Zum 90. Geburtstag des Schauspielers

Herzlichen Glückwunsch, Rolf Becker!

Ulrike Eifler, Patrik Köbele, Melina Deymann

Den Weg der Veränderung weitergehen

Von John Lennon stammt der Satz, Geburtstage seien wie Schallplatten. Wegen der Risse. Und Kratzer. Und weil mit jedem neuen Lied auch eine Chance auf etwas Neues käme. Die Chronologie als Geländer für persönliche und gesellschaftliche Brüche gewissermaßen. Nun ja …

Gramsci hätte diesen Plattenvergleich vermutlich mit der Frage nach der grundlegenden Kontinuität auf den Müllhaufen der Geschichte geschleudert. Und recht hätte er! Zeigen doch gerade die Zeiten, in denen wir deinen 90. Geburtstag feiern, dass die vielen Brüche der Gegenwart in Wahrheit die historische Kontinuität fortsetzen.

Weniger als ein Jahr ist es her, dass du mir erzähltest, wie sehr dich die in die Irre führenden Erklärungen der Regierenden an die Kriegspropaganda deiner Kindheit erinnerten. Und dass du ohne die Eindrücke jener Jahre heute vermutlich so gutgläubig wärest wie viele andere. Da stimmt eine Regierung, die noch nicht im Amt ist, mit den Mehrheiten des abgewählten Parlaments die finanzielle Grundlage für das neu gewählte, aber noch nicht zusammengetretene Parlament durch. Was für ein Eingriff in das demokratische Regelwerk! Ausgerechnet in einem Land, das seine demokratischen Werte ständig und an allen möglichen Orten der Welt „verteidigen“ will!

111 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges ist sie also wieder da, die Zeit der Kriegskredite und mit ihr die Wahrscheinlichkeit eines großen Krieges. Und die parlamentarische Linke? Wie damals auch scheint sie kaum in der Lage, die Tragweite ihrer Beschlussfassung zu überblicken. Dabei ist es nicht mehr zu übersehen: Vor unseren Augen wird der Krieg vorbereitet. Junge Menschen, Kinder sogar, werden auf den Dienst an der Waffe orientiert. Krankenhäuser kriegstüchtig gemacht. Das Schienennetz im Osten Europas an die NATO-Wege angeschlossen. Amerikanische Angriffswaffen in Deutschland stationiert. Es ist eine Entwicklung, die dein unermüdliches und jahrzehntelanges Engagement für den Frieden, das sich wie ein roter Faden durch dein politisches Leben zieht, doppelt und dreifach als notwendig unterstreicht.

Marx würde uns in diesen Zeiten vermutlich raten, in Widersprüchen zu denken und aus ihrer Betrachtung die nötige Zuversicht zu ziehen. Denn dort, wo Unterdrückung, Krise und Krieg das Leben der Menschen prägen, wächst auch die Bereitschaft zum Widerspruch. Es hat also Gründe, dass es bislang noch keine Kriegsbegeisterung gibt. Es hat Gründe, dass die Bundeswehr Rekrutierungsprobleme hat. Es hat Gründe, dass die „Zeitenwende“ kein Selbstläufer ist, sondern mit großer Rücksichtslosigkeit durchgesetzt werden muss. Gegen eine Bevölkerung im Übrigen, die seit 80 Jahren im Frieden lebt. Also schauen wir auf diese offen vor uns liegenden Widersprüche: Junge Menschen haben das Gefühl, dass sie die erste Generation mit der geringsten Zukunftsaussicht sind. Einige von ihnen organisieren sich daher in der Klimabewegung. Andere in Anti-Wehrpflicht-Bündnissen. Zu selten noch kommt beides zusammen. Aber es passiert. Und unsere Gewerkschaften? Die Führung ist zu leise, aber in den vielen regionalen Antikriegs-Bündnissen sind es die Gewerkschafter, die die Diskussionen unbeirrbar vorantreiben. Er ist also da, der Widerspruch auf die Widersprüche unserer Zeit!

In dieser Atmosphäre der Zuversicht erheben wir das Glas auf einen Freund, der uns seit vielen Jahrzehnten mit seiner Klugheit und seiner freundlichen Zugewandtheit ein Beispiel für die Bereitschaft und die Notwendigkeit gibt, NEIN zu sagen. Dein 90. Geburtstag ist daher ein guter Anlass, dafür Danke zu sagen. Und er bietet uns zugleich die Möglichkeit, uns daran zu erinnern, was Marx über Geburtstage sagte: Sie seien ein Datum, das uns an die fortschreitende Zeit erinnert und uns antreibt, den Weg der Veränderung weiterzugehen. Tun wir das! Unerschütterlich. Rastlos. Und ausgestattet mit der Zuversicht, dass sich alles ändern lässt. Trotz alledem! In diesem Sinne gratuliere ich dir auf das Herzlichste, lieber Rolf!
Ulrike Eifler

1316 03 - Herzlichen Glückwunsch, Rolf Becker! - Rolf Becker - Kultur
Beim UZ-Pressefest, Esther Bejarano zujubelnd (Foto: Shari Deymann)

Lieber Rolf,

wenn man dich hört, sieht, erlebt oder, noch besser, mit dir kommunizieren darf, dann glaubt man alles, aber nicht, dass du bald deinen 90. Geburtstag feierst.

