen liefern.
Tatsächlich jedoch hatte der Kanzler die neue Aufrüstungsorgie eröffnet. Bereits drei Tage nach Kriegsbeginn sprach er von der „Zeitenwende“, erneuerte die Zusage für Waffenlieferungen an die Ukraine, um „Putins Krieg“ zu stoppen und sicherte – ganz nebenbei – den Rüstungskonzernen ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für zusätzliche Aufrüstung zu sowie jährlich sei mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Militär grundgesetzlich abgesichert.
Während Millionen Menschen alles zurücklassen und Bilder von zertrümmerten Wohnhäusern und Leichen auf den Straßen die Grauen des Krieges zeigen, ist der Krieg nicht für alle eine Tragödie. Die Aktienkurse der Rüstungskonzerne explodierten bereits in den ersten Wochen des Krieges. Die Aktien von Rheinmetall stiegen um 65 Prozent von Mitte Februar bis Anfang März, die von Hensoldt um 120 Prozent. Trotz des Schocks, der viele Menschen, auch Friedensaktivistinnen und -aktivisten, ergriffen hatte, bleiben kritisch und realistisch denkende Menschen auf aktivem Antikriegskurs, wie die Ostermärsche zeigen. Sie wissen, auf die rot-grün-gelben Politikerinnen und Politiker ist kein Verlass. Nicht Frieden, sondern Profite und die militärische Großmachtrolle Deutschlands sind ihr Auftrag.
In einem offenen Brief an Scholz fordern die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner wie der Musiker Konstantin Wecker, der Völkerrechtler Norman Paech und die Schriftstellerin Daniela Dahn „die Bundesregierung, die EU- und NATO-Staaten auf, die Waffenlieferungen an die ukrainischen Truppen einzustellen und die Regierung in Kiew zu ermutigen, den militärischen Widerstand – gegen die Zusicherung von Verhandlungen über einen Waffenstillstand und eine politische Lösung – zu beenden“. Die Friedensbefürworterinnen und -befürworter formieren sich wieder!
Unsere Autorin ist Sprecherin des Bundesausschusses Friedensratschlag