Welzheim benennt Platz nach kommunistischem Widerstandskämpfer

Hermann-Schlotterbeck-Platz

Auf Beschluss des Gemeinderates der „Römerstadt Welzheim“ im Schwäbischen Wald, rund 40 Kilometer östlich von Stuttgart, wird zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers (KZ) Welzheim ein „Hermann-Schlotterbeck-Platz“ geschaffen, benannt nach dem kommunistischen Widerstandskämpfer Hermann Schlotterbeck (1919 – 1945). Dabei handelt es sich um den westlichen Teil des „Gottlob-Bauknecht-Platzes“, der den Namen des Industriellen und Ehrenbürgers der Stadt trägt. Der Name Hermann Schlotterbeck soll stellvertretend für alle Opfer des KZ Welzheim stehen. Der Platz liegt direkt vor der ehemaligen KZ-Kommandantur im Zentrum der Stadt. Trotz starker Bedenken und teils heftigem Widerstand, einen Platz nach einem kommunistischen Widerstandskämpfer zu benennen, war die seit Jahrzehnten geführte Auseinandersetzung jetzt mit Erfolg gekrönt.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde in Welzheim immer wieder diskutiert, eine Straße oder einen Platz nach Hermann Schlotterbeck zu benennen. Die Debatte darüber sei teilweise unbequem, aber notwendig gewesen, sagte Bürgermeister Thomas Bernlöhr. Die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA) Rems-Murr stritt dafür, dass die „Schillerstraße“, die zum Polizeigefängnis führte und von 1945 bis 1948 „Hermann-Schlotterbeck-Straße“ hieß, wieder nach dem Widerstandskämpfer benannt wird. Vor 1945 war die Straße nach dem Nazi und berüchtigten Lagerkommandanten von Welzheim, Karl Buck, benannt. Eine wichtige Rolle spielte der „Historische Verein Welzheim“. „Der Historische Verein und dessen Mitglieder stehen wie niemand sonst in Welzheim für die Erinnerungsarbeit an das KZ Welzheim und dessen Opfer“, würdigte Bernlöhr in seiner Vorlage an den Gemeinderat. Anlässlich des 75. Jahrestages der Räumung des KZ Welzheim hatten sich der Historische Verein und der Kreisverband Rems-Murr der VVN-BdA an den Bürgermeister der Stadt gewandt, damit die Namensnennung jetzt vollzogen wird. Mehrheitlich stimmte der Gemeinderat der daraus entstandenen Vorlage des Bürgermeisters zu.

In Welzheim befand sich von 1935 bis April 1945 ein Konzentrationslager. Julius Schätzle (1905 bis 1988), der von 1946 bis 1950 für die KPD im Landtag von Württemberg-Baden saß, beschreibt in seinem 1974 erschienen Buch „Stationen zur Hölle“ die katastrophale Situation der geschundenen und gequälten Inhaftierten. Menschen unterschiedlicher Herkunft und politischer Couleur einschließlich Juden und Zwangsarbeiter waren in Welzheim inhaftiert. Eine Reihe von Kommunistinnen und Kommunisten als auch Gewerkschafter aus dem Südwesten kamen von Welzheim nach Auschwitz, Buchenwald, Dachau, Sachsenhausen, Ravensbrück und Mauthausen. Einige davon waren bei der Selbstbefreiung des Lagers Buchenwald am 19. April 1945 dabei. Sie schworen: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Dafür kämpfte auch Hermann Schlotterbeck. Er war Mitglied der kommunistischen Stuttgarter „Widerstandsgruppe Schlotterbeck“. Er und seine Familienangehörigen sowie weitere Mitglieder der Gruppe waren schon vor der Machtübertragung auf Hitler gegen die drohende faschistische Gefahr aktiv. Schon als 14-Jähriger kam Hermann Schlotterbeck wegen Verteilung von Flugblättern ins KZ Heuberg und ab September 1944 ins KZ Welzheim. Dort wurde er, wie sein Bruder Friedrich (1909 bis 1979), gefoltert und misshandelt.

Im Mai 1944 verriet ein Spitzel die Gruppe Schlotterbeck an die Gestapo. Von der Widerstandsgruppe überlebte nur Friedrich Schlotterbeck. Er konnte durch seine erfolgreiche Flucht in die Schweiz sein Leben retten. Die anderen Mitglieder der Widerstandsgruppe wurden verhaftet, nach Dachau verschleppt und am 30. November 1944 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ hingerichtet, darunter die Eltern Gotthilf und Maria Schlotterbeck, die Schwester Gertrud und Hermann Schlotterbecks Verlobte, Else Himmelheber, sowie weitere fünf Mitglieder der Widerstandsgruppe.

Die Befreiung von Faschismus und Krieg erlebte auch Hermann Schlotterbeck nicht mehr. Auf Befehl von Heinrich Himmler wurde das KZ Welzheim am 14. April 1945 evakuiert und alle Spuren, die auf ein KZ hinwiesen, mussten vernichtet werden. Kein Häftling durfte in die Hände des Feindes fallen. Im Zuge der Räumung erfolgte ein Häftlingstransport Richtung Bodensee, darunter auch Hermann Schlotterbeck. In der Nacht vom 18. auf den 19. April 1945 wurde er, 26 Jahre alt, in einem Wald bei Riedlingen (Oberschwaben) von SS-Schergen hinterrücks erschossen.

Sein Bruder Friedrich kehrte im Juni 1945 nach Stuttgart zurück und veröffentlichte im Juli den Bericht „Wegen Hochverrat hingerichtet“. „Warum mussten die Mitglieder der Widerstandsgruppe sterben?“, fragt Friedrich Schlotterbeck in dieser Broschüre und gibt dazu folgende Antwort: „Weil sie den einfachsten Idealen der Menschlichkeit treu blieben! Weil die Söhne einer alten Mutter sich nicht dem Joch der Tyrannei beugten – musste die Mutter sterben! Weil die Söhne eines Vaters dem Geiste des Rechts und der Freiheit, in dem sie erzogen waren, treu blieben – musste der Vater sterben! Weil wir es wagten, den Verderbern unseres Volkes zu trotzen – musste die Schwester sterben! Weil einige den Krallen der mächtigen Gestapo entwischten – musste die ganze Schar der ihnen nahe stehenden Menschen sterben!“

Der „Hermann-Schlotterbeck-Platz“ erinnert und mahnt gegen das Vergessen der Nazi-Barbarei. Seit 1997 steht in einem nahegelegenen Wald ein Gedenkstein am Eingang des „Henkersteinbruchs“, eines Steinbruchs, der als Hinrichtungsstätte diente. Der Gedenkstein wurde auf Initiative der VVN-BdA errichtet und anlässlich des 70. Jahrestages von der Stadt mit Stelen für die Hingerichteten ergänzt.

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"Hermann-Schlotterbeck-Platz", UZ vom 10. April 2020



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