Jetzt könnte man denken, dass dein Beruf dich jung hält. Das allein kann es nicht sein. Viele Kolleginnen und Kollegen starben früh und viele andere wurden früh schon alt. Das hat sich heute sogar verschlimmert, wo große Teile der Kultur, des Kabaretts und des Schauspiels sich dem Kriegsgeschrei und Handeln der Herrschenden angeschlossen haben.

In einem Bericht des „Deutschlandfunks“ (!) über dich aus dem Jahr 2013 gehst du darauf ein. Du wirst dort zitiert mit: „Ich bin froh, dass ich nicht den Untergang der Gustloff, den Untergang von Dresden, den Untergang von Hitler und so weiter, dass ich da nicht mitspiele, dass ich gar nicht gefragt worden bin. Ich hätte nur vor der Entscheidung stehen können, nein zu sagen. Dann mach ich lieber von Derrick bis … das heißt, weiche dann auf den Unterhaltungssektor aus, der auch nicht ideologiefrei ist, aber wo man sich zumindest nicht beteiligt am Verfälschen der Geschichte oder an einem Prozess der Ideologisierung der Bevölkerung, mit dem man nichts zu tun haben möchte.“

Seit damals ist das ja um ein Vielfaches schlimmer geworden, denn dieses Land wird kriegstüchtig gemacht, die Massen müssen das bezahlen und sollen ruhig bleiben.

Dein Beruf allein kann es also nicht sei, was dich so fit hält. Im selben Bericht ist eine zweite Aussage von dir, die einen Hinweis gibt: „Der Auftrag, der sich für mich ergeben hat aus dem Erlebten in Kriegs- und Nachkriegszeit, ist bis jetzt nicht erfüllt, und so viel ich noch beitragen kann, damit künftigen Generationen jedenfalls ein bisschen was erspart bleibt, mache ich das weiter.“

Hier fürchte ich allerdings, dass weder deine noch meine Zeit ausreichen werden, um tatsächlich die Ursachen für Krieg und Faschismus zu beseitigen. Der Kapitalismus und Imperialismus fault und stinkt zwar, aber noch will das Subjekt, das ihn überwinden kann und muss, nicht erkennen, dass es seine Aufgabe ist. Du hast als Gewerkschafter und Sozialist daran immer gearbeitet, trotzdem, wir haben noch viel zu tun.

Dafür gehörst du aber zu jenen, die anderen, auch mir, Mut machen und die Kraft geben, diesen Kampf zu führen. Dafür danke ich dir ganz herzlich. Ich danke dir auch für deine Unterstützung unserer Partei. Auf Pressefesten, bei kulturellen und politischen Veranstaltungen hast du immer, wenn es dir möglich war, deinen Beitrag geleistet.

Ich und die DKP wünschen dir und uns noch viele Jahre deiner Kampfkraft.
Dein Patrik Köbele

1316 02 - Herzlichen Glückwunsch, Rolf Becker! - Rolf Becker - Kultur
Bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz der „jungen Welt“ (Foto: Jens Schulze)

Mit klarer Stimme

Als ich Rolf Becker vor unserem letzten UZ-Pressefest in Berlin fragte, ob ich ihn einplanen könnte für unsere Hommage an Esther Bejarano, kam umgehend eine Absage. Leider, so Rolf, sei er an dem Tag schon seit fast einem Jahr von einer Friedensinitiative andernorts zu einer Lesung eingeladen. Er habe nachgeschaut, mit dem Zug sei Berlin nicht mehr pünktlich zu erreichen. Und noch bevor ich den Vorschlag machen konnte, schickte er eine zweite Mail hinterher, ob er ein Grußwort schicken könnte, es wäre ihm ein Anliegen.

Als ich ihm nach dem Pressefest von den Standing Ovations für sein Grußwort erzählte, war seine Freude durchs Telefon greifbar.

Ein Pressefest ohne Rolf wäre auch schwer vorstellbar gewesen. Ob als begeisterter Besucher, Teilnehmer in offiziellen Diskussionsrunden auf der Bühne oder spontanen am Tisch oder – vor allem – als Künstler mit vielfältigen Programmen ist Rolf Becker ein Teil unserer Feste, den wir nicht missen wollen.

Und er ist klare Stimme der politischen Kunst in diesem Land, auf die wir nicht verzichten können. Ob Rolf über seine Reisen in das von der NATO angegriffene Jugoslawien spricht, über die Frage Krieg und wie er in die Köpfe kommt oder ob er in szenischen Lesungen erinnert an Künstler von Victor Jara bis Franz Josef Degenhardt – mit dem Gewerkschafter, mit dem Sozialisten, dem Künstler, dem Mensch Rolf Becker haben es die Herrschenden in diesem Land schwerer, ihre Kriegstreiberei durchzusetzen. Dafür, lieber Rolf, danken wir dir – und gratulieren herzlich zum Geburtstag!
Melina Deymann für die UZ-Redaktion

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"Herzlichen Glückwunsch, Rolf Becker!", UZ vom 28. März 2025



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