Es ist jedes Jahr dieselbe Leier: Die Armen werden ärmer, die Reichen werden reicher, die Hilfsorganisationen schütteln zum Jahresende kräftig ihre Spendendosen. In ein paar Wochen wird Oxfam dann wieder vermelden, dass 2019 so war wie immer und dass das reichste Prozent der Weltbevölkerung in etwa soviel besitzt wie die 90 Prozent am anderen Ende der Skala. Für Deutschland zeichnet der Paritätische Wohlfahrtsverband mit dem Armutsbericht ein ähnliches Bild, stellt fest, dass Kinder aus armen Familien in diesem Land eine sehr gute Chance haben, arm zu bleiben und dass die Regionen sozial zunehmend auseinander driften. Armutsforscher Christoph Butterwegge fügt hinzu, dass die Armut sich in Richtung Mittelschicht ausbreitet. Und zwei Drittel der deutschen Bevölkerung sind der Auffassung, dass die „Vermögensschere“ immer weiter auseinandergeht. Laut ARD-Deutschlandtrend stimmt eine große Mehrheit der Befragten, nämlich 72 Prozent, für die Einführung einer Vermögensteuer.
Alles Quatsch, sagt Michael Hüther, Direktor des Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW). Sein Institut ist unablässig im Auftrag des Kapitals unterwegs, um derlei populistische Debatten zu versachlichen. Hüther orientiert sich nur an „Fakten“ und an „Datengrundlagen“, die er selbst geschaffen hat, und nicht an Neiddebatten, die schließlich nur zur gesellschaftlichen Spaltung führen. Zwar sei es richtig, dass 10 Prozent der Deutschen 56 Prozent des Reichtums besäßen. Das sei aber kein sinnvoller Grund für die Wiedereinführung der Vermögensteuer und derlei Informationen trügen nur zur Verunsicherung der Bevölkerung bei. Denn über die „Vermögensungleichheit“ würden all diese Zahlen über die Reichen und Superreichen und wieviel sie besitzen, herzlich wenig aussagen. Die eigentliche Frage sei doch, so Hüther, ob Menschen in ihren Chancen behindert würden: „Am Anfang hat man wenig, am Ende hat man es aufgebaut, man erbt oder man vererbt selbst. Dieser Zyklus ist für die Frage, was kann man tun, nicht so entscheidend wie die Frage Arbeitsmarkt und Bildung.“ In diesem Sinne hat das IW für seine Studie 30 000 Personen befragt – und siehe da: Die Ungleichheit hat sich nach IW-Erkenntnissen seit Anfang der 2000er kaum verändert. Noch Fragen